Im letzten Beitrag habe ich beschrieben, wie der Wissenschaftler an sich derzeit wahrgenommen wird, welche Spielregeln da erwartet werden und wie man diesen am besten entspricht.
Jetzt ist dieser Ist-Zustand, wie auch die Kommentare erkennen ließen, gerade für jüngere Wissenschaftler nicht wirklich befriedigend. Dieser Nimbus des Gelehrten hat nämlich seine Schattenseiten und die werden mehr und mehr zum Handicap in der Wissenschaftskommunikation.
So besteht insbesondere in den Medien die seltsame Neigung, Wissenschaftler als Wesen von einem anderen Stern darzustellen. Wie z.B. in der TV-Serie Eureka. Nach dem Motto: “Schaut mal, was das für sagenhaft kluge Leute sind. Die stehen meilenweit über den Normalsterblichen.”
Wobei…vielleicht entledigt man sich dadurch der anstrengende Aufgabe, zu versuchen zu verstehen, was diese Leute da eigentlich treiben – und man muss sich nicht mal schlecht dabei fühlen, denn schließlich fehlt einem das “Wissenschaftlergen” dafür. Kennt Ihr z.B. diese Legende, dass nur eine Handvoll von Menschen auf der Welt in der Lage ist, die Relativitätstheorie zu begreifen? Sie ist absoluter Schwachsinn. Alleine schon weil Tausende und Abertausende Wissenschaftler damit Tag für Tag arbeiten. Im Grunde kann eigentlich jeder die Relativitätstheorie zumindest in Grundzüge begreifen, wenn er sich reinkniet. Aber die Legende ist natürlich eine bequeme Ausrede.
Ich habe manchmal den Eindruck die Leute denken, dass Wissenschaftler aus dem Mutterleib flutschen und das allererste, was sie der verdutzten Hebamme entgegen schleudern ist: E=mc2.
Wissenschaftler ist zunächst einmal ein Beruf, der sich erlernen lässt und der oft Schweiß und Blut und Tränen fordert – und ich meine das nicht nur im übertragenen Sinne. Man sehe sich nur mal an, was Vulkanforscher teilweise veranstalten, um den Objekten ihrer Begierde nahe zu sein. Das ist nichts für Weicheier.
Und es ist ein Beruf, der von Menschen ausgeübt wird. Menschen mit Fehler und Schwächen und ganz normalen Hobbys: Der johlende Schalke-Fan neben Euch könnte ein *ach Du meine Güte!* Physiker sein, mit dem Ihr vortrefflich bei einem Bier über den FC Bayern herziehen könnt. Die Frau im Kinosessel neben Euch, die an ihrem Eistee schlürft und Popcorn knabbert, könnte eine Planetenforscherin sein. Dennoch könntet Ihr mit ihr wunderbar neben Planeten auch über Kinofilme oder Fernsehserien fachsimpeln. Die Frau, die in einem Spieleforum verzweifelt nach Lösungshinweisen für das neuste Computeradventure sucht, könnte eine forschende Biologin sein.
Wir Wissenschaftler sind zunächst Menschen und keine Fleisch gewordenen Klischees.
Als solche haben wir auch ein Recht, uns menschlich zu verhalten und wenn ich mal das Bedürfnis verspüre, wie ein Bierkutscher zu fluchen, dann will ich das auch tun dürfen, verdammt noch mal 😉
Ich finde, es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel: Wir sollten weg von dem Bild der Wissenschaftler als seltsame Wesen und der Wissenschaft als knochentrockene und emotionslose rein technische Geschichte. Wir sollten daran arbeiten, der Forschung ein menschliches Antlitz zu geben. Nicht zuletzt damit junge Menschen denken: “Cool, das will ich auch mal machen, wenn ich groß bin und ich schaffe das auch, wenn ich viel lerne und mich reinknie.” Gerade Blogs eignen sich da ganz wunderbar als Medium, weil man hier auch mal Sachen reinschreiben kann, die nicht PR-technisch glattpoliert sind und die den Menschen dahinter erkennen lassen.
Ja, und vielleicht ist es auch an der Zeit mal die Samthandschuhe auszuziehen und Idioten, Idioten zu nennen, statt sich in Wohlfühlgeschwurbel zu ergehen, der niemandem wehtut, aber auch niemandem wirklich hilft. Manche Leute mögen das “wissenschaftlich und sachlich” nennen. Ich nenne es feige und belanglos.
Klare Aussagen und klare Positionen, das will ich sehen. Selbst auf die Gefahr hin grandios damit auf die Fresse zu fliegen. Besser aufstehen und scheitern, als sang- und klanglos in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, weil man sich nicht traut, auch mal das Maul aufzumachen.
Und ja ich bin da ziemlich opportunistisch. Je nach Medium und Diskussion bleibt mir nichts anderes übrig, als mich des Nimbus des Forscher zu bedienen. Gleichzeitig arbeite ich hier daran, genau diesen Nimbus zu zerstören und ihn durch etwas Besseres zu ersetzen. Durch das Bild von Menschen, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, bestimmte Aspekte der Natur so genau wie möglich zu begreifen und die sich nicht zu schade sind, mit dem “gewöhnlichen Fußvolk” ein Bier trinken zu gehen.
Wobei…Darf es bei mir auch ein Glas Wein sein? Ich mag nämlich kein Bier. Außer Ouid Bruin, aber das krieg ich nur in Holland und Belgien.
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(1) Wobei ich die Serie eigentlich sehr gerne mag und ganz witzig finde. Außerdem erscheinen die Wissenschaftler hier im Großen und Ganzen sehr menschlich. Dennoch wird zunächst der Eindruck einer “höheren Spezies” vermittelt.
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