Darüber ließe sich eine endlose Serie verfassen. Was geht schief bei der Kommunikation zwischen Wissenschaftlern und Laien?
Coturnix von “A Blog around the clock” hat eines dieser Kommunikationsprobleme indentifiziert:
“When we try to explain something and the person we talk to does not believe us, despite of all our years of study, we get frustrated and try to persuade them the same way we try to persuade our scientific peers: by throwing more data at them. But they are not our scientific peers – the data do not hold such a large sway on them. You need to persuade them to believe you, not to understand the graphs.”
Deutsche Übersetzung:
“Wenn wir versuchen etwas zu erklären und der andere uns nicht glaubt, dann – trotz all der Jahre des Studiums – sind wir frustriert und versuchen denjenigen auf dieselbe Art und Weise zu überzeugen, wie wir auch unsere Wissenschaftskollegen überzeugen würden: Wir werfen den Leuten mehr Daten entgegen.
Aber wir sprechen nicht mit wissenschaftlichen Kollegen – Daten interessieren sie nicht wirklich. Man muss die Leute dazu bringen, einem zu glauben und nicht dazu die Graphiken zu verstehen.”
gelesen in “Sizzle”.
Jennifer Ouellette von Cocktail Party Physics bringt es sogar noch besser auf den Punkt:
“Like it or not, the public doesn’t actually make up its collective hive-mind based on careful factual analysis; they’re more inclined to favor a nebulous “truthiness.””
Deutsche Übersetzung:
“Ob es Euch gefällt oder nicht, das kollektive Bewusstsein der Öffentlichkeit entscheidet sich nicht aufgrund gründlicher Datenanalyse; die Öffentlichkeit favorisiert eher eine nebulöse Glaubwürdigkeit.”
Ok, ich weiß nicht, wie ich “truthiness” übersetzen soll, aber das Konzept ist klar:
Wissenschaftler tendieren dazu möglichst ausgefeilte detaillierte Erklärungen abgeben. Die Öffentlichkeit will aber viel lieber eine schöne Geschichte hören, die sich irgendwie gut und richtig anfühlt.
In diesem Spannungsbogen findet Wissenschaftskommunikation statt und es gilt die richtige Balance zwischen Unterhaltung und Unterricht zu finden. Dabei spielt uns Wissenschaftlern in die Hände, dass es gerade in Deutschland da draußen in vielen Köpfen immer noch dieses Idealbild gibt. Ihr wisst schon: Der ruhige, gesetzte, seriös wirkende Wissenschaftler, der nach jahrelangem Studium ein wenig über den Normalsterblichen schwebt und tiefsinnige Wahrheiten verbreitet. Selbst wenn man nicht alles versteht, was dieser Idealwissenschaftler sagt, trotzdem oder gerade deswegen (?) mag man ihn und glaubt, was er sagt. Albert Einstein und Stephen Hawking verkörpern im Bewusstsein der Öffentlichkeit diesen Idealtypus.
Deswegen sollte sich ein Wissenschaftler nie in der Öffentlichkeit – Blogs zähle ich durchaus dazu – aufregen oder ausfallend werden, selbst wenn es menschlich mehr als verständlich ist. Ich kann mir denken “xyz ist ein Idiot”, nur sagen darf ich es nicht.
Ok, eigentlich sollte es keiner sagen, aber ich als Wissenschaftler darf es noch viel weniger sagen, weil ich dadurch den Nimbus des Gelehrten zerstöre, der meinen Worten Glaubwürdigkeit verleiht. Nicht umsonst sind manche Laien richtiggehend entsetzt, wenn ein Professor sich derb ausdrückt. “Wie können Sie denn als Akademiker…” Als Wissenschaftler in der Öffentlichkeit bin ich zur Sachlichkeit verpflichtet, egal was mir entgegen geworfen wird. Ok, ich gebe zu, ich arbeite noch dran. Aber ich denke, ich werde durch jede Diskussion mit Helm-Leugnern, Weltuntergangsfanatikern und Homöopathen besser 😉 Letztendlich ist es gut, wenn diese Leute irgendwann anfangen, persönlich zu werden. Nichts entwertet den Standpunkt mehr.
Außerdem darf ich mir in der Öffentlichkeit so gut wie keine Falschaussagen erlauben, was dazu führt, dass ich lieber meine Aussagen doppelt und dreifach prüfe, bevor ich damit “rausgehe”. Unfehlbarkeit gehört auch zu diesem Nimbus. Aber natürlich werden immer Fehler passieren. In so einem Fall ist es sinnvoll, selbst den Fehler öffentlich zu machen, dazu zu stehen und Besserung zu geloben (und das nächste Mal noch genauer zu prüfen).
Sicher, es nervt manchmal, sich an diese Etikette halten zu müssen, weil es auch mit einer gewissen Selbstzensur verbunden ist. Ihr ahnt z.B. gar nicht, wie oft ich im realen Leben das böse, böse Sch…-Wort in den Mund nehme 😉 Das kann ich mir in einem Interview natürlich gar nicht leisten. Ansonsten bin ich von Natur aus sowieso freundlich und vorsichtig und muss mich gar nicht großartig verstellen. Ich werde ziemlich oft – selbst im Ausland – von wildfremden Menschen nach dem Weg gefragt, was ich jetzt mal so deute, dass ich wie jemand aussehe, der a) Bescheid weiß und b) einem nicht gleich den Kopf abreißt 😉
Zum Ausgleich sieht man uns wiederum Dinge nach, die bei anderen Menschen ein absolutes “No go” wären. Z.B. eine gewisse Nachlässigkeit bei der Kleidung oder eine große Schusseligkeit.
Ja, und davon mache ich gerne Gebrauch 😉
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