Florian hat bereits berichtet: Phoenix hat Wassereis gefunden – und einen Teil davon sofort wieder verloren, weil es verdunstete. Ich finde, es ist Zeit für einen kleinen Ausflug in die Geschichte der Marserforschung.

Denn was passiert mit dem verdunsteten Wasser auf dem Mars? Gibt es dort Wolken? Flüssiges Wasser?

Auf der Suche nach einer Antwort zu diesen Fragen lade ich hiermit zu einem Staffellauf der Wissenschaft ein!

Sonde: Mars Express, Instrument: Omega, Jahr: 2004:

OMEGA ist eine Kamera, die im sichtbaren und Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums empfindlich ist. Je nachdem, aus was der Marsboden besteht, reflektiert er Licht in diesem Bereich ganz unterschiedlich. Damit können die Forscher erkennen, woraus der Boden besteht.

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Ansicht des Südpols in Falschfarben. Die blauen Bereiche zeigen Wassereis. Bild: ESA, Mars Express, Omega, März 2004.

Dieses Bild bestätigte wieder, dass es auch auf dem Marsboden H2O gibt. Zumindest in fester Form also als Eis. (1)

Hier ein weiteres Bild des Südpols von OMEGA. Die rosa eingefärbten Bereiche sind Kohlendioxideis, die grünlich-bläulichen Bereiche stellen Wassereis dar:

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Bild: ESA, Mars Express, Omega, März 2004.

Die Südpolkappe besteht vor allem aus Kohlendioxideis, aber dafür erstreckt sich das Wassereis weiter nach Norden. Ähnliches gilt auch für den Nordpol, in dessen Nähe Phoenix gelandet ist, weil die Forscher unter anderem aufgrund der Bilder von Mars Express wussten, dass dieser Bereich besonders vielversprechend für die Suche nach Wassereis sein würde. Südlich genug, damit es nicht durch Kohlendioxideis verdeckt wird und nördlich und damit kalt genug, damit es sich überhaupt für einen längere Zeitraum halten kann.

Und wie Phoenix gezeugt hat, lagen die Forscher damit goldrichtig.

Aber warum ist das Eis direkt verdunstet, ohne vorher flüssig zu werden? Gibt es überhaupt flüssiges Wasser auf dem Mars.

Sonde: Mariner 4, Instrument: Radiosignal, Jahr: 1964:

Wir schreiben das Jahr 1964. Die NASA befindet sich immer noch im Wettstreit mit der russischen Raumsfahrt und es sieht nicht gut aus. Während die Russen einen Erfolg nach dem anderen feiern – was u.a. auch daran liegt, dass sie ihre Fehlschläge geflissentlich verschweigen (2) – wird allgemein gewitzelt, dass JPL (Jet Propulsion Laboratory, die Raketenschmiede der NASA) für “Just Plenty Luck” also “einfach nur viel Glück” steht. Denn selbst wenn mal eine NASA-Sonde überhaupt das Ziel erreicht, geht soviel dabei kaputt, dass es als reine Glückssache erscheint, ob die Sonden wissenschaftlich verwertbare Ergebnisse liefern können.

Die NASA brauchte dringend Erfolge. Mariner 4 war ein solcher Erfolg, dem noch viele weitere folgen sollten. Denn es war die allererste Raumsonde, die mit Hilfe von Radiowellen die Lufthülle des Mars durchleuchtete und damit gleichzeitig die Hoffnung von Weltraumenthusiasten auf eine baldige Besiedlung des Planeten und die Existenz von komplexen Mars-Lebewesen begrub. Die Luft ist dafür viel zu dünn. Gerade 7 mbar werden auf der Oberfläche gemessen. Das ist mehr als 100 mal so dünn als die Erdatmosphäre, die Lufthülle besteht vorwiegend aus Kohlendioxid und zu allem Überfluss lagen die gemessenen Temperaturen weit unter 0 Grad Celsius.(3)

Weitere Messungen mit Radiosignalen an Bord der Mariner 6 und 7, die beide 1969 starteten, bestätigten die Ergebnisse von Mariner 4 und maßen am Äquator Temperaturen von etwa 290 Kelvin bzw. 17 Grad Celsius. Das war schon etwas freundlicher, änderte aber nichts daran, dass weder Sauerstoff noch Stickstoff nachgewiesen wurden, so dass die Hoffnungen auf Leben auf dem Mars, das dem der Erde ähnlich ist, endgültig begraben werden mussten.

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Phasendiagramm des Wassers, die rote Linie grenzt die Druck und Temperaturverhältnisse auf dem Mars ein: 6-7 mbar Bodendruck und eine Maximaltemperatur von 20 Grad Celsius. Die Temperatur- und Druckskalen sind logarithmisch (Bild:public domain).

Die Messungen ergaben, dass die Druck- und Temperaturbedingungen auf dem Mars so harsch sind, dass Wasser zwei Zuständen annehmen kann: fest oder gasförmig. Lediglich bei Temperaturen zwischen 0 und 10 Grad Celsius hält sich Wasser in flüssiger Form und diese Zustände sind auf dem Mars nur sporadisch anzutreffen. Diese Bedingungen lassen auch keine Regenwolken und damit auch keinen Wasserregen zu.

Aber es müssen Wolken aus Eis existieren. Darauf lassen die Temperatur- und Druckdaten schließen, die bei der Sondierung der Atmosphäre gewonnen wurden.

Sonde: Mars Pathfinder, Instrument: Kamera, Jahr: 1997:

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Eiswolken auf dem Mars, die Sonnenstrahlen reflektieren. Bild: Mars Pathfinder.NASA, 1997

Dieses Bild der Pathfinder-Mission zeigt, dass Wasser auf dem Mars trotz der dünnen Atmosphäre tatsächlich ab und an Eiswolken bildet. Auch wenn Wasser mit 0,3% hier ein Spurenelement ist. (4)

Schneit es auf dem Mars?

Wahrscheinlich eher nicht. Vieles – u.a. die fast durchgängigen Beobachtungen der Polkappen in den letzten Jahren durch verschiedene Raumsonden – deutet darauf hin, dass das Wasser aus der Atmosphäre an den Polen, die im Laufe der Jahreszeiten abwechselnd kleiner und größer werden, einfach Schicht für Schicht aus der Luft ausfriert. Bodenfrost statt Schneefall.

Wie man sieht: Wissenschaftliche Erkenntnisse haben kein Verfallsdatum. Ganz im Gegenteil, sie sind die Grundlage für weitere Unternehmungen, die neue Erkenntnisse schaffen, die wiederum die Grundlage für weitere Erkenntnisse bilden. In diese Kette reiht sich nun Phoenix ein und knüpft neue Glieder, die – davon bin ich überzeugt – Anschlusspunkte für neue Arbeiten zukünftiger Generationen sein werden. In 30 Jahren werden junge Doktoranden die wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Phoenix-Wissenschaftler studieren, sie überprüfen und ihre eigene Arbeiten darauf aufbauen. So wie heutige Veröffentlichungen den Mars betreffend auf den Erkenntnissen von Kliore und weiteren aus den 60er/70er Jahren aufbauen.

Das erscheint banal, aber viele Menschen bekommen nur Momentaufnahmen des wissenschaftlichen Betriebes zu sehen. Das ist an sich nicht schlimm, solange man nicht den Fehler macht zu glauben, dass die Momentaufnahmen alles sind, was die Wissenschaft zu bieten hat.
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(1) South Pole of Mars: Nature and composition of the icy terrains from Mars Express OMEGA observations, Planetary and Space Science, Duté et al., 2007
(2) Bis heute wird in der russischen Raumfahrt kein Countdown vorher eingeleitet. Die Russen haben erst nach erfolgreichem Start die Öffentlichkeit informiert. So konnten Fehler und Pannen einfach verschwiegen werden. Die Welt sollte nur die Erfolge sehen, aber nicht die teilweise katastrophalen Rückschläge, die auch die Russen erlitten.

Das Ziel einer Sonde wurde auch erst dann bekannt gegeben, wenn die Sonde die Erdumlaufbahn verließ. So wurde aus einer Venera-Sonde einfach eine Sputnik und so getan, als ob es sich um einen Erdsatelliten handelte, während in Wahrheit die Venus das Ziel gewesen war.
(3) Occultation Experiment: Results of the First Direct Measurement of Mars’s Atmosphere and Ionosphere, Kliore et al., Science, 1965
(4) Results from the Mars Pathfinder Camera, Smith et al., 1997