Ich hab im letzten Beitrag etwas über die Detektion von Methan und Wasser bei extrasolaren Planeten geschrieben.
Methan (CH4) ist der einfachste Kohlenwasserstoff überhaupt…
Hey, ist das nicht das Zeug, was die Kühe auf der Weide…abgeben?
Seufz! Ja, Methan wird unter anderem bei vielen biologischen Prozessen erzeugt…
Ha! Biologie heißt Leben! Auf extrasolaren Planeten! Außerirdisches Leben! Und Wasser gibt es da auch noch! Perfekt!
Woraufhin allenthalben die “Es gibt da vielleicht außerirdisches Leben”-PR-Maschinerie anlief. Es ist wie ein Reflex: Man muss nur “extrasolare Planeten”, “Wasser”, “organisch” in die Pressemitteilung schreiben. Am besten fügen wir noch “zweite Erde” ein und wir haben die Planetologen-Version des Buzzword-Bingos. Egal, worum es in der Veröffentlichung wirklich geht, es wird irgendwie so zurechtgebogen, dass das Wort “außerirdisches Leben” darin vorkommt – und sei es, indem man beteuert, dass es dort kein Leben geben kann.
“Und nun also Methan. Dass es aus biologischen Quellen stammt, ist so gut wie ausgeschlossen. Für Leben ist es auf HD 189733b viel zu heiß:” Aus SPON vom 20.3. 2008.
Versteht mich nicht falsch, ich fände es toll, wenn wir Spuren außerirdischen Lebens finden würden und ich würde jedem die Entdeckung gönnen: “Olé, Olé, wir sind doch nicht allein im Universum”.
Aber könnten wir dabei mal auf dem Teppich bleiben und nicht jede verdammte Planeten-Meldung irgendwie damit in Zusammenhang bringen?
Mich – und nicht nur mich – nervt dieses andauernde “Außerirdisches Leben”-Geschrei inzwischen sowas von an.
Warum?
Weil wir dabei völlig aus den Augen verlieren, warum wir eigentlich auf diesem Gebiet forschen. Es geht dabei nur am Rande um “grünen Schleim” oder “*kicher*kicher* kleine grüne Männchen*kicher*kicher”.
Es geht vielmehr ganz salopp um die große Frage:
Was zum Geier ist da draußen eigentlich los? Und wie passen wir da rein?
Das sind Fragen, die schon unsere Vorfahren umtrieb, die Menschen auf die Meere raussegeln, in die Tiefen des Ozeans hinabsteigen und in dichte Regenwälder vordringen ließ. Es ist der menschliche Entdeckerdrang und eine tiefsitzende Neugier, die uns letztendlich und bis heute antreibt.
Nun strecken wir unsere Fühler mittels neuester und extrem empfindlicher Technik u.a. zu anderen Planetensystemen aus, die in den meisten Fällen für das bloße Auge völlig unsichtbar sind; deren Existenz wir förmlich aus den Sternen, die von diesen Planeten umgeben sind, herauskitzeln müssen. Wir selbst werden niemals einen Fuß auf diese Planeten setzen – weil die Entfernungen viel zu groß sind und weil es da allgemein recht unwirtlich ist. Aber auch wenn wir körperlich nie dort sein werden…im Geiste sind wir schon längst da und schauen uns um.
Unser Verstand, unsere Vorstellungskraft, unser seit Jahrhunderten angesammeltes Wissen – kurz die Wissenschaft – hat schon längst das wahr gemacht, wovon viele nur träumen: Wir reisen zu anderen Planeten und Sternen und untersuchen sie – hier und jetzt.
Die Frage, ob es da draußen Wesen gibt, die auch nur annähernd so aussehen wie wir oder auch ganz anders, ist dabei nur eine unter vielen. Sicherlich ist es eine wichtige und eine, welche die menschliche Phantasie besonders beflügelt – Raumschiff Enterprise lässt grüßen. Aber es ist eben nicht der Endpunkt aller Planetenforschung und der alles dominierende und erdrückende Faktor. Astrobiologie ist unserem Arbeitsbereich ein Seitenzweig und einer, der sich derzeit noch entwickeln muss. Nicht umsonst beklagen Biologen, dass sich auf diesem Gebiet immer noch vorwiegend Astronomen und Astrophysiker tummeln. Das ändert sich aber allmählich.
Und so ganz unter uns: Die Astrobiologen haben mangels echtem Studienmaterial ein kleines Glaubwürdigkeitsproblem. Man spekuliert doch im wahrsten Sinne des Wortes ziemlich in’s Vakuum hinein, denn überall dort, wo wir nach außerirdischem Leben gesucht haben, finden wir bislang: Nichts.
Noch in den 60ern war man da total optimistisch und fantasierte sich was vom Dschungel der Venus und den Moosen des Marses zusammen. Man muss nur mal in den alten Perry Rhodan-Heften stöbern. Es muss eine veritable kalte Dusche gewesen sein, als die ersten Raumsonden mit einem ganz anderen Bild zurückkamen.
Die Venus ist dank dichter Kohendioxid-Atmosphäre und vollständiger dichten Wolkendecke eine ewig finstere Gluthölle ohne einen Tropfen Wasser, in der selbst die zäheste Pflanze innerhalb kürzester eingehen würde und die Luft auf dem Mars ist 100mal dünner als auf der Erde, so dass jegliches flüssiges Wasser trotz der an sich recht kalten Temperaturen sofort verdampfen würde. Wasser findet man höchstens in gefrorener Form an den Polen oder eventuell in großer Tiefe. Leben auch hier: Bislang Fehlanzeige!
