Es ist die Zeit gekommen, darüber zu sprechen, was eigentlich passiert, wenn ein (mehr oder weniger) junger hoffnungsvoller Mensch die Doktorwürde erreicht.
Dieser Mensch hat Jahre seines Lebens damit zugebracht im Schweiße seines Angesichtes Wissen zu schaffen:
Er hat mehr als einmal den Tag verflucht, als er das erste Mal eine Hochschule betrat. Er kann nicht glauben, dass er immer noch knapp 1000 Euro verdient und in einer WG wohnt, während seine Freunde aus Schultagen, die eine Lehre gemacht haben, inzwischen bereits ihr drittes Kind erwarten und ein Haus bauen.
Er hat mehr als einmal in seinem Leben Nächte durchgearbeitet, damit diese Rechnung/Experiment/Simulation/Datenauswertung/Beobachtung unbedingt rechtzeitig fertig wird, damit die Ergebnisse bei der nächsten Konferenz/Veröffentlichung/Meeting/Symposium vorgestellt werden können. Das fiel natürlich dem Professor/Mitarbeiter/Kollegen von einer anderen Uni ganz kurzfristig ein und der junge Mensch mochte den nicht vor den Kopf stoßen, weil er noch was von demjenigen wollte oder in einem unbedachten Moment versprochen hatte, das Ergebnis zu liefern. Mein Tipp an jeden Doktoranden: Lerne “Nein” zu sagen!
Und wofür das alles?
Nachdem der junge Mensch noch einmal über seine Arbeit referiert und die Fragen der Prüfer zur allgemeinen Zufriedenheit beantwortet hat, wird gefeiert. Tatsächlich hat jede Universität und jedes Institut andere Traditionen, wie die Erlangung der Doktorwürde gebührend begangen wird.
Am Mittwoch hatte ich die Ehre und das Vergnügen an der Doktorfeier meiner Freundin am physikalischen Institut der Uni Bonn teilzuhaben.
Dort darf der junge Doktor, nachdem der Prüfungspart erfolgreich abgeschlossen wurde, zunächst den allgemeinen (leicht angeschlagenen) Institutsdoktorhut anziehen:
Dieser Doktorhut wird innen signiert,…
..um dann in einem Regal irgendwo in einem verschlossenen Zimmer zu verschwinden. (Niemand hat je behauptet, dass Traditionen Sinn machen müssen.)
Jetzt kommt in Bonn der Part, der wirklich Spaß macht und dafür brauchen wir die Institutsschepperdosen (Keksdosen mit Steinen drin).:
Im Innenhof steht auch schon der Doktorwagen bereit, den die Kollegen des jungen Doktoren in aller Heimlichkeit gebastelt haben. Je aufwändiger und persönlicher der Wagen gestaltet ist umso besser.
Das Thema dieses Wagens ist Bahnreisen. Meine Freundin ist während ihres Studiums/ihrer Arbeit einige Male kreuz und quer durch Europa und Deutschland gereist. Da sie außerdem eine binationale Ehe führt, ist sie deutlich öfter mit der Bahn unterwegs als andere Leute:
Nachdem der junge Doktor im Wagen Platz genommen hat, wird er von den Kollegen unter eifrigem Schwenken der Schepperdosen um den Block gezogen, damit auch ja jeder mitkriegt, dass hier ein frischgebackener Doktor seine Runden zieht. (Meine Postdoc wurde an der Uni Bremen von ihrem Doktorvater gezogen. Das ist dort Teil der Tradition. Der Doktorvater/-mutter ist übrigens derjenige, der die Arbeit des jungen Doktoren über die Jahre betreut hat.).
Also, liebe Autofahrer in Bonn. Wenn Euch in Poppelsdorf eine Horde von rasselnden Naturwissenschaftlern entgegen kommt, dann ärgert Euch nicht über das Verkehrshindernis sondern hupt einfach mal fröhlich! Der junge Doktor, der im Wagen sitzt, hat es verdient.
Jetzt versteht Ihr auch, warum dieser Wagen eine Schiebetür für den Kinderwagen hat.
Sohnemann war nach der Fahrt so müde, dass er sowohl den anschließenden Sektumtrunk als auch den Ansturm aufs Buffet glatt verschlief. Man hätte fast meinen können, nicht seine Mama sondern er hätte gerade seinen Doktor geschafft.
Glückwunsch an Frau Dr. Samson zur Erlangung ihrer Doktorwürde mit dem Thema:
“Beauty-Photoproduction using decays into muons at HERA.”
Letzte Kommentare