Sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich.
Ich hab’s geahnt. Irgendjemand, der ein paar schlechte Sci-Fi-Filme zuviel gesehen hat, musste ja auf die Idee kommen, dass die wirklich sehr, sehr, sehr entfernte Möglichkeit, dass ein winziges Schwarzes Loch am Teilchenbeschleuniger CERN bei Genf entstehen könnte, zum Weltuntergang führen könnte. (Ja, das doppelte “könnte” ist schlechter Stil, aber Absicht. Ihr werdet gleich sehen warum.)
Ich hab eigentlich keine Zeit mich jetzt darum zu kümmern, weil ich übermorgen auf ein Meeting reise und dafür noch einiges vorzubereiten habe, daher nur ganz kurz dazu ein paar Stimmen aus der Blogosphäre und ein paar Ausführungen meinerseits mit wenig Quellenangaben (Ich hab derzeit nicht die Zeit für alles Quellen rauszusuchen.):
Zum einen Phil Plait von Bad Astronomy, der zum einen herausstreicht, dass das Experiment LHC bei weitem nach allem, was wir wissen, nicht die Energie zur Verfügung hat, um ein noch so winziges Schwarzes Loch zu erzeugen.
Zum anderen ist auch die Logik der Klagenden etwas seltsam. Also, wir machen uns Sorgen darüber, dass die Wissenschaftler etwas übersehen haben und das Schwarze Loch doch erzeugt wird und nicht völlig harmlos zerstrahlt, wie das Wissenschaftler für extrem kleine Schwarze Löcher vorhersagen. Eingedenk dessen, dass die unwahrscheinliche Möglichkeit einer Katastrophe mit absoluter Sicherheit nur dann eintreten kann, wenn zuvor das als sehr unwahrscheinlich erachtete Ereignis auftritt, dass überhaupt ein Schwarzes Loch erzeugt wird. (Boah, da verschlingen sich ja die Gehirnwindungen, so um die Ecke denken muss ich dabei.)
Die Angst vor einer extrem unwahrscheinlichen Möglichkeit, die nach dem Eintreten einer extrem unwahrscheinlichen Möglichkeit folgen müsste. Bzw. wir vertrauen den Wissenschaftlern ein kleines bisschen, insofern dass es Schwarze Löcher gibt und dass sie bei Kollisionen mit genügend Energie entstehen können, misstrauen ihnen aber dennoch im Großen und Ganzen. Äh, ja…
Ein weiterer Hinweis von mir an dieser Stelle:
Der Gipfel der Ironie des Ganzen ist zudem, dass das “Schwarze Loch” im wissenschaftlichen Erkenntnisprozess zuallerst als hypothetische Möglichkeit auftauchte und eine spezielle Lösung der allgemeinen Relativitätstheorie ist, die wiederum erst als hypothetisches Konstrukt durch Einstein in die Welt kam. Erst sehr viel später wurden sie tatsächlich nachgewiesen, ja sie haben sich sogar in der Zwischenzeit als notwendiger Bestandteil von Galaxien erwiesen. Weswegen Schwarze Löcher auch ein Hinweis für die Richtigkeit der allgemeinen Relativitätstheorie sind.
Auch das deutsche DissBlog hat dazu was zu sagen und streicht völlig richtig heraus, dass das CERN nichts anderes macht, als was in der Natur ein paar Kilometer über unseren Köpfen sowieso ständig passiert. Sogar mit weitaus höherer Energie. Da schlagen sehr hochenergetische Elementarteilchen (1) auf relativ stillstehende Luftmoleküle ein und erzeugen z.B. Antimaterie oder neue exotische, kurzlebige Materie und wenn das LHC ein Schwarzes Loch erzeugen könnte, dann könnten das Kosmische Strahlen ganz sicher und es würde ständig Schwarze Löcher regnen. Oh, mein Gott!…
Und? Steht die Erde noch? Nach allem, was wir wissen, tut sie das.
Außerdem sollte das wirklich winzige Schwarze Loch sich innerhalb kürzester Zeit überfressen und unter Hawking-Strahlung verdampfen und selbst wenn es erhalten bliebe und zum Erdzentrum stürzte, dann fräße es die Erde von innen heraus so langsam auf, dass in der Zwischenzeit die Sonne längst zum Roten Riese geworden ist, bevor wir was merken würden. Und dann haben wir längst andere Sorgen, denke ich.
Ich sage zudem zur “Gefahr” des schwarzen Loches: Denkt an die physikalischen Rahmenbedingungen.
Es gibt da ein sehr nettes und sehr universales Naturgesetz. Das nennt sich Energieerhaltung und bedeutet: Nichts gibt es umsonst.
