Die Methoden der Erkenntnisgewinnung in den Brain Sciences sind vielfältig. Das Spektrum reicht vom klassischen verhaltenswissenschaftlichen Befragungsansatz bis hin zu modernen bildgebenden Verfahren zur Darstellung von Stoffwechselprozessen im lebenden Gehirn. Dabei spielen häufig aufwändige experimentelle Versuchsaufbauten eine wichtige Rolle, um alle interessierenden Parameter ordentlich abbilden bzw. kontrollieren zu können.
Noch vielfältiger als die Wahl der Methoden sind die – interdisziplinären – Forschungsfelder, derer sich die Brain sciences – über ihre verschiedenen akademischen Disziplinen – bedienen.
Unsere Reise durch das Gebiet der Brain Sciences mit Anknüpfungspunkten zur Medienforschung, zu Medienmarken und zum Medienmarketing beginnt bei der Biologie, führt uns über die Psychologie, die cognitive sciences bis hin zur immer noch jungen Disziplin „Neuro Economics” (Neuroökonomie).
Im Folgenden werden zu den genannten Feldern exemplarisch einzelne zentrale Forschungsschwerpunkte bzw. -erkenntnisse angeführt und im Hinblick auf die Medienqualitäten insbesondere von Printmedien bewertet.
Biologie – (I) Reizdarbietung
Wie werden Kommunikationsinhalte wahrgenommen, was ist dafür erforderlich, nach welchem Muster ist dieser Prozess strukturiert? Hierzu sind im menschlichen Organismus sogenannte „Manifestationen zur zeitlichen Strukturierung” (Pöppel 2000) vorhanden. Prof. Ernst Pöppel konnte in seinen Forschungen nachweisen, dass das, was wir wahrnehmen, auf einer kulturübergreifenden zeitlichen Grundlage der Strukturierung basiert. So erfordert eine „Informationseinheit” einen Zeitraum von etwa 3 Sekunden, darunter können keine sinnvollen Bezüge hergestellt werden. Eine Erkenntnis, die sehr häufig vernachlässigt wird, wenn man bedenkt, was häufig in elektronischen Medien stakkatohaft – in rascher Bildfolge – an Informationsvielfalt dem Betrachter zugemutet wird.
Was die zeitliche Flexibilität anbelangt, ist der Zeitschriftennutzer Souverän. Im Gegensatz zu TV ist er bei der Mediennutzung zeit- und ortsunabhängig, kann die Zeitschrift überall hin mitnehmen und bestimmt so “freiwillig” über den Zeitpunkt der Nutzung (und somit auch den des Werbemittelkontakts), was im Anschluss zu verbesserter Lern- und Behaltensleistung bei geringerer Werbe-Reaktanz als bspw. bei TV (wo der Werbeblock i. d. R. zeitlich vorgegeben wird und Werbung häufig eher als störend empfunden wird) führt.
Forschungen zum Thema „change blindness” gehen der Frage nach, inwieweit z. B. menschliches Sehen sich auf einen (fovealen) Punkt höchster Aufmerksamkeit konzentriert und was dabei möglicherweise an Hintergrundinformation ausgeblendet wird. Es konnte hier z. B. gezeigt werden, dass bei starker Konzentration auf ein zentrales Merkmal (z. B. eine Person in einem Film) der Betrachter gar nicht mitbekommt, dass im Hintergrund Dramatisches passiert (daraus kann man im übrigen wohl auch ermessen, wie fehleranfällig Detailaussagen bei Zeugenvernehmungen vor Gericht sein können). Dennoch hat dieser Bias unter funktionellen Gesichtspunkten seinen Sinn. Das Gehirn filtert in – überlebenswichtigen – Entscheidungsmomenten für das Handeln wichtige aus der Fülle aller, überwiegend aber unwichtiger Informationen heraus (Triesch et al. 2003).
Ein weiteres, im Zusammenhang mit der Medienrezeption untersuchtes Gebiet sind tageszeitliche Leistungsschwankungen. Die Chronobiologie beschäftigt sich mit tagesperiodischen Aktivierungs- und Konzentrationsprozessen und deren Bedeutung für die (nachhaltige) Speicherung von Informationen. Es zeigen sich dabei nicht nur tages-, sondern auch jahresperiodische Schwankungen. Was kann das für die Mediennutzung zur Folge haben? Z. B. führt eine Erhöhung der Körpertemperatur zu einer höheren kognitiven Leistung (Wright et al. 2002). Bei tagesperiodischen Schwankungen gibt es individuelle Unterschiede, die Medienrezeption erfolgt folglich nicht nach einem fixen Zeitplan immer gleichermaßen erfolgreich. Es gibt folglich aber auch kein starres Zeitschema, das generalisierbar für einen Großteil der Menschen gilt. Das weist bereits darauf hin; wie wichtig z. B. Stimmungen für die Medienrezeption sein können. Was für den Tagesablauf gilt, trifft auch für die Momentaufnahme zu. Ein aggressionsgeladener Actionfilm hinterlässt mit Gewaltszenen eine angespannte Stimmung, die die Rezeptionsleistung für stimmungsvolle Werbung im anschließenden Werbebloch durchaus signifikant einschränken kann. Die Stimmungs-Kongruenz-Theorie unterstellt hier z. B. bessere Wirkungsleistung, wenn Programmumfeld und Werbemittel stimmungsmäßig harmonieren.
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