Die deutsche Mondmission LEO (Lunar Exploration Orbiter) ist wahrscheinlich gestorben, wie so viele ehrgeizige visionäre Projekte gestorben sind. Todesstoß durch Pfennigfuchser.
Schon die Medienberichte verhießen nichts Gutes. Wenn mal irgendeine Zeitung über die deutsche Mondmission berichtete, dann standen in den Berichten immer die Kosten im Vordergrund. Aber die Journalisten taten sich unheimlich schwer damit, irgendeinen Nutzen in dem Projekt zu sehen.
Bild: DLR, LEO und die geplante hochauflösende 3D-Kamera.
Wozu soll das gut sein?
Ach, nur für neues Wissen, als Aushängeschild deutscher Wissenschaft und Ingenieurskunst, als Vorbild für die nächste Generation eine technisch-wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen, weil so eine Mondmission cool ist, für die Ausbildung – hier und jetzt – von wirklich kreativen und innovativen Ingenieuren, Technikern und Naturwissenschaftlerin an einem neuen, einzigartigen, innovativen Projekt, die dann nach ihrem Abschluss in die freie Wirtschaft gehen und dort ihre in der Wissenschaft erworbenen Fähigkeiten einsetzen könnten, um wirklich neue Dinge zu entwickeln, um damit Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen.
Oder dachtet Ihr vielleicht, hoch ausgebildete, kreative, innovativ denkende Techniker, Ingenieure, Naturwissenschaftler fallen vom Himmel? Oder dass man Innovationsfähigkeit irgendwie verordnen oder einimpfen kann? So wie das die Chinesen zu denken scheinen. Aber zum Glück für uns ist es dann doch nicht so einfach.
Echte Innovationsfähigkeit gedeiht nur in Freiheit. In der Freiheit zu denken, zu lernen und zu forschen. Wenn wir allerdings alles nur mit Euro-Zeichen in den Augen betrachten und bewerten, dann schränken wir diese Freiheit genauso ein, wie sie eine Diktatur einschränkt – nur mit subtileren Mittel. Z.B. durch die Kürzung von finanziellen Mitteln.
Innovationsfähigkeit gedeiht außerdem nur mit ständigen Herausforderungen. Man muss den jungen Leuten schon etwas geben, woran sie sich die Zähne ausbeißen können. Nur so kriegt Ihr die technisch-wissenschaftliche Elite, die Deutschland auf lange Sicht einen Standortvorteil verschafft. Nur so verhindert Ihr, dass unsere besten Köpfe abwandern oder sich gar nicht erst richtig entfalten können.
Ich habe eine Kollegin, eine intelligente, wissbegierige Frau, die von ihren Eltern gesagt bekam, dass sie mit ihrer Intelligenz doch lieber eine Banklehre machen sollte. Weil das etwas “Ordentliches” sei. Zum Glück für uns hat sie nach einigen frustrierenden Jahren im “ordentlichen” Beruf es gewagt, etwas Unordentliches zu machen. Inzwischen promoviert sie über die Physik der Marsatmosphäre.
Wozu soll das gut sein?
Das ist eine kurzsichtige, wie ein hypnotisiertes Kaninchen auf den unmittelbaren egoistischen rein wirtschaftlichen Gewinn stierende Frage, mit der wir uns als Gesellschaft ganz langsam unser eigenes Grab schaufeln. Zumindest wenn wir keine andere Antwort zulassen als ein fertig entwickeltes Produkt innerhalb der nächsten 10 Jahre. Das muss es natürlich auch geben – keine Frage. Aber darauf sollte sich Forschung nicht beschränken.
Wer nichts wagt, der kann auch nichts gewinnen. Wer immer weniger in die Grundlagenforschung reinsteckt, der braucht sich auch nicht zu wundern, dass immer weniger “Nützliches” rauskommt. Wo Bildung gering geschätzt wird, weil deren Wert nicht in Euro und Cent gemessen werden kann oder nur dann was zählt, wenn es einen irgendwie beruflich weiterbringt…
Ja, dann braucht sich keiner zu wundern, wenn unsere Kinder ebenfalls keinen Bock auf Bildung haben. Was regt sich alle Welt eigentlich über unsere schlechten Schüler auf? Es sind schließlich unsere Kinder, über die wir da motzen, und wer ist es folgerichtig auch schuld, wenn sie Wissen für Gedöns halten? Wer ist es schuld, dass wir anscheinend anstreben ein Volk von “Superstars”, Fernsehmoderatoren und Bankangestellten zu sein statt eines der Dichter und Denker? Ich hab übrigens nichts gegen Bankangestellte, Sänger und Moderatoren, so ist das nicht. Aber weder können wir alle Bankangestellte werden, noch kann es sein, dass die Arbeit in einer Bank, beim Fernsehen oder “reich und berühmt sein” gesellschaftlich als das Nonplusultra angesehen wird. Hier läuft doch irgendetwas ganz gewaltig schief!
Dann braucht sich auch keiner zu beklagen, dass zuwenig junge Menschen in Forschung und Technik gehen. Denn wenn die Freiheit zu lernen und zu forschen gering geschätzt wird, dann geht sie leise und durch die Hintertür verloren. Ganz einfach dadurch, dass immer weniger junge Menschen von ihr Gebrauch machen.
