Ich verstehe wirklich nicht, warum alle Welt gerade so tut, als ob das jetzt so total überraschend wäre, dass die deutschen Schwimmer den Anschluss an die Weltelite verpasst haben. Das haben wir schon vor Jahren und wurde bereits bei den letzten Spielen in Sidney deutlich.
Seitdem ist es nicht wirklich besser geworden, obschon ich sehr überrascht bin, dass die deutschen Schwimmer gerade genau in die entgegengesetzte Richtung gehen wie alle anderen. Sie bleiben ein bis zwei Sekunden hinter ihren eigenen Bestzeiten. Das kann ich mir wirklich nur noch durch eine psychologische Blockade erklären. Wenn schon eine Britta Steffen, die nun als einzige noch halbwegs mithalten kann, sagt, dass sie sich gerade wie eine Amateurin vorkommt, dann kann ich mir ungefähr vorstellen, dass den Sportlern der Arsch auf Grundeis geht.
Es sind ja nicht nur die USA. Ich hab in den vergangenen Tagen auch niederländische, italienische, französische, japanische, australische und chinesische Athleten gesehen, die sich gegenseitig die Weltrekorde schon fast im Minutentakt abjagen. Die Deutschen haben das nachsehen und es war im Grunde schon seit Jahren abzusehen.
Wenn schon der DSV-Sportdirektor Örjan Madsen über den Einsatz veralteter Trainingsmethoden im Kader klagt, wo jeder Schwimmer sein eigenes Trainingssüppchen kocht! Laut der ARD erklärte dieser am Dienstag, dass sein Konzept mit der Konzentration auf Höhentrainingslager und harten Wettkämpfen von den Heimtrainern nicht konsequent befolgt worden ist.(Quelle: peking.ard.de) Die Zeiten sind einfach vorbei, als man es sich erlauben konnte, schon mal vor großen Spielen wie Olympia andere Wettkämpfe sausen zu lassen, um sich zu schonen. Das funktioniert nicht mehr.
Überhaupt, meinem Mann, meinem persönlichen Schwimmexperten mit 25 Jahren Erfahrung als Schiedsrichter und Trainer im Schwimmsport, ist außerdem aufgefallen, dass die deutschen Sportler neben den Muskelpaketen geradezu schmächtig aussehen. Ich habe es bereits in einem früheren Eintrag anklingen lassen, wir erleben gerade eine Paradigmenwechsel im Schwimmen. Während noch vor einigen Jahren eher geglitten wurde und dementsprechend eine eher geschmeidige Bewegung durch’s Wasser erwünscht war, gehen jetzt vermehrt wahre Muskelpakete an den Start, weil die neuen Techniken sehr kraftintensiv sind, aber anscheinend auch sehr viel bringen. Kraft- und Muskelaufbau spielt eine weitaus größere Rolle im Schwimmsport als früher. Der DSV hat diese Entwicklung ganz offensichtlich verschlafen.
Dieses Mehr an Muskeln hilft nicht nur dabei die neuen kräftezehrenden Schwimmstile durchzuhalten, es ändert auch die Taktik. Ich hab erfahrene Schwimmer davon reden hören, dass früher bei den 200-Meter-Strecken auf den ersten drei Bahnen 90% gegeben und erst auf der letzten Bahn angezogen wurde. Mit dieser Strategie würde man jetzt aber keinen Blumentopf gewinnen. Heute muss man von Anfang an 100% geben und das auch durchhalten.
Ein weiteres kleines, aber wichtiges Detail: Die deutschen Schwimmer springen nicht so weit vom Startblock wie die anderen, was natürlich auch mit den Muskeln zusammenhängt. Dabei haben diejenigen, die am weitesten springen können, einen deutlichen Startvorteil. Luft bremst nicht so stark wie Wasser und Michael Phelps springt noch mal eine handbreit weiter als der Rest, wenn ich das richtig gesehen habe.
Ja, der Sport ist ganz eindeutig um einiges härter geworden, was logischerweise die Frage aufwirft, wie die Schwimmer das durchhalten können. Ganz ehrlich – bei aller Sympathie für die Sportler – das wird mir langsam doch unheimlich. Wobei es noch nicht einmal verbotenes Doping sein muss, das hier ins Spiel kommt. Jeder Leistungssportler weiß, dass man sich auch mit erlaubten Substanzen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann: Insulin, Koffein, diverse Asthma- und Grippemittel, Ritalin… Man muss nur einen Arzt finden, der es verschreibt. Höhentraining ist strenggenommen übrigens auch körpereigenes Doping.
Neben den Versäumnissen im Trainings- und schwimmtechnischen Bereich kommt hinzu, dass die Sportförderung hierzulande gerade im Bereich Schwimmen kaum mit der in den USA zu vergleichen ist. (Ich hatte es bereits mal im Juli anklingen lassen.) Wir haben junge, talentierte Schwimmer im Kreis, die Angebote für Sportstipendien für Unis in den USA in der Tasche haben.
Und wenn ein US-Fernsehsender 894 Millionen Dollar für die Übertragungsrechte des olympischen Schwimmsportes springen lässt und der Sponsor Speedo Michael Phelps eine Million Dollar nur dafür überweisen wird, wenn der in Peking acht Goldmedaillen holt, dann lässt sich erahnen, wie viel Geld im Hintergrund fließen wird. Das wird natürlich auch eingesetzt, um das neuste und beste an Biomechanik, Medizin und Training rauszuholen. Oder kurz: Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.
Bei uns in Deutschland krankt es dagegen schon an der Basis. Zum Schwimmen braucht man nun mal ein wettkampftaugliches Becken. Es werden aber selbst in großen Städten wie Köln und Berlin reihenweise Bäder abgerissen und stattdessen so genannte Spassbäder gebaut. Das bringt mehr Geld und die Schwimmer, aber auch die Rettungsschwimmer, die Triathleten und die Wasserballer knubbeln sich und konkurrieren um Trainingszeiten. Ich kenne einen Schwimmwart in Sankt-Augustin, der mehr oder weniger mit Spucke und Gaffertape die Wasseraufbereitungsanlage flickt, seitdem die Stadt keine Zuschüsse für den Unterhalt des Bades mehr gibt. Und das ist das Bad des Schulzentrums. Wenn das eines Tages geschlossen werden muss, dann wird es schon wieder schwierig für die betroffenen Schulen Schwimmunterricht überhaupt anzubieten (Ausweichbäder buchen, Bustransport etc.).
Wenn der DSV dann auch noch den Breitensport nicht nur vernachlässigt, sondern mit einigen Maßnahmen sogar aktiv behindert, dann ist das erst recht nicht hilfreich. Wo soll denn der Nachwuchs herkommen?
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(1) Hmm, irgendwie kommen mir die Klagen über marode Wirkungsstätten bekannt vor…Ach ja hier: Der Zustand vieler Universitäten ist auch nicht gerade rosig.
Irgendetwas mache ich falsch, wenn ich mich auch in der Freizeit in auseinander fallenden Gebäuden aufhalte :-/
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