Die NASA-Sonde Messenger wird am Montag gegen 20 Uhr am sonnennächsten Planeten Merkur vorbeifliegen, um dann am 18. Mai 2011 (Ja, in über 3 Jahren. Man braucht wirklich viel Geduld im Raumfahrtgeschäft.) endlich in eine Umlaufbahn einschwenken zu können. (1)

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Beim Anflug von Messenger am 11.1. aufgenommenes Bild des Merkur.
Bild: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Carnegie Institution of Washington.

Der Vorbeiflug trägt nicht nur dazu bei, die Geschwindigkeit der Sonde an die Umlaufbahn des Planeten anzupassen; nebenbei können die Forscher schon mal einen kurzen Vorgeschmack dessen kriegen, was sie später zu erwarten haben. Wobei das eigentlich ziemlich gemein ist. Stellt Euch vor, Ihr freut Euch auf ein Luxus-Menu und bekommt die Vorspeise in 2 Tagen und den Hauptgang erst in 3 Jahren – sofern der unfallfrei aus der Küche kommt, was noch gar nicht gesagt ist.

Tatsächlich ist die Stippvisite von Messenger der erste Besuch seit 32 Jahren, denn Merkur ist der am wenigsten untersuchte Planet in unserem Sonnensystem (2) und wurde bisher nur von einer einzigen Raumsonde besucht: von Mariner 10 und selbst da reichte es nur für einen kurzen Vorbeiflug. Bei dieser Begegnung wurden 45% der Oberfläche fotografiert. Die Landkarte des Planeten besteht also zu über der Hälfte aus weißen Flecken. Ich hoffe, am Montag können einige der Flecken gefüllt werden.

Denn bisher haben wir von allen Planeten irgendetwas Spannendes und Neues gelernt. Beispielsweise ist Merkur zwar der sonnennächste, aber nicht der heißeste Planet, auch wenn die Vermutung sehr nahe liegt: Am nächsten an der Sonne dran = am heißesten.

Darauf fielen anscheinend auch die Spiegelredakteure mit ihrer heutigen Meldung rein, was mich kurzfristig sehr in Verwirrung stürzte.(3) Da war auf einmal vom “heißesten Ort des Sonnensystems” die Rede.

“Komisch, ich dachte immer, dass Messenger demnächst am Merkur vorbeifliegt und nicht an der Venus. Das war doch erst vor ein paar Monaten.

Alleine schon die Verwendung des Wortes “Ort” ist schon falsch. Es gibt sogar heißere Orte hier bei uns auf der Erde. Vulkane bringen es auf Temperaturen von über 1000 Grad. Dagegen sind die 400 Grad, auf welche die Raumsonde erhitzt wird, nichts gegen. Aber es ist natürlich technisch eine große Herausforderung, dafür zu sorgen, dass die Instrumente und Computer nicht regelrecht gegrillt werden. Dazu kommt, dass neben der reinen Wärmestrahlung die Sonne auch unheimlich viele geladene Teilchen in Form von Sonnenwind abgibt. Davor muss die Elektronik abgeschirmt werden.

Aber auch wenn man stattdessen Planet sagt, haut es leider nicht hin: Den dummerweise bringt es der Planet Merkur auf der sonnenzugewandten Seite nach neustem Kenntnisstand höchstens auf 427 Grad Celsius. Die von der Sonne etwas weiter entfernte Venus dagegen hat mit 462 Grad Celsius auf der gesamten Oberfläche eher einen Anspruch auf den Preis.

Venus besitzt unter allen erdähnlichen Planeten die dichteste Atmosphäre, die zudem zum größten Teil aus Kohlendioxid besteht. Das macht sie zu einem riesigen Treibhaus (4). Merkur dagegen verfügt über fast gar keine Lufthülle und die Oberfläche wird “lediglich” von der puren Sonnenstrahlung erwärmt. Was aber auch schon ausreicht, um sich verbrannte Füße zu holen.