Möchte man Energie haben, um die Erde oder zumindest das CERN zu zerstören, muss man die Energie erst mal reinstecken. So, und jetzt überlegt bitte mal, wo das CERN seinen Strom für die Experimente herkriegt…
Die Antwort: Vom freundlichen Stromwerk ihres Vertrauens, wo jeder Mensch aus der Umgebung seinen Strom herkriegt, was dachtet Ihr denn?
Am DESY werden mit den Stromwerken in Hamburg Laufzeiten verhandelt. Insbesondere um die Weihnachtszeit werden die großen Teilchenbeschleuniger nicht angeschmissen, damit nicht in Hamburg-Altona das Licht flackert oder gar ganz ausgeht. So war das zumindest zu meiner Diplomandenzeit vor acht Jahren und das wird sich nicht so schnell geändert haben.
So und meint Ihr ernsthaft, dass die Stromwerke aus der Genfer Umgebung diese Energie haben? Ich stelle mir gerade das verdutzte Gesicht am anderen Ende der Leitung vor, wenn jemand im Stromwerk anruft und fragt, ob die genug Energie haben, um die Erde zu zerstören. Zudem wird nur ein winziger Bruchteil der Energie bei jeder Kollision freigesetzt. Das CERN selbst spricht von der Energie, welche ein Dutzend fliegende Mücken in sich tragen. Tatsächlich erzeugt Ihr, wenn Ihr eine Mücke totschlagt mehr Energie bei dieser Kollision als bei einer Kollision beim LHC. Aber das LHC schafft es diese Energie, auf wirklich sehr, sehr, sehr kleinen Raum zu konzentrieren. Das ist der ganze Trick dabei und diese Fokussierung ist ein sehr schwieriges Kunststück, das den Löwenanteil der Energie frisst.
Im Übrigen ist es verdammt schwer, ein Schwarzes Loch überhaupt zu erzeugen. Selbst die Sonne kriegt das zum Ende ihres Lebens nicht gebacken und da passt die Erde von der Masse her ungefähr dreihunderttausend mal rein (2). Trotzdem sind in der Natur mindestens noch achtmal Sonnenmasse vonnöten, um die Prozesse in Gang zu setzen, die möglicherweise in der Entstehung eines Schwarzen Loches münden. Das sind allerdings echte Monster, vor denen man sich fürchten sollte. Aber die Energie solche Dinger zu erzeugen, ist in unserem ganzen Sonnensystem nicht vorhanden.
Sich vor einem Schwarzen Loch aus Genf zu fürchten, ist ungefähr so, als ob man angesichts der Wortes “katzenartiges Raubtier” vom Säbelzahntiger schwadroniert und im Höchstfall ein neugeborenes und nur für ein paar Stunden lebensfähiges Hauskätzchen präsentiert bekommt. Das tut niemandem was. Kann es gar nicht, obwohl es ein katzenartiges Raubtier ist.
Schaut einfach weniger schlechte Science-Fiction-Filme, sondern lest mehr Hawking oder gute Science Fiction.
In dem Sinne: Don’t Panic(in großen, freundlichen Lettern 😉
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(1) Ok, warum macht man das Ganze dann am Erdboden nach, wenn es doch oben kostenlos passiert. Zum einen: Die kostenlose Strahlung von oben wird teilweise tatsächlich in Teilchenbeschleunigern verwendet. Ich lasse jetzt mal als Schlagwort das Myon fallen, der schwere Zwilling des Elektrons, das es ab und an bis zur Erdoberfläche schafft.
Desweiteren ist das Experiment in der Erdatmosphäre oben sehr unkontrolliert. Die Forscher wollen schon wissen, was eigentlich da reingekommen ist, wie schnell es war, wieviel Energie es hatte und vor allem: Was da alles wieder rauskam.
Tatsächlich wurde auch schon mal die Möglichkeit eines fliegenden Teilchendetektors in der Umlaufbahn der Erde angedacht. Hmm, was ist eigentlich aus dem Projekt geworden? Dabei muss man bedenken, dass Teilchendetektoren für die Hochenergiephysik typischerweise einige Tonnen wiegen. Ich weiß nicht so genau, wie man das abspecken soll. Der Witz an sehr energiereichen Teilchen ist ja, dass man sehr viel und sehr schwere Masse braucht, um sie abzubremsen und “einzufangen”.
(2) Es gibt einen Grund, warum ich jetzt hier mit Massen rechne. Masse ist gleich verdammt viel Energie in gebundener Form. Das ist die Quintessenz von Einsteins berühmten E=mc2
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