Pünktlich zur Weihnachtszeit kommt die Frage auf, ob unsere westliche Gesellschaft ihren Sinn verloren hat. Ich kann und werde diese Frage nie verstehen, der ich insgesamt vier Worte entgegen schleudern möchte: Freiheit, Toleranz, Demokratie, Vernunft!
Diese Dinge repräsentieren für mich das, wofür diese Gesellschaft und auch dieser Staat steht und worauf wir verdammt noch mal stolz sein können und bewahren sollten.
Jeder darf heutzutage je nach Neigung und Befähigung werden, was er will (1). Es ist gar nicht so lange her, da wäre mir als Frau das Studium von vornherein verwehrt worden.
Jeder darf seine Meinung frei äußern – sofern er nicht andere Menschen beleidigt oder die Meinung verfassungsfeindlich ist (2). Und selbst dann muss derjenige nicht damit rechnen, auf Nimmerwiedersehen in irgendeinem dunklen Verlies zu verschwinden oder gar geköpft zu werden, wie es z.B. den Geschwistern Scholl erging.
Jeder darf glauben oder auch nicht glauben, was er will. Ein katholischer Hardliner wie Joachim Meisner kann in dieser Gesellschaft seine Meinung kundtun. Aber mir steht es frei, diese für blödsinnig zu halten und es auch auszusprechen – ohne dass ich deswegen Repressalien zu befürchten hätte. Es ist gar nicht so lange her, dass sich Frauen gerade in ländlichen Gebieten im Beichtstuhl die Frage gefallen lassen mussten, wann denn endlich das nächste Mal Nachwuchs ins Haus steht. Oder dass Frauen als liederlich bezeichnet wurden, weil sie die Pille nahmen.
Jeder darf heiraten oder auch nicht heiraten, wen er will. Mein Mann ist z.B. 68 als Kind einer ledigen Mutter zur Welt gekommen. Was meint Ihr wohl, wie sich damals das Umfeld das Maul zerrissen hat. Man sehe sich nur den Film “Es geschah am hellichten Tag” mit Heinz Rühmann aus dem Jahr 58 an, um einen Eindruck zu erhalten, wie eine engstirnige Dorfgemeinschaft ein Kind dafür bestraft, weil es mit dem Makel “Unehelichkeit” behaftet ist. Über die Akzeptanz von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften muss ich erst gar nicht reden.
Das alles soll sinnlos sein? Blödsinn!
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(1) Ja, ich weiß, dass das nur bedingt wahr ist. Leider legen neuere Untersuchungen nahe, dass die Berufschancen in Deutschland allzusehr vom sozialen Status abhängen. Aber gerade die Debatte darüber zeigt, dass als Ideal angestrebt wird, dass jeder entsprechend seiner Neigung und Befähigung werden kann, was er will.
(2) Was die Meinungsfreiheit angeht, gibt es einen ganz grundlegenden Unterschied zwischen dem europäischen und dem angelsächsischen Raum. Dieser Unterschied wird und wurde im Blog USA erklärt thematisiert. Deswegen gehe ich hier nicht weiter darauf ein.
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