Diese Meldung über angebliche Mondbildfälschungen ist eigentlich eine Nichtmeldung. Ein Sturm im Wasserglas mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten.
Was ist passiert?
Chinesische Surfer hatten sich über die Ähnlichkeit zwischen dem ersten von der chinesischen Mondsonde Chang’e 1 veröffentlichten Mondfoto und einem zwei Jahre alten NASA-Bild gewundert.
Na und? Das ist die gleiche Region! Wenn zwei Satelliten im Abstand von zwei Jahren Italien überfliegen, hat sich die typische Stiefelform auch nicht geändert. Übrigens, was sagt denn das über die Allgemeinbildung der Surfer aus?
Der Mond hat keine Lufthülle, kein Wasser, keinen aktiven Vulkanismus, keine schweren Erdbeben, keine Plattentektonik. Daher gibt es dort keine Erosion. Ab und an schlägt mal ein Asteroid ein und bildet einen neuen Krater. Das ist aber auch das einzige, was sich an der Landschaft ändert. Selbst die Fußspuren der Apollo-Astronauten sollten in absehbarer Zeit im Mondstaub konserviert sein.(1)
Das ist der Mond, Leute! Da tut sich nicht sehr viel, weil es eine ziemlich tote Landschaft ist.
Außerdem, schaut Euch doch mal den “Vergleich” der beiden Bilder an (Großbild auf SpOn)! Man braucht noch nicht mal einen Experten, um zu erkennen, dass die Bilder mitnichten völlig identisch sind. Seht Euch doch bitte mal diesen Bildausschnitt an – insbesondere den Schatten der Krater oben links:
Ich musste das rechte chinesische Bild um 5 Grad drehen, damit es ungefähr zum linken NASA-Bild passt.
Aber siehe da! Die Schatten, welche die Krater werfen, ist in beiden Bilder nicht identisch. Das ist ein Hinweis darauf, dass die beiden Bilder unter unterschiedlichen Beleuchtungsverhältnissen aufgenommen wurden.
Dann möchte ich weiterhin noch diesen Ausschnitt präsentieren, der tatsächlich etwas merkwürdig ist:
Hier musste ich das rechte Bild um 15 Grad drehen, damit die beiden Bilder halbwegs deckungsgleich sind.
Auch hier fallen die Schatten unterschiedlich aus und außerdem sind die rot umrandeten Bereiche im rechten chinesischen Bild wesentlich detailreicher als im linken Bild der NASA.
Von einer Kopie kann daher wirklich nicht die Rede sein. Aber es ist schon seltsam, dass ich den unteren Bildausschnitt um 15 Grad drehen musste, um einen Vergleich anstellen zu können, und den oberen Ausschnitt nur um 5 Grad. Aber auch dafür gibt es eine recht einfache Erklärung: Fehler in der Bildbearbeitung.
Die Chinesen haben das Bild aus 19 Einzelteilen zusammengesetzt. Während jeder dieser Aufnahmen bewegte sich die Raumsonde allerdings erheblich. Wenn man diese zusammennäht, muss daher darauf geachtet werden, dass die Eigenbewegung der Kamera berücksichtigt wird. Dabei vertut man sich schnell. Ich hab diese Probleme im Detail in diesem Posting anhand von Einzelaufnahmen des Saturnmondes Rhea dokumentiert.
Aber eigentlich denke ich, dass diese Gerüchte über die Mondfotos ein typisches Stellvertretergefecht ist. Im Kern steckt dahinter Misstrauen gegenüber der chinesischen Regierung, die nun wirklich alles andere ist, nur kein Hort der Ehrlichkeit und der Demokratie.
Man muss außerdem ganz klar feststellen, dass die Mondsonde für die chinesische Führung ein ganz vorzügliches Propaganda-Mittel darstellt:
Nach außen hin wird das Ansehen des chinesischen Staates durch diese technische Leistung gefördert, was nach den letzten Skandalen um Plagiate und Gifte in Kinderspielzeug natürlich absolut gelegen kommt. Nach innen hin können die chinesischen Politiker zu Recht Nationalstolz wecken und damit zumindest zeitweise von den nicht unerheblichen innenpolitischen Problemen ablenken.
Man kann und darf zudem hinterfragen, ob eine Nation, in der weite Teile der Bevölkerung einen sehr niedrigen Lebensstandard haben und von vernünftiger ärztlicher Versorgung nur träumen können, in der die Umwelt systematisch zerstört wird, sich eine Mondrakete überhaupt leisten kann.
Andererseits hoffe ich, dass die chinesische Mondmission eine Bildungsmotivation für die Kinder und Jugendlichen des Staates sein wird – ähnlich wie Sputnik das damals für die westliche Welt war. Das würde nämlich in Zukunft auch mehr chinesische, motivierte Studenten bedeuten.
Aber es sind gerade die Studenten, die in den letzten Jahrzehnten lautstark die herrschende Gesellschaftsordnung in Frage stellen. Wer trat noch mal im Juni 1989 für mehr Demokratie in China ein?
Chinesische Studenten! (Ja, ich weiß, vielleicht bin ich da blauäugig. Aber einen Rest Hoffnung möchte ich mir dennoch bewahren.)
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(1) Ich hatte mal mit einem befreundeten Astronomen eine interessante Diskussion. Wir waren uns einig, dass in einigen Jahrmillionen auf der Erde alle unsere großartigen Bauten zu Staub zerfallen sein werden und dass es reine Glückssache sein wird, auf Relikte einer technologischen Welt zu stoßen, die vielleicht gerade mal ein paar tausend oder gar nur hundert Jahre Bestand hatte. Erdgeschichtlich gesehen ist das ein Wimpernschlag. Das einzige, was künftigen Archäologen Auskunft darüber geben wird, dass auf der Erde eine technische Zivilisation existierte, sind die von den Astronauten zurückgelassenen Spuren auf dem Mond: Die Fahrzeuge, die Fußspuren, die Fahne, die Spiegel usw. Eine bessere Zeitkapsel gibt es fast nicht.
Da wäre vielleicht noch etwas Weltraummüll, der in großer Entfernung die Erde und die anderen Planeten umkreist.
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