Die Erlösentwicklung der klassischen Medienkanäle ist allgemein leicht rückläufig, während das Internet als Werbeträger noch immer starke jährliche Zuwächse verzeichnet. Insbesondere im Status des „Web2.0″ eröffnet die Digitalisierung neue Möglichkeiten, einen wechselseitigen Austausch mit Nutzern bzw. Kunden zu pflegen. Als Folge dieser Trends entwickelt sich der Medienmarkt in seinen Erlösmodellen zusehends weg vom Modell der Massenkommunikation mit großer Reichweite und hohen Streuverlusten – ohne aber darauf verzichten zu können.
Eine aktuelle qualitative Studie (Top-Entscheider aus verschiedenen Branchen der Medienwirtschaft; Studie zum download s.u.) befasst sich mit Veränderungen der Medienlandschaft und einem veränderten Verbraucherverhalten. Sie geht vor allem der Frage nach, inwieweit sich durch die Digitalisierung der Medien bzw. durch Weiterentwicklungen im Wachstumsbereich Internet neue Erlösfelder ergeben – und ob alte Geschäftsmodelle ergänzt werden müssen oder vielleicht sogar vor der Ablösung stehen.
Dem Marketing verleihen diese Entwicklungen eine völlig neue Qualität des Customizing. Der so genannte „long tail” eröffnet Nischenpotenziale zu vergleichsweise geringen Kosten – und ermöglicht so auch kleineren Anbietern und Werbungtreibenden den Zugang zum überregionalen, ja weltweiten Kommunikationsmarkt.
Allerdings erreichen Medienangebote mit personalisierter, individualisierter Verbraucheransprache gegenwärtig bei weitem noch nicht das Umsatzniveau reichweitenbasierter Volumenangebote. In den etablierten Medienunternehmen mit ihren bekannten Medienmarken bleiben sie derzeit überwiegend noch ein „add on”.
Erheblich an Einfluss gewinnt bei alldem der Nutzer von Medien – der Kunde. „User Generated Content” bietet die Möglichkeit, eigene Erfahrungen mit Produkten und Marken einem weiten Kreis von Nutzern bzw. Verbrauchern zugänglich zu machen. Für den Prozess der Marketingkommunikation hat dies Auswirkungen, die in ihrer vollen Konsequenz noch längst nicht bekannt sind. Klar ist aber schon jetzt: Dieser Prozess ist nicht mehr strikt „top down” steuerbar. Durch den souveränen Verbrau-cher erhält er ein – nur wenig beeinflussbares – Gegengewicht.
Dennoch sind sich die befragten Experten weitgehend einig in der Bewertung: Die Gesetze der klassischen Markenführung müssen im Web2.0 keineswegs grundlegend neu geschrieben werden. Insbesondere das Vertrauen in die Marke, das ein „trusted brand” immer wieder neu rechtfertigen muss, ist und bleibt auch im Web2.0 von zentraler Bedeutung, um ein Zielpublikum erfolgreich ansprechen und nachhaltig erreichen zu können.
Web2.0-Angebote stehen dabei m Kontext integrierter Markenkommunikation an wichtiger, meist aber nicht an erster Stelle. Crossmedialität bzw. Konvergenz in der Markenführung erlauben es vielmehr, eine intensivere und direktere Kundenbeziehung aufzubauen – wenn es denn gelingt, den passenden Kommunikationsmix zu finden.
Allerdings ist die konkrete Umsetzung wirksamer crossmedialer Markenführung vielfach noch unscharf, die Entwicklung ihrer Instrumente bei weitem noch nicht abgeschlossen. Die Möglichkeiten zur Personalisie-rung, die das Web2.0 bietet, werden häufig als zusätzliches Erlösfeld ne-ben der „klassischen” Online-Bannerwerbung gesehen. Moderne Tools zum Targeting und zur Personalisierung eröffnen hier viel versprechende Optionen zur effizienteren Werbemittelaussteuerung. Aber auch alternative Erlösquellen wie etwa Content Syndication, die thematische oder regionale Ausweitung von Marktplätzen oder das Eingehen strategischer Allianzen gewinnen an Bedeutung.
Die Kapitalisierbarkeit von Angeboten im Netz, insbesondere die von Web2.0-Angeboten, ist abhängig vom Nachweis der werblichen Leistungsfähigkeit. Zunehmend lösen hierbei leads (qualifizierte Kontakte) aus Sicht der Nachfrager sowie Reichweiten aus Sicht insbesondere der Online-Vermarkter die Page Impressions als dominierende Größe der „Online-Währung” ab. Den PIs bleibt künftig eher die Rolle einer Marketing-Kennzahl – weniger aber die eines monetarisierbaren Leistungskrite-riums.
Für den Leistungsnachweis digitaler Web2.0-Angebote fehlt in Deutschland ein wichtiges Maß, das sich in den USA bereits erfolgreich etabliert hat, noch völlig: die gemessene Nutzungsdauer eines Angebots durch einen User („use time”). Hiervon erhoffen sich insbesondere die Betreiber von Social Communities in Zukunft ein adäquates Abrechnungsmodell.
Zusammenfassung: Die sieben wichtigsten Kernaussagen der Studie
1. Die Entwicklung nachhaltiger, ökonomisch ertragreicher Erlösmodelle im Web2.0 ist bei den Medienanbietern noch in vollem Gang. Einige Erfolgstendenzen sind inzwischen erkennbar: Personalisierung von Inhalten und Webung; Kooperationen und Syndication; e-commerce
2. Bei Social Communities liegen die Erlöse noch immer auf eher niedrigem Niveau. Sie stellen derzeit noch keine Alternative zu den bisherigen Einnahmequellen großer Medienhäuser dar.
3. Von einzelnen Nischenbereichen abgesehen (Erotik, B-to-B u.a.) bieten Subscriber-Modelle zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine adäquate, nachhaltige Erlösperspektive.
4. Personalisierung wird immer wichtiger: Behavioral targeting und eine angemessene Dosierung der Verbraucheransprache werden künftig die Werbung „nach dem Gießkannenprinzip” ablösen – auch wenn derzeit noch die klassische Bannerwerbung dominiert.
5. Aber: Bislang wird die personalisierte Ansprache von Web2.0-Angeboten noch längst nicht angemessen kapitalisiert. Das liegt u.a. auch am Fehlen wichtiger qualitativer Leistungsmerkmale, die dazu dienen können, die Wertigkeit der personalisierten Werbung zu erhöhen (Beispiel: die „use time” von Angeboten)
6. Die Grundregeln der Markenführung bleiben auch im Umfeld des Web2.0 gültig. Allerdings wird die Markenbindung kurzlebiger werden. Die Markenführung wird nicht mehr allein „top down” von den Marketingverantwortlichen umgesetzt werden können: Aktive „Prosumer” (ein Begriff, den Alvin Toffler 1980 erstmals in seinem richtungsweisenden Werk “the third wave” verwendet hat) werden direkten Einfluss darauf nehmen.
7. In Ergänzung zu bisherigen Medienangeboten sind Web2.0-Applikationen eine notwendige zusätzliche Option, um eine Marke attraktiv zu erhalten. Sie stellen keine Kannibalisierung des Markenwerts dar.
Der Studienreport zum download:
Kommentare (9)