Ich sehe daher die Gefahr, dass wir irgendwann die Leute übersättigen. Insbesondere wenn wir nicht irgendwann mal Ergebnisse bringen. Wenn so oft “außerirdisches Leben” geschrieen wird und nichts kommt, dann reagiert irgendwann keiner mehr drauf oder es wird müde abgewunken. Und dann wird es sehr schwer werden, zu erklären, dass es noch andere Dinge gibt, die es wert sind, erforscht zu werden – auch wenn es mit außerirdischem Leben erst mal überhaupt gar nichts zu tun hat.
Ich will das mal anhand der Veröffentlichung vom 20.3.08 in der Nature wegen der entdeckten Methangase in HD 189733b noch mal verdeutlichen (1):
Zunächst einmal können wir nach über 10 Jahren Forschung sagen, dass dieser Planet ein Gasriese vom Schlage unseres Jupiters ist.
Damit haben wir schon eine wichtige Erkenntnis: Wie hier unten, auch da oben.
Unsere Gasplaneten sind nichts Besonderes, d.h. die Mechanismen für ihre Entstehung sind auch woanders wirksam gewesen. Gleichzeitig können wir durch das Studium extrasolarer Planeten viel über unsere Gasplaneten herausfinden und umgekehrt. Wir können die Modelle, die für Jupiter und co ausgearbeitet wurden, auf extrasolare Planeten anwenden und schauen, was wir herausbekommen, wenn wir an den Rahmenbedingungen drehen. Wenn wir den Planeten schwerer oder ihn leichter machen oder ihm einen sehr großen Felskern verpassen.
Weiterhin wichtig im Zusammenhang mit HD 189733b ist:
Viele der bisher entdeckten extrasolaren Gasriesen kreisen auf extrem nahen Umlaufbahnen und befänden sich in unserem Sonnensystem noch innerhalb der Kreisbahn des sonnennächsten Planeten Merkur.
Daraus folgt direkt die zweite wichtige Erkenntnis, die wir aus der bloßen Existenz von extrasolaren Gasriesen schließen können:
Obwohl sie überwiegend aus den leichtesten Elementen im Universum bestehen, aus Helium- und Wasserstoffgas, sind Gasriesen unheimlich zähe Burschen und überleben über Jahrmilliarde hinweg die Erosion von Strahlung, die in unserem Sonnensystem den Merkur und den Mars schon längst fast vollständig von jeglichem Gas befreit hat – und noch bis heute an der Rest-Atmosphäre dieser Planeten nagt.
Aber wie das bei jeder neuen Erkenntnis ist, das nächste Rätsel lauert an der nächsten Ecke. Denn wenn wir die anderen Planetensysteme mit unserem eigenen vergleichen, dann fällt auf, dass bei uns die Gasriesen alle in großer Entfernung kreisen – in mehr als 5 Astronomischen Einheiten. Wir finden aber da draußen laufend Gasriesen, die viel, viel näher an ihrem Zentralstern dran sind.
Wie kommen die da hin?
Ist es da eigentlich nicht viel zu heiß, so dass das ganze Helium- und Wasserstoffgas in Nullkommanix weggeblasen werden sollte, lange bevor sich überhaupt daraus Gasriesen bilden konnten?
Das ist eine gute Frage und es gibt derzeit zwei Antworten darauf.
- Die bisher favorisierte Antwort ist die Migrationstheorie: Demnach entstanden die Planeten viel weiter draußen und sind dann zum Stern hingewandert.
- Andere Forscher meinen, dass unsere Planeten-Entstehungsmodelle so nicht ganz richtig sind und dass die Planeten an Ort und Stelle entstanden sind, viel schneller als der Stern das Gas verwehen konnte.
Aber zurück zu HD 189733b. Unabhängig davon, wie er dahin gekommen ist. Er ist mit einer Umlaufdistanz von 0,0312 Astronomischen Einheiten zehnmal näher an seinem Zentralstern dran als der Merkur in unserem Sonnensystem. Also, wenn wir davon ausgehen, dass er nicht viel anders aussieht als Jupiter, dann stellt sich direkt folgende Frage:
Was passiert mit der äußeren Gashülle, wenn wir einen Jupiter-Planeten in Gedanken so nahe an diesen Stern heranschieben?
Genau das habe ich im letzten Beitrag genauer beschrieben.
Was das alles bringen soll?
Ein bisschen weniger Unwissenheit? Eine heller erleuchtete Ecke im großen Unbekannten da draußen? Vielleicht wartet irgendwo auf dem Weg dahin eine bahnbrechende Erkenntnis auf uns?
Wenn wir es wüssten, müssten wir nicht nachsehen, nicht wahr?
Wir sehen uns mit unseren Teleskopen in unserer kosmischen Nachbarschaft um und schauen halt mal, was uns so unterkommt.
Warum? Darum!
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(1) Nature, Vol 452, 2008, doi:10.1038/nature06823, The presence of methane in the atmosphere of an extrasolar planet, Mark R. Swain, Gautam Vasisht & Giovanna Tinetti
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