Fragt Euch bitte ehrlich! Warum sollten die Kids von heute so einen komischen Lebensweg einschlagen? Wird es denn irgendwie gesellschaftlich anerkannt, wenn sich jemand technisch- wissenschaftlich betätigt? Wenn ich Bekannten früher erzählte, dass ich Physik studiere, wurde ich meist seltsam angeguckt und dann kam meist die Frage: “Wozu soll das gut sein?” Ihr merkt es schon! Die Frage verfolgt mich schon seit Jahren und ich habe sie leidenschaftlich hassen und fürchten gelernt.
In so einem Klima muss ein junger Mensch schon sehr, sehr überzeugt sein, um diese Richtung beizubehalten. Doch wie bekommt man junge Menschen dazu, diese Richtung überhaupt erst einzuschlagen?
Mit Mondmissionen wie LEO bekommt man sie dazu. Wie viele Jungs und Mädels wollten nach der ersten bemannten Mondlandung Techniker, Ingenieure, Naturwissenschaftler werden? Unzählige! Weltweit! Selbst mein Chef gibt zu, dass die Bilder von Neil Armstrong auf dem Mond damals die Initialzündung für seine wissenschaftliche Laufbahn waren. Dabei ist er noch nicht einmal Amerikaner. Wir brauchen solche Visionen und Träume, wir brauchen sie sogar ganz dringend, um die junge Generation für Technik und Wissenschaft dauerhaft zu begeistern. Und wenige Projekte eignen sich besser dafür, das berühmte Funkeln in die Augen der zukünftigen Generation zu zaubern, als Weltraummissionen.
Meint Ihr ernsthaft, dass man einen 10jährigen mit fetten Gehaltsschecks bei Siemens und Bosch begeistern kann? Insbesondere wenn woanders fettere Gehaltsschecks zu holen sind?
Man muss den Kindern zeigen, dass Wissenschaft und Forschung und Technik cool sind. Und sie sind cool. Und das sie sowas Cooles auch mal machen können, wenn sie groß sind und sich genügend anstrengen.
Doch was ist uns das wert?
350 Millionen Euro werden in den nächsten 4 Jahren für die Mondmission benötigt, Start hätte im Jahr 2012 sein sollen, dem mindestens zwei Jahre wissenschaftliche Arbeiten auf dem Mondorbiter gefolgt wären. 350 Millionen Euro…Das klingt zunächst nach viel Geld.
Aber ist es wirklich so viel?
Ich hatte es bereits einmal erwähnt: 1,1 Milliarden Euro kostet alleine der erste Baubabschnitt der Erweiterung der Kölner U-Bahn. Davon hätte man 3,2 Mondmissionen finanzieren können.
Einmal Ortsumgehung in Rüdesheim kostet über 200 Millionen Euro. Für den Preis von 1,7 Ortsumgehungen hätte man ein wissenschaftliches deutsches Großprojekt haben können, dass der Welt gezeigt hätte: “Seht her! Deutsche Ingenieurskunst kann mehr als schöne große Autos bauen.”
Wie Ali mal schrieb, “verpufften 42.7 Milliarden alleine im Jahr 2007 für Kartoffeln, Kohl und Butterberge in der EU unter dem Titel “Common Agricultural Policy”. Davon hätte man 100 deutsche Mondmissionen bauen, betreiben und die Wissenschaftler bezahlen können.
Das RheinEnergie-Stadion in Köln kostete 117 Millionen Euro. Einmal Mondmission kostet also ca. 3 Fußballstadien. Ist das wirklich zuviel für eine langfristige Investition in Forschung und Bildung?
Laut dem Kölner Stadtanzeiger liegt der Marktwert des Fußballers Lukas Podolski bei 20 Millionen Euro. Für 17,5 Poldis könnten wir dutzende Forscher und Techniker vier Jahre lang beschäftigen und nebenbei eine Mondsonde bauen.
Vielleicht sollten wir auch einfach mal die Post anhauen? Laut einer Entscheidung des Europäischen Gerichtes erster Instanz kann der Konzern mehr als eine Milliarde Euro von der Bundesregierung zurückverlangen. Dann streichen wir eben den Mondorbiter gelb an und versehen ihn mit dem Schriftzug “DHL” 😉
Hach, naja…
Immerhin sagen die Leute, die schon seit Jahrzehnten auf eine deutsche Mondmission hinarbeiten: “Wir sind unserem Ziel noch nie so nah gekommen.” Immerhin wird außerdem die Phase A – also die Ausarbeitung der Missionsdetails – nachträglich bezahlt. Denn bisher haben alle Beteiligten, auch unser Institut und die Firma Astrium, für lau gearbeitet. Ohne Garantie, dass die Vorarbeit für LEO in irgendeiner Form vergütet wird. Weil sie an das Projekt glaubten.
Leider glaubten nicht genügend und vor allem nicht genügend Politiker an das Projekt.
“Wozu soll das gut sein” tötete die deutsche Mondmission und damit die Träume und Visionen deutscher Forscher und Ingenieure. Weil Träume und Visionen heutzutage weniger wert sind als 3 Fußballstadien oder 1,7 Ortsumgehungen oder 0,32mal Erweiterung Kölner U-Bahn.
Bitter ist das. Sehr bitter.
P.S.: Interessanterweise klingt das, was Johann-Dietrich Wörner von der DLR der FTD Online sagt deutlich hoffnungsvoller als das, was uns gesagt wurde. Mal abwarten. Vielleicht zuckt LEO doch noch.
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