Drüben bei den KOSMOlogs berichtet Raumfahrtingenieur Michael Khan von der ESA – also ein echter Insider -, wie er die Cassini-Huygens-Mission miterlebt hat – und was dabei alles schiefgegangen ist.
Huygens – ein Augenzeugenbericht.
Tja, auch Raketeningenieure sind fehlbar und es ist ein schöner Beitrag, der illustriert, dass Raumfahrt auch heute noch keine Routine darstellt. Auch wenn manchmal so getan wird. Dabei kann natürlich einiges schiefgehen, auch wenn die Fehler für einen Außenstehenden auf den ersten Blick doof erscheinen mögen.
Raumfahrttechnologie ist immer noch Technologie am Rande der Möglichkeiten unter erschwerten Bedingungen, wie ich es auch schon im heutigen Beitrag erwähnt habe. Wenn dort draußen im All etwas kaputt geht, dann war es das in der Regel. Man kann mit einer gewissen Redundanz einiges abfangen – aber nicht alles.
Wie es auch die Geschichte des Verlustes der Marssonde MGS zeigte.
Die NASA-Sonde MGS ging verloren, weil anscheinend ein Wert nicht in die richtige Speicherstelle geschrieben wurde. So dämlich das auch klingen mag.
D.h. ein paar Bits standen an der völlig falschen Stelle. Das ist so, als ob in einem Buch ein paar Buchstaben an der falschen Stelle gesetzt wurden. Wenn das Buch dick genug ist, fällt das erst mal nicht auf. Bis dann irgendjemand beim Lesen an diese Stelle kommt – und versucht, das auszuführen, was wortwörtlich da steht. Computer machen ja dummerweise/glücklicherweise das, was man ihnen sagt, und nicht das, was man meint.
Genau das passierte MGS im November 2006. Ein neues Kommando und die falschen Bits im Speicher verbanden sich zu einer komplett falschen Anweisung. Auf einmal drehten sich die Solarzellen weg. Genauer gesagt versuchte die Raumsonde, die Solarzellen weiter zu drehen, als es rein physikalisch/technisch überhaupt möglich war und es kam zum Anschlag.
Mars-Raumsonden sind so weit weg von der Erde, dass bis zu 40 Minuten zwischen der zur Erde gesendeten Meldung und der Antwort vergehen können. Das Licht und auch Funkwellen brauchen diese Zeit für den Hin- und Rückweg. Aber in Notfällen kann man nicht so lange warten. In der Zeit kann sich die Raumsonde sonstwohin gedreht haben.
Deswegen gibt es immer ein paar eingespeicherte Notfallprogramme, welche ausgeführt werden, wenn irgendetwas ganz schief läuft. Aber wie das eben so ist: Man kann nur das einprogrammieren, was man vorhersehen kann. Ein solcher Fall wie bei MGS war leider nicht vorhergesehen und es passierte genau das, was man unter allen Umständen verhindern möchte: Die Raumsonde drehte sich sonstwohin.
Höchstwahrscheinlich bekam eine Seite des Satelliten Sonne ab, die nie Sonne abkriegen dürfte. Das führte dann dazu, dass eine der Batterien überhitzte und die Stromzufuhr abgeschaltet wurde. Diese Batterie wurde also nicht mehr komplett aufgeladen. Zwischendurch konnten die Sonnenkollektoren keinen Strom mehr liefern, wenn sich die Sonde beispielsweise im Planetenschatten befand, und der Strom der Batterien reichte nicht aus, um das ganze System am Laufen zu halten.
Eine Raumsonde muss nicht nur vor Überhitzung geschützt werden, sondern auch vor Unterkühlung. Dazu braucht man aber Strom zum Heizen der einzelnen Komponenten, damit die Betriebstemperatur nicht unterschritten wird. Aber wenn nicht genügend Strom zur Verfügung steht… Innerhalb von 10-12 Stunden war es dann um MGS geschehen. An Bord rührte sich nichts mehr. Es reichte wahrscheinlich noch nicht mal mehr zu einem Notsignal.
Das war’s dann. Ohne Saft ist selbst die modernste Raumsonde lediglich ein Haufen Metall und Elektronikschrott.
Aber Ihr müsst bedenken, dass diese Sonden in vielen Fällen Unikate und Prototypen sind und die Berechnung der Bahnen und die Steuerung eine sehr große Herausforderung. Außerdem gibt es sowas wie ein komplett fehlerfreies System einfach nicht. Man kann zwar viel testen, aber eben nicht alles. Schließlich hat man nicht unendlich viel Zeit, Geld und Leute zur Verfügung. Man muss auch bedenken: MGS arbeitete 10 Jahre lang sehr zuverlässig – mehr als jede andere Marssonde bislang – und wesentlich länger, als es ursprünglich vorgesehen war. Der Verlust ist zwar schmerzlich, aber sicherlich zu verkraften.
Für echte Insider ist es daher vielmehr erstaunlich, wie wenig eigentlich schief geht – bei dem Termin- und Kostendruck und den harten Anforderungen.
Auf jeden Fall gibt es kaum eine bessere und härtere Schule für angehende Ingenieure als die Raumfahrt. Das muss bei der Kosten-Nutzen-Rechnung des Ganzen ebenfalls mitberücksichtigt werden. Die Leute, die im Rahmen der Raumfahrtprogramme ausgebildet werden, landen zum großen Teil in der Wirtschaft und eben auch in der deutschen Wirtschaft. Das Kontrollzentrum der ESA, das ESOC, befindet sich schließlich in Darmstadt.(1)
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(1) Wer Zeit und Lust hat, dem seien die Führungen durch das ESOC im Darmstadt empfohlen. (Infos). Es gibt leider nicht so viele Termine im Jahr, aber ich finde, es lohnt sich.
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