Die ScienceBlogger – darunter auch Florian – haben über den Girls Day berichtet, der jungen Mädchen “Männerberufe” schmackhaft machen soll.
Ich habe selber solche Veranstaltungen mitorganisiert und bin inzwischen ziemlich ernüchtert. Der Girls Day wurde von vielen “meiner” Mädels mehr oder weniger als Pflichtprogramm gesehen oder als willkommene Abwechslung vom Schulalltag. Echtes Interesse habe ich eher selten angetroffen.
In einem Beitrag dazu in der Lokalpresse las ich am Folgetag diese Aussage einer Jugendlichen, nachdem sie einen Tag am Fraunhofer Institut für wissenschaftliches Rechen verbracht hatte: Ja, sie würde Computer nutzen, zum Chatten und Emailen. Nein, sie könne sich nicht vorstellen, was mit Computer zu machen: “Das ist eher was für Jungs.”
WAAAAHHH!
Woher kommt das? Wieso reden sich Mädchen selber ein, dass Ihnen bestimmte Bereiche des Lebens nicht oder nur schwer zugänglich sind? Oder nehmen sich selbst die Lust daran? Können sie nicht, verstehen sie nicht…weil sie Mädchen sind (*Kopf->Tisch*. Bitte beliebig wiederholen!). Diese Einstellung kenne ich noch aus meiner Schulzeit und ich kann und werde es mein Lebtag nicht verstehen. (1)
Ich habe erwachsene Frauen erlebt, die angesichts von Computerproblemen auf “hilflose kleine Mädchen” machen, damit ihnen ein Mann hilft, der von Tuten und Blasen genausoviel Ahnung hat wie sie.
Wie, zum Teufel, kann das sein?
Ich bin sicher, dass die von mir oben beschriebenen Frauen, wenn man ihnen jede Hilfe verweigern würde, sehr wohl eine Lösung für ihr Computerproblem finden würden.
Aber es ist vermutlich eine sehr bequeme Einstellung. Man kann sich so wunderbar vor jeglicher Anstrengung in dem Bereich schützen. Wozu soll ich denn Physik lernen? Ich kann es doch sowieso nicht. Super! Arbeit gespart und man muss noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen wegen der 5 im Zeugnis haben.
In SWR3 habe ich zudem folgenden entlarvenden Kommentar einer Lehrerin gehört, die meinte: “Ich habe ursprünglich auch einen Männerberuf erlernt, habe aber dann doch studiert, weil die Arbeit so anstrengend und dreckig war. So kann ich meinen Schülern jetzt was über Männer- und Frauenberufe erzählen.”
WAAAAAHHH!
Diese Frau ist Lehrerin und hat ihren ursprünglich erlernten Männerberuf nur mit negativen Adjektiven belegt. Na, super! Da kann ich nur hoffen, dass sie ihren Schülern gegenüber das Ganze ausgewogener präsentiert.
Im Übrigen, als Tochter einer Krankenschwester kann ich sagen, dass dieser typische Frauenberuf ebenfalls verdammt anstrengend und dreckig ist. Patienten umbetten? Bettpfannen wechseln? Hallo?
In meiner Familie ist das mit den klassischen Geschlechterrollen zum Glück passé. Mein Bruder schließt dieses Jahr als einer der wenigen Männer seine Ausbildung als Krankenpfleger ab. Die Resonanz war seitens der Patienten durchweg positiv. Warum gibt es also nicht mehr männliche Krankenpfleger? Ach ja, genau…Mein Bruder wird ständig gefragt, warum er nicht Medizin studiert. Das Zeug dazu hätte er. Seine bewusste Entscheidung in die Krankenpflege zu gehen, stößt auf Unverständnis seitens der Lehrer. Es ist fast so, als ob er sich als Mann unter Wert verkaufen würde.
Der Girls Day mag sicherlich eine tolle Angelegenheit für die Mädels sein, die bereits vorher ein Interesse für technische Berufe entwickelt haben und sich jetzt nur noch entscheiden müssen, wo sie hingehen. (Ich bin übrigens völlig für eine Einführung eines Boys Days für typisch weibliche Berufe.)
Aber er kommt eigentlich viel zu spät, um Interesse für Technik zu wecken oder die bereits ziemlich festgefügten Schranken in den Köpfen niederzureissen.
Mich hat es beispielsweise in der 5. Klasse gepackt:
Latent war das Interesse sowieso immer da, weil ich grundsätzlich sehr wissbegierig bin.
Die Initialzündung verdanke ich allerdings meinem damaligen Biologielehrer. Der engagierte sich nämlich stark für “Jugend forscht” und hat in einer Stunde einfach mal rumgefragt, wer Lust hätte, bei einem Projekt mitzumachen.
Mein erstes Forschungsobjekt war, ich darf es voller Stolz verkünden, die verschiedenen Faktoren, welche das Wachsen und Sterben von Glücksklee begünstigen (2). Ich habe damals mein Protokoll in geduldiger Mitarbeit meines Biologielehrers auf einer Schreibmaschine getippt (3) und als ich dann mein Forschungsprojekt auf meiner ersten “Schüler experimentieren”-Veranstaltung vorstellte, da hatte es mich gepackt. Ich stand am selben Abend – ich erinnere mich ganz genau – stolz mit meiner Teilnahmeurkunde in der Hand vor meinen Eltern und verkündete mit dem ganzen Ernst, den eine Zehnjährige aufzubringen vermag: “Ich werde mal Wissenschaftlerin.”
Man muss sie kriegen, wenn sie jung sind. In meinem Fall hat es auch geklappt, oder 😉
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(1) Folgendes Gedächtnisprotokoll einer typischen Unterhaltung nach einer Physikstunde.
Mitschülerin: Du! Kannst Du mir nochmal das mit dem Strahlensatz erklären.
Ich spielte also den Erklärbären.
Mitschülerin: Ah ja. Hmm, wieso kannst Du das so gut? Du bist doch ein Mädchen?
Solche Fragen habe ich immer nur von Frauen und Mädchen zu hören gekriegt – nie von Männern.
ICH: Das Zeug macht mir Spaß. Wenn der Lehrer das erklärt, dann versteh ich das einfach.
Mitschülerin: Versteh ich nicht!
ICH: ???
Was sollte ich auch darauf antworten? Ich verstand nicht, warum meine Mitschülerin diese in meinen Augen völlig logischen und einfachen Dinge nur schwer begriff und sie verstand nicht, warum mir das Begreifen so leicht fiel.
(2) Was im Nachhinein ziemlich ironisch ist, weil es nur hartgesottene Pflanzen längere Zeit bei mir aushalten. Warum derzeit ausgerechnet mein Bonsai wie Unkraut wuchert, was er definitiv nicht tun soll, ist mir ein Rätsel…Insbesondere nachdem ich ihn fast rausgeworfen hätte, weil ich es geschafft habe, ihn in einen Zustand zu versetzen, in dem er nur noch ein einziges Blatt trug. Irgendwie hat er sich dennoch davon erholt und wuchert und wuchert…Aber vielleicht versucht er nur, von mir wegzukommen 😉
(3) Unter großzügiger Verwendung von Tipp-Ex und der Vernichtung einiger Bäume, die größtenteils bei mir im Papierkorb endeten. Für mich und die Bäume dieser Welt ist die Entf-Taste am Computer ein Segen.
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