Klingt paradox? Ist es nicht. Lasst Euch mal erzählen, wo Ihr überall in Eurem praktischen Alltag wissenschaftliche Theorien verwendet, ohne dass Ihr es wisst.

Ich wurde vor einiger Zeit per Email (1) zu einem Seminar an die Uni Bochum eingeladen. Bevor ich losfuhr, sah ich mir noch die Wettervorhersage (2,3) für diesen Nachmittag an. Anschließend stieg ich in mein Auto (4) und gab die Adresse in mein Navigationsgerät (5) ein. Auf der Autobahn überholte mich so ein schnittiger Sportwagen (6). Na, wenn der es nötig hat… Abends setzte ich mich zur Entspannung zu Hause auf’s Sofa und schaltete den Fernseher (7) ein. Hmm, zu duster. Ich muss doch schon das Licht anmachen (8). Es wird aber auch schon früh dunkel. Mist! Der Sommer geht zu Ende.(9)

Dann lasst uns doch mal die angeblich so realitäts- und praxisfernen Theorien zählen, die ich gedankenlos an diesem Tag verwendete:

(1)Emails verschicken wir über Computer. Für Computer brauchen wir Halbleiter. Halbleiter wiederum sind angewandte Quantenmechanik, die natürlich eine wissenschaftliche Theorie ist. Sie funktioniert so gut im Alltag, dass Ihr das hier lesen könnt. Nur eine Theorie?

(2) Die Wettervