Angesichts der letzten Frage “Was war vor dem Universum?” merkte ich, dass sich hier die ideale Überleitung anbietet, um mal zu besprechen, was die Wissenschaftler am CERN tatsächlich treiben.
Denn die Forscher bemühen sich Antworten auf die Fragen zu finden:
Was ist mit dem Universum? Wo kommt es her? Wo will es hin?
Paradox, oder?
Am CERN wird das Allerkleinste untersucht und doch wird damit nichts weniger als das gesamte Universum untersucht. Denn die Forscher bauen sich letztendlich ein winziges Guckloch in eine Zeit als das Universum, ja, der gesamte Raum und die Zeit unglaublich komprimiert waren und schauen sich da ein wenig um. Und ja, sie wissen, was sie da tun. (Teilchenbeschleuniger-Sicherheitsbericht)
Dabei haben sich in den vergangenen Jahrzehnten direkt einige Fragen gestellt. Ist ja klar. Kaum wird eine Frage beantwortet, tut sich schon wieder die nächste auf.
Also, wir sehen im Teilchenbeschleuniger, dass unmittelbar nach dem Urknall der neugeborene Raum angefüllt war mit unheimlich viel Energie. Die Materie entstand erst nach und nach als das Ganze sich ausdehnte, auskühlte und die Materie aus der Energie sozusagen kondensierte.
Hier ergeben sich direkt zwei fundamentale Fragen danach, warum unser Universum gerade so aussieht und nicht anders.
Zur Zeit der Auskühlung müsste doch eigentlich maximale Homogenität vorgeherrscht haben. Also überall war gleich viel Energie und daher müsste überall gleichviel Materie entstanden sein. Jetzt blicken wir uns aber mal um und entdecken, dass wir in einem Universum leben, das alles andere als homogen ist. Hier gibt es z.B. überall Klumpen in Form von Planeten, Sternen, Milchstraßen, Galaxien und sehr viel Nichts dazwischen.
1. Frage: Wie kommen die Klumpen in die gleichförmige Energiesuppe kurz nach dem Beginn des Universums?
So, und an dieser Stelle kommen die Kollegen mit dem Satelliten WMAP ins Spiel, die sich damit ein anderes Guckloch zu den Anfängen des Universums gebaut haben.
Sie schauen sich die Mikrowellenhintergrundstrahlung des Universums an. Denn diese ist nichts anderes als das schwache Echo des Urknalls (1). Es ist ein Blick in die Vergangenheit und wenn die Forscher versuchen eine genaue Karte dieser Strahlung anzufertigen, dann versuchen sie damit auch herauszufinden wie und wann die Klumpen in die Suppe kamen, die dann die Keimzellen für Sterne wurden, aus denen dann Staub entstand aus denen dann weitere Sterne und Planeten entstanden, auf denen zumindest in einem Fall Leben entstand, das sich so komische Fragen stellen kann 😉
Das Universum, das Leben und der ganze Rest eben…
Und voilá: Da sind die Klumpen in der Suppe.
Bild: NASA, WMAP
Dieses Jahr soll außerdem der europäische Satellit Planck starten und die Messungen des NASA-Projektes WMAP verbessern.
Schön, jetzt hat also WMAP und davor COBE festgestellt, dass sich bereits einige hunderttausend Jahre nach dem Urknall Klümpchen in der Suppe ausbildeten. Das erklärt aber immer noch nicht, wo die herkommen.
Ich sag Euch was! Diese Frage wird derzeit noch untersucht. CERN, WMAP und Planck und auch das Fermilab in den USA, ebenfalls ein Teilchenbeschleuniger, werden helfen diese Fragen zu untersuchen. Jedes mit einem anderen Blickwinkel in die Frühzeit des Universums.
Kommen wir zur nächsten Frage.
Jetzt ist also alle Materie aus Energie kondensiert…
Nur dabei entsteht eigentlich immer jeweils ein Teil Materie und exakt genau soviel Antimaterie. Letzteres sieht exakt so aus, wie normale Materie, ist genau soschwer wie Materie, nur die elektrische Ladung ist exakt andersherum verteilt. Ein negativ geladenes Elektron hat ein positiv geladenes Positron als Gegenstück. Man kann sogar Antiwasserstoff draus bauen, wie es vor Jahren ein paar Forscher am CERN gemacht haben. Mit einem negativ geladenen Kern, bestehend aus einem Anti-Proton und einem Positron. Dummerweise hat aber Antimaterie die “Angewohnheit” sobald sie auf Materie trifft, wieder zu Energie zu vergehen.
2. Frage: Wenn aber jetzt beides, sowohl Materie wie auch Antimaterie, nach dem Urknall entstanden ist? Wo ist dann die ganze Antimaterie hin? Gibt es Anti-Planeten? Anti-Sonnen? Anti-Galaxien? Oder was?
Psst! Nur mal vorneweg: Die Antwort lautet höchstwahrscheinlich: Oder was! Klingt komisch? Ist es auch!
Zunächst: Wie erkennen wir Antimaterie überhaupt? Antimaterie sieht exakt genauso aus wie Materie und verhält sich auch so. Das Spektrum eine Antisonne sähe exakt genauso aus wie des Spektrum einer normalen Sonne. Sicherlich die elektrische Ladung wäre in den Atomen falsch herum verteilt, aber da man aus der Ferne keine Chancen hat zu messen, wie die Verteilung der Ladungen im Inneren ist, würde man erst dann merken, dass man es mit Antimaterie zu tun hat, wenn es zu spät ist. Wenn es *WUMM* macht. Materie und Antimaterie vernichten sich gegenseitig in einem Strahlungsausstoß. Dabei findet exakt der umgekehrte Vorgang wie bei der Entstehung statt. Gleiche Menge Antimaterie und gleiche Menge Materie vergehen wieder zu Energie.
Wenn z.B. der Mars aus Antimaterie bestünde, dann wäre die Sonde Phoenix bereits beim Eintritt in die Atmosphäre mit einem gleichen Teil der Atmosphäre zu reiner Energie zerstrahlt. Letztendlich ist das im All die einzige Möglichkeit herauszufinden, ob etwas aus Materie oder Antimaterie besteht: Man werfe Materie drauf und warte, was passiert. Bzw. messe den charakteristischen Energieausstoß, wie ihn so nur eine Materie-Antimaterie-Kollision hervorbringen kann.
Nun ist der Weltraum zwar ziemlich leer, aber dennoch kommt es ab und an zu Unfällen.
Kometen stürzen auf Planeten, Asteroiden regnen herab und bilden Krater, ja, ganze Galaxien kollidieren miteinander.
Bild: HST
Tja und was soll ich sagen. Es passiert zwar eine ganze Menge, aber es ist nicht das Feuerwerk zu sehen, dass man bei einer Kollision von Materie mit Antimaterie erwarten würde – und zwar nirgendwo im Universum. Unsere Planeten, unsere Sonne, unsere Milchstraße und der ganze Rest da draußen scheinen aus normaler Materie zu bestehen.
Jetzt gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder haben sich Materie und Antimaterie bereits in der Frühzeit und das extrem schnell jeweils in weit entfernte Ecken des Universums verzogen oder aber zu Anfang des Universums wurde ein Überschuss an Materie erzeugt und das, woraus heute die Sterne und Planeten bestehen, sind sozusagen die Reste, die nach der großen Schlacht zwischen Materie und Antimaterie übrig blieb.
Anscheinend ist Option b) die richtige.
Es gibt so etwas wie einen eingebauten Spiegel in der Struktur des Universums. Sobald Energie dicht gepackt ist, kommt der zum Vorschein und spiegelt Materie zur exakt der gleichen Menge Antimaterie. Na ja, fast. Tatsächlich ist dieser Spiegel in Wahrheit etwas verbogen, nicht viel, aber es könnte ausreichen, um der normalen Materie einen kleinen Vorteil gegenüber der Antimaterie zu verleihen. Es entstünde ein kleiner Überschuss an Materie. Was ich hier in blumige Wort gepackt hat, nennt sich in der Sprache der Physik: CP-Symmetrie bzw. die Verletzung derselben.
Es gibt experimentelle Hinweise darauf, dass z.B. die schwache Wechselwirkung, eine der vier Grundkräfte tatsächlich die CP-Symmetrie verletzt – also den Spiegel etwas verbiegt.
Die Forscher am CERN werden daher mit Sicherheit nach weiteren Nachweisen und Reaktionen suchen, bei denen der CP-Spiegel sich als verzerrt erweist. Dann könnte man nämlich berechnen, wie groß der Standortvorteil der normalen Materie war, wieviel Materie insgesamt nach der großen Schlacht übrig blieb und ob das mit der Menge an Materie übereinstimmt, welche die Astronomen heute im Universum messen. Wenn man wiederum wüsste, wieviel Masse im Universum tatsächlich vorhanden ist, dann kann man auch vorhersagen, wie das Universum eines Tages enden wird – oder ob es überhaupt enden wird.
Natürlich gäbe es zu dem Thema noch mehr zu erzählen. Viel, viel mehr und all das wird unter anderem am CERN behandelt: Im Grenzbereich zwischen Teilchenphysik und Astronomie. Aber ich glaub, das reicht erst mal für heute 😉
Behaltet einfach folgendes aus diesem kleinen Text: Das Allerkleinste (winzige Elementarteilchen) und das Allergrößte (die Planeten, die Sonne, die Galaxien) sind miteinander verbunden. Das Ende des Universums wird von seinem Anfang bestimmt. In dem einen spiegeln sich Eigenschaften des anderen wider. Es kommt nur auf den richtigen Blickwinkel an.
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(1) Übrigens, die Entdeckung der Hintergrundstrahlung im Mikrowellenbereich ist so eine Geschichte, die illustriert wie Wissenschaft funktioniert. Bei Arbeiten an einer Radioantenne hatten zwei Leute ein seltsames Problem: Komisch! Warum rauscht unsere Antenne auf dieser Frequenz so? Egal, wo wir sie hinrichten? Ist da Taubendreck auf der Antenne? Hmm, Taubendreck ist es nicht, an der Anlage liegt es auch nicht… Was ist das?
Bis irgendjemand mal auf die Idee kam: Es gibt da so eine komische Hypothese über den Anfang des Universums, die vor einigen Jahrzehnten von ein paar Wissenschaftlern publiziert wurde und die genau das vorhersagt, was Ihr jetzt gefunden habt: Uniformes Rauschen im Mikrowellenbereich aus allen Richtungen. Nennt sich Urknall-Theorie. Könnte was dran sein.
Bingo! Nobelpreis für Physik im Jahr 1978 für die beiden glücklichen Entdecker. Manchmal muss man einfach Schwein haben.
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