Die Geschichte von Merkur und Venus zeigt mal wieder, dass in der Natur und im Leben die Zusammenhänge nicht immer so sind, wie wir uns das vorstellen. Das ist auch gut so, denn sonst gäbe es nichts zu entdecken.
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(1) So einfach ist es gar nicht, den Merkur zu erreichen. Von der Erde aus gesehen bewegt sich der Planet Merkur mit einer recht geringen Geschwindigkeit um die Sonne. Als kurze Faustformel gilt: Je weiter weg der Körper von der Sonne ist, desto mehr Bewegungsenergie besitzt er. Da jeder Körper, der von der Erde losfliegt, auch automatisch das Tempo der Erde mitbekommt, muss man die irgendwo verlieren, wenn man den Merkur nicht nur treffen, sondern auch in eine Umlaufbahn gehen will. Messenger muss irgendwie ca. 60% seiner Bewegungsenergie loswerden. Man könnte mit Schubdüsen abbremsen. Dafür bräuchte man aber Unmengen von Treibstoff und es würde ewig dauern. Deswegen werden stattdessen die Planeten des Sonnensystems zum Bremsen oder eben zum Beschleunigen verwendet, wenn man in die andere Richtung will – weg von der Sonne. Das ist der Hauptsinn und Zweck dieser Vorbeiflüge bzw. Swing-By-Manöver, wie ich es schon hier schon mal beschrieben habe.

(2) Pluto zählt bekanntlich nicht mehr zu den Planeten, weil er aus meiner Sicht verdientermaßen seinen Planetenstatus verloren hat. Aber auch zu diesem Kleinplaneten ist mit “New Horizons” Besuch unterwegs. Wer nachlesen will, wie die heute gültige Planetendefinition lautet, kann hier mal nachschlagen. Da habe ich die Definition ins Deutsche übersetzt. Man muss bedenken, dass diese Namen und Einteilungen in erster Linie für die Leute da sind, die damit arbeiten – also für uns. Schließlich gehen wir damit tagtäglich um und müssen uns irgendwie einig werden, worüber wir reden, damit nicht totales Chaos ausbricht. Deswegen nehmen sich die Astronomen und auch wir Planetologen das Recht heraus, darüber zu bestimmen. Warum sollten wir uns an eine über 100 Jahre alte und einfach durch die Forschung inzwischen überholte Konvention halten, wenn die uns langsam aber sicher mit immer mehr Entdeckungen am Rande des Sonnensystems in Schwierigkeiten bringt? Man muss auch ein bisschen flexibel sein.

(3) Der Bericht hätte auch gut ohne das reflexhafte Verteilen von Superlativen leben können. Spannend ist die Geschichte auch so.

Wer jetzt sagt, dass nicht der Planet selbst, sondern der Punkt in etwa 200 km Höhe über dem Planeten gemeint ist…Naja, wenn wir jetzt schon anfangen, “Orte” willkürlich im Raum anzuordnen, dann können wir mit der gleichen Rechtfertigung auch behaupten, dass es mindestens einen Punkt gibt, der noch heißer ist als der Merkurorbit. Nämlich die Punkte im Raum, die unsere Sonne besetzt 😉

(4) Für all die Leute, die glauben, dass sowas wie ein Treibhauseffekt gar nicht existiert und dass unser Klima nur von der Sonne erwärmt werden kann… Ein ganzer Planet lässt sich schlecht wegdiskutieren.

Kommentare (4)

  1. #1 Fischer
    Januar 12, 2008

    Ich bin ja immer wieder erstaunt, unter welchen Bedingungen moderne Raumsonden heutzutage funktionieren… Weißt du zufällig, wie das Ding die Hitze wieder los wird? Oder funktionieren die Komponenten tatsächlich alle bei so hohen Temperaturen?

  2. #2 planeten
    Januar 13, 2008

    Das ist eine gute Frage und ein eigener Beitrag wert 😉

  3. #3 Fischer
    Januar 14, 2008

    Da bin ich ja mal gespannt! 😉

  4. #4 Ulrich Reinhardt
    Januar 16, 2008

    Wer mal einen anderen Blick auf die Eigenarten der Planeten werfen möchte, findet z.B. den Merkurgarten im Parkprojekt “Gärten der Götter” (Merkur wird/wurde ja auch als Gott der Waren und Kaufleute gesehen) werfen. Die 12 Gartnentwürfe (und Postkarten) stehen unter: https://www.planetenpark.de