Ich beschäftige mich beruflich mit Planeten. Aber was ist eigentlich ein Planet? Wie sind sie entstanden? Es wird Zeit, einmal die Schöpfungsgeschichte vom wissenschaftlichen Standpunkt aus zu erzählen. Mit Bildern 😉
Also bitte anschnallen! Wir reisen in die Vergangenheit. 4,5 Milliarden Jahre vor unserer Zeit. Als die Sonne und anschließend die Planeten geboren wurden.
Am Anfang war die Dunkelheit und die Dynamik.
Die Geburt unserer Sonne fand im Verborgenen hinter dichten Gasschleiern aus Wasserstoff und Helium statt, die nur im Infrarot- und Radiobereich “durchscheinend” werden. Diese Gase sind zum Glück nicht gleich verteilt, sondern haben ihre eigene Dynamik, auf die ich jetzt nicht weiter eingehen will. Ich will schließlich heute noch zu den Planeten 😉 Jedenfalls irgendwann entstand in dieser Wolke ein Bereich, der mehr Gas enthielt als die Umgebung und daher über die Gravitation noch mehr Gas aus den umliegenden Gebieten abzog, wodurch sich die Schwerkraftwirkung verstärkte und noch mehr Gas hineingezogen wurde usw. usf. Auf diese Art und Weise raffte der Protostern alles in seiner Reichweite zusammen, bis es dann irgendwann passierte.
Und es ward Licht.
Es befand sich soviel Materie auf einem Haufen, die sich gegenseitig anzog, dass der Druck und die Temperatur im Inneren ausreichte, um sogar Atome zusammenzupressen. Es entstand ganz spontan das, wofür wir hier auf der Erde einiges geben würden, wenn wir es nur hinbekämen:Es setzte die Kernfusion von Wasserstoff ein. Ein Stern wurde geboren.
Woher wir das wissen? Sterne werden bis zum heutigen Tag geboren und wir können zugucken. Auch wenn es gar nicht so einfach ist, überhaupt etwas zu sehen:
Sternenwiege im Adlernebel. In diesen dunklen Säulen aus dichtem Gas werden neue Sterne geboren. Das Gas der Säulen ist Erosion durch UV-Strahlung von heißen umliegenden Sternen unterworfen und wird verweht. Nur dichte kugelförmige Regionen bleiben übrig und schließlich kommt nach und nach mit weiterer Erosion der junge Stern im Inneren zum Vorschein, der sich dann von der Spitze der Säulen zu lösen scheint. (Detaillierte Erklärung, englisch)(Bild: Hubble Space Telescope, NASA, ESA, STScI, J. Hester and P. Scowen (Arizona State University))
Für die Planetologen fängt der Spaß erst jetzt so richtig an. Als der Stern kollabierte, passierte gleichzeitig etwas Eigenartiges.
Und es begab sich, dass ein Wirbel entstand, der alles in der Umgebung erfasste.
Das Gas stürzte nicht nur einfach auf einen Haufen zusammen. Das Ganze drehte sich außerdem noch und die Rotation in Zusammenwirkung mit der Gravitationswirkung des jungen Sterns führte dazu, dass weiteres Gas aus der unmittelbaren Umgebung sich in einer rotierenden Scheibe konzentrierte und das auch blieb: Es entstand die protoplanetare Scheibe. Die Wiege aller Planeten, Asteroiden und Kometen. Diese Vorgänge vor Milliarden von Jahren sind der Grund dafür, warum sich alle Planeten mehr oder weniger in ein und derselben Ebene bewegen.
Und das geschieht bis heute mit jungen Sternensystemen:
Bild einer protoplanetaren Scheibe, gesehen von der Seite vor dem Hintergrund des Orionnebels. (Mark McCaughrean (Max-Planck-Institut für Astronomie), C. Robert O’Dell (Rice University), und NASA).
Jetzt kam eine ganz besondere Zutat zum Tragen, welche die Entstehung von Planeten überhaupt erst möglich machte:
Dieser Wirbel enthielt Sternenstaub.
Als das Universum geboren wurde, entstand zunächst nur Wasserstoff, Helium und etwas Lithium. Die schweren Elemente, aus denen sich unsere Erde bildete und aus denen auch wir bestehen, entstanden erst durch Kernfusion im Inneren schwerer Sterne. Als diese dann zum Ende ihres Lebens zu einer Supernova wurden, wurden außer Gas auch noch die ausgebrüteten schweren Elemente herausgeschleudert. Eine typische protoplanetare Scheibe enthält etwa 0,6-1% Staub. Das ist nicht viel, aber es konzentriert sich in einer Ebene und es hat eine ganz besondere Eigenschaft.
Siehe! Der Staub begann zu klumpen.
Vielleicht kennt der eine oder andere das sogar aus eigener Anschauung aus seinem Haushalt? (*Hust, hust*) Silizium- oder Kohlenstoffstaub ist in der Lage, alleine aufgrund der elektrochemischen Eigenschaften der Moleküle aneinander zu haften, wenn sich welche zufällig treffen und der Geschwindigkeitsunterschied nicht zu groß ist. Da sich alles schön im Kreise drehte, war die letztere Bedingung auch oftmals erfüllt.
Es entstanden so nach und nach recht locker zusammenhängende Staubgebilde von einigen Kilometern Durchmesser. Es erscheint seltsam, das aus etwas so Winzigem wie Staubkörnchen etwas so Großes entstehen kann. Aber das ist nur so, weil wir eine weitere entscheidende Zutat des Ganzen übersehen haben:
Und die Zeit verging. Jahre über Jahre über Abertausende Jahre.
Die geschilderten Abläufe spielten sich in Zeiträumen von Tausenden bis Millionen von Jahren ab. Da können schon mal kleine Staubmäuse zu größeren Haufen anwachsen. Zumindest solange niemand Staub kehrt 😉
Nach einiger Zeit (siehe oben) war fast der komplette Staub in Kilometer großen Haufen konzentriert, die zu groß waren, als dass diese alleine durch elektrochemische Prozesse aneinander haften bleiben konnten. Aber nicht verzagen! Denn jetzt sorgte ein weiterer Mechanismus für weiteres Wachstum.
Es setzte ein großes Gedränge ein. Und die Großen fraßen die Kleinen.
Es gab nunmehr so viele Staubhaufen, dass diese miteinander kollidierten und aufgrund der locker-fluffigen Zusammensetzung in vielen Fällen nicht auseinander fielen. Wie das zum Beispiel die NASA-Mission Deep-Impact an Kometen Tempel 1 demonstrierte. Der Komet hat zwar etwas Masse verloren, aber im großen und ganzen blieb er erhalten. Wir gehen davon aus, dass die größeren Staubbrocken in der Frühphase die kleineren bei einer Kollision einfach schluckten.
Der Komet Tempel 1 nach dem Einschlag von Deep Impact. Der weiße Pfeil ganz unten zeigt auf die Einschlagsstelle. Der Balken rechts unten im Bild stellt einen Kilometer dar. Wie man sieht, zeigt sich der Komet durch den NASA-Beschuss ziemlich unbeeindruckt. Aber die glatten Stellen (a, b) sind wahrscheinlich Spuren früherer Kollisionen, als sich der Komet kleinere Artgenossen einverleibte. Bild: NASA/UM M. F. A’Hearn et al., Science 310, 258 (2005); published online 8 September 2005 (10.1126/science.1118923).
Je mehr Masse diese Brocken schluckten, desto wichtiger wurde eine Komponente, die wir bislang vernachlässigt haben.
Als die Großen immer dicker wurden, begannen sie die kleineren in ihren Bann zu schlagen.
Die Brocken entwickelten eine merkliche Eigengravitation. Dadurch waren sie nicht mehr auf zufällige Kollisionen angewiesen, sondern veränderten die Bahnen kleinerer Objekte zu ihren Gunsten. Diese wurden entweder herauskatapultiert oder fielen einem Planetoiden zum Opfer. Die Brocken wuchsen also weiter und weiter und weiter bis irgendwann die Masse so groß wurde, dass etwas einsetzte, das wir hydrostatisches Gleichgewicht nennen.
Die Großen waren so fett geworden, dass sie sich verwandelten. Sie wurden kugelrund und das Schwere verschwand im Inneren.
Die Gravitation wurde ab etwa einer Erdmondmasse im Inneren dieser Körper so groß, dass die mechanischen und elektrochemischen Bindungen zusammenbrachen. Vorher hatte es sich eher um einen sehr unregelmäßig geformten Haufen aus größeren und kleineren Geröllbrocken gehandelt. Jetzt begann sich das Ganze zu komprimieren und der Körper begann eine Kugel zu formen. Gleichzeitig sanken die schweren Metalle ins Zentrum der Körper und die leichteren Elemente lagerten sich eher oben ab.
Diese Prozesse (hydrostatisches Gleichgewicht und Differentiation) erklären, warum Planeten rund sind und warum alle Planeten einen sehr schweren Kern haben, während die leichteren Elemente oben auf schwimmen. Es entstanden Protoplaneten.
Und es setzte erneut ein großes Gedränge ein.
Diese wiederum kollidierten und verschmolzen miteinander. Die Narben dieser letzten Entwicklungsphasen tragen die inneren terrestrischen Planeten bis heute. Der Mond entstand z.B. aufgrund der Kollision der Proto-Erde mit einem marsgroßen Körper. Das Borealis-Bassin auf dem Mars könnte eine Narbe einer streifenden Kollision sein. Möglicherweise hat eine Kollision mit einem weiteren Protoplaneten den Merkur seiner leichten Elemente beraubt und erklärt, warum dieser Planet zu 75% aus Eisen besteht.
Jetzt haben wir aber in diesem Bild etwas vernachlässigt. Wir haben sogar ziemlich viel vernachlässigt. Nämlich die großen Gasriesen Jupiter, Saturn, Neptun und Uranus.
Hier gehen wir davon aus, dass die Entwicklung zunächst ganz ähnlich anfing wie bei den inneren terrestrischen Planeten. Allerdings fand die Planetengeburt hier anscheinend etwas weiter entfernt von der Sonne statt und deswegen hatten die Gasriesen Zugang zu einem weiteren Baustoff:
Weiter draußen allerdings lag das Land des Überflusses.
Eis aus Wasser, Methan und anderen Kohlenwasserstoffen war vorhanden. Während weiter innen diese Stoffe in Gasform vorlagen und sich daher nicht mit den Gesteinsbrocken verklumpen konnten, war es weiter draußen jenseits der Mars-Bahn kalt genug dafür. Die Urplaneten aus denen später unsere Gasriesen entstanden, hatten also sogar noch mehr Material zur Verfügung, dass sie sich einverleiben konnten und wuchsen zu wahren Superplaneten. Als sie dann etwa 10 Erdmassen zusammen hatten, verwandelten sich diese Riesenbrocken.
Und siehe! Es begann ein großes Fressen.
Die Gravitation war so groß geworden, dass sie jetzt auch das übrig gebliebene Gas aus der Umgebung aufsaugen konnten. In dieser Zeit fraßen sich die Gasriesen eine dichte Gashülle an. Aber keine Sorge! Der Jupiter war niemals in Gefahr ein weiterer Stern zu werden. Soviel war dann nach der Geburt der Sonne und der Erosion durch den Sonnenwind doch nicht übrig. Es fehlten noch einmal 70mal Jupitermasse für die Geburt eines echten, wenn auch sehr kleinen Sterns.
Witzigerweise bildeten sich dann anscheinend um die Gasriesen ebenfalls Gas- und Staubscheiben, in denen wiederum weitere planetenartige Körper z.B. die bekannten galileischen Monde entstanden – ähnlich wie weiter innen die terrestrischen Planeten entstanden. Es handelt sich bei den Gasriesen-Mondsystemen offenbar um Mini-Planetensystem in unserem eigenen Sonnensystem.
Und nun?
Als sich der Staub- und Nebelschleier allmählich verzog, begann die Rache der Übriggebliebenen und das Große Bombardement setzte ein.
Die Sonne verwehte in den nachfolgenden hunderten Millionen Jahre die letzten Gasreste, die Konsolidierung der Planeten war abgeschlossen und übrig blieben jede Menge Reste der Planetenentstehung. Objekte die aus verschiedenen Gründen zu kurz gekommen waren und die jetzt chaotisch durch das Sonnensystem schweiften und sich fürchterlich “rächten”. Das große Bombardement setzte ein, wobei noch unklar ist, was dieses Bombardement verursachte. Es wird beispielsweise spekuliert, dass die Gasriesen in der Spätphase ihrer Entwicklung noch einmal wanderten und dabei die Bahnen der “Planetenreste” durcheinander brachten.
Egal, was es ausgelöst hat, die kraterübersäten Gesichter des Mondes und des Merkur bestätigen es: Ein wahrer Asteroiden-Schauer ging zwischen 3,8 – 4,1 Milliarden Jahre vor unserer Zeit auf die inneren Planeten nieder.
Heute dagegen hat sich die Lage mehr oder weniger beruhigt. Aber immer noch schwirren Reste der Planetenentstehung herum. Die eher felsigen Asteroiden sind die Zeugnisse aus dem inneren Sonnensystem, die eishaltigen Kometen und Objekte des Kuipergürtels sind die Zeugnisse aus dem äußeren kühleren Sonnensystem.
Nebenbemerkung:
Erstaunlicherweise wäre zwischen Mars und Jupiter eigentlich noch Platz für einen weiteren Planeten, aber offenbar hat die Gravitationseinwirkung des Jupiter ein Zusammenklumpen der Objekte dort verhindert und so gibt es statt eines weiteren Planeten den allseits bekannten Asteroidengürtel, der bei weitem weniger dicht ist, als man das von den Star-Wars-Filmen her erwarten würde.
Die Planetenentstehung im Zeitraffer aus der Sicht eines Kometen. Bild: NASA/JPL-Caltech
Hier das Ganze als Animation.
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