Es wird immer wieder fälschlicherweise behauptet, dass die Leute am CERN keine Konferenz zu den Sicherheitsfragen abgehalten hätten und dass seltsame, potenziell gefährliche Konsequenzen der Experimente nicht abgeschätzt wurden.
Hier ist ein Link zum “Review of Speculative Disaster Scenarios” at RHIC” von 1999.
Von wegen das Thema wurde nicht diskutiert! Diese Themen werden bei jedem modernen Teilchenbeschleuniger und wurden auch beim RHIC diskutiert, das schon längst wieder zu ist.
Schwarze Löcher?
Interessanterweise kam der Bericht zum Schluss, dass das RHIC im Vergleich zu anderen bereits in der Vergangenheit laufenden Teilchenbeschleunigern sogar weniger gut geeignet war, um Schwarze Löcher zu erzeugen. Es kommt nämlich dabei nicht nur auf die reine Energie an, die erzeugt wird, sondern wie dicht sie gepackt ist.
Teilchenbeschleuniger ist nicht gleich Teilchenbeschleuniger. Es gibt solche, die nur mit beschleunigten Elektronen arbeiten, solche die Elektronen auf Protonen schießen; es gibt solche, die mit schweren Elementen arbeiten. Es gibt Teilchenbeschleuniger, wo das beschleunigte Teilchen auf ein festes Ziel trifft, solche wo Teilchen gegeneinander geschleudert werden.(1)
Antimaterie?
Also wenn CERN keine Antimaterie herstellt, dann haben die echt ein Problem. Antimaterie ist im Teilchenbeschleunigergeschäft ein alter Hut. Ich kann Euch versichern, dass die Universitäten Bonn und Köln seit Jahrzehnten Antimaterie erzeugen und beide Städte noch unter uns weilen.(2)
Im Übrigen entsteht Antimaterie ständig in der Hochatmosphäre. Im Grunde findet dort ständig das statt, was wir auch am CERN versuchen nachzumachen. Hochenergetische Teilchen aus den Tiefen des Alls kollidieren mit einem Hindernis und setzen ihre gesamte Energie frei, wodurch seltsame Teilchen entstehen: Wie z.B. Myonen, die wir sogar hier auf dem Erdboden nachweisen können und Positronen, welche als allererste Antiteilchen 1923 nachgewiesen wurden.
Haben wir überlebt oder?
Tausende von unbeschleunigten Anti-Wasserstoffatomen wurden vor 6 Jahren am CERN in einer magnetischen Flasche eingefangen.
Wobei tausende Atome verdammt wenig sind. Wieviel Moleküle befinden sich in einem Liter Luft?. 0,27 mal ein Milliardstel mal ein Milliardstel mal ein Milliardstel.
Und nein, Antimaterie sendet kein blaues Leuchten aus und ist auch sonst von außen zunächst mal von normaler Materie nicht zu unterscheiden. Es sei denn, man bringt es mit normaler Materie zusammen: Dann vergeht Antimaterie mit exakt der gleichen Menge an Materie – nicht mehr und nicht weniger – zu Strahlung. Umgekehrt funktioniert das auch. Willst Du aus Energie Materie gewinnen, entsteht meist genau je ein Teilchen und ein Antiteilchen, die exakt genau gleich aussehen. Sie sind nur jeweils entgegengesetzt elektrisch geladen. Wasserstoff-Antiatome verhalten sich exakt so wie normale Wasserstoffatome. Sie sind genauso schwer, senden auf den gleichen Frequenzen Licht aus, wenn man sie zum Schwingen bringt…Nur ist der Kern im Antiwasserstoff negativ geladen und das Antielektron – das Positron – positiv geladen. Genau anders herum, als es normalerweise der Fall sein sollte. Es gibt sogar Teilchen, die gleichzeitig Teilchen und Antiteilchen sind, weil sie keine elektrische Ladung tragen. Photonen z.B. und neutrales Pion.
Aber hättet Ihr all das gewusst, wenn man Euch vor gefährlicher Antimaterie aus dem CERN gewarnt hätte? Dass Antimaterie schon längst in vielen deutschen Städten so auch Köln und Bonn und natürlich Berlin erzeugt wird, ohne dass Ihr davon groß was mitkriegt? Geschweige denn, dass davon die Welt untergeht?
Strangelets?
Ihr seht doch den Mond jeden Abend, oder?
Im Sicherheitsbericht wurde ausgerechnet, was genau passieren müsste, um ein Strangelet zu erzeugen und hat mal überschlagen, wie oft der Mond genau solchen Kollisionen ausgesetzt ist. Jepp, nicht nur die Hochatmosphäre, auch der arme Mond wird ständig getroffen. Seit Milliarden von Jahren. Existiert immer noch.
Es werden sogar noch mehr spekulative Szenarien besprochen.
Das Thema Sicherheitsgefahren bei Teilchenbeschleunigern und die Angst vor künstlich erzeugten Schwarzen Löchern ist alt. Das RHIC ist letztes Jahr übrigens geschlossen worden und hat mehrere Jahre lang erfolgreich gearbeitet. Ganz ohne Schwarze Löcher, Strangelets und Weltuntergang.
Das wird beim CERN nicht anders sein.
Klar, das CERN und andere Teilchenbeschleuniger werfen gerne mit Superlativen um sich: Mit “nie erreichter Energie” und “Beinahe-Lichtgeschwindigkeit”. Das verkauft sich nun mal besser, als irgendeine detaillierte fundierte Erklärung, wo die allermeisten sowieso abschalten. Es sind ja auch eindrucksvolle Maschinen und technische Großleistungen. Aber das, was wir hier auf der Erde veranstalten, ist im Vergleich zu dem, was da draußen im All in unserer unmittelbaren Umgebung abgeht, Nichts.
Im Übrigen geht die allermeiste Energie, die ins CERN reingesteckt wird, noch vor der eigentlichen Kollision verloren. Mit Teilchen in atomarer und subatomarer Größenordnung die Lichtgeschwindigkeit zu 90% zu erreichen, das ist gar nicht mal so das Problem. Aber von da an zu versuchen, auf 99% zu kommen, ist ungleich schwerer. Ab hier schlägt nämlich voll die Relativitätstheorie zu. Ein Teilchen in diesen Größenordnungen weiterzubeschleunigen; das “fühlt” sich so an, als ob etwas angetrieben wird, das mehr und mehr im Schlamm versinkt. Man kann tun und machen was man will: Das Teilchen wird kaum noch schneller und man muss immer mehr Energie reinpumpen.
Mit zunehmender Geschwindigkeit wird es zudem immer schwerer das Teilchen im Kreis zu lenken. Dafür sind nämlich diese riesigen fetten gekühlten Magneten um die Rohre auch da. Das Teilchen wird nämlich immer schwerer, je näher man der Lichtgeschwindigkeit kommt und zwar exakt so, wie es die Relativitätstheorie beschreibt. Die spezielle Relativitätstheorie ist also in jedem Teilchenbeschleuniger der Welt schlicht und ergreifend Alltag, weil hier ständig mit Materie am Rande der Lichtgeschwindigkeit gearbeitet wird. Nur für die Leute, die meinen, dass das “nur” eine Theorie sei.
Als ob das noch nicht genug wäre, so gibt das Teilchen auf seiner Kreisbahn gleichzeitig ein Teil der Energie, welche mühsam hineingepumpt wurde, als Bremsstrahlung wieder ab. Wenn das Teilchen geradeaus fliegen würde, hätten wir das Problem nicht. Aber ein 33 km langer Linerar-Teilchenbeschleuniger, wie es TESLA ursprünglich hätte werden sollen, muss man erst mal irgendwo hinkriegen.
Das CERN verbieten zu wollen, das heißt, die Suche nach Erkenntnis verbieten zu wollen. Nicht mit der Bibel in der Hand, aber mit fundamentalistischen Sicherheitsdenken, die absolute Gewissheiten einfordern, wie sie nur die Religion für sich beansprucht. Es heißt Unwissenheit und Ignoranz als militantes Mittel gegen die Schaffung weiteren Wissens einzusetzen.
Die Informationen sind alle da! Man darf schon verlangen, dass die Leute mal sich selbst informieren, wenn sie denn solche Angst vor Schwarzen Löchern haben.
Ein Beispiel für so eine Geisteshaltung ist auch die folgende Briefaktion, zu der auf einer Webseite im Internet aufgerufen wird: “Ich bitte Sie daher dringlich, den folgenden Fragen angemessene Bedeutung beizumessen, und mir so rasch als möglich, spätestens binnen einer Woche, zu antworten.”
Ja, ne ist klar. Was ist denn “angemessen”? Binnen einer Woche soll der Direktor des CERN auch noch antworten… Sonst noch etwas? Ein persönlicher Helikopter für die Stippvisite zum CERN vielleicht, damit der Herr selbst den Technikern auf die Finger schauen kann? Sich in ein Thema einzulesen und mal zu schauen, was es sonst noch für Informationen gibt, das ist wohl nicht mehr modern, oder?
Es ist ja nicht so, dass sich die Forscher in Geheimniskrämerei üben und ihre Ergebnisse geheim halten. Der RHIC-Report ist beispielsweise bis heute frei im Netz verfügbar. Außerdem haben die Experten bereits öffentlich für jeden einsehbar diese Fragen beantwortet: LHC and black holes? Answers from experts.
Im Übrigen könnt Ihr davon ausgehen, dass die Leute am CERN a) selbst am Leben hängen und b) auch Familie haben.
Nachtrag an alle Weltuntergangsfanatiker:
Hier ist der Link zum LHC-Cern-Sicherheitsbericht vom 28.2.2003: CERN-LHC-Sicherheutsbericht.
Lesen! Verstehen! Und erst dann das Maul aufreißen!
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(1) Ihr müsst Euch Letzteres wie folgt vorstellen. Aus zwei “Gewehren” wird gleichzeitig mit “Schrotkugeln” gegeneinander gefeuert und das macht man dann so oft, bis sich zufällig mal zwei Schrotkugeln treffen und zwar mittig. Streifende Kollisionen sind relativ uninteressant.
(2) COSY in Bonn.
Der TANDEM-Beschleuniger in Köln.
BESSY in Berlin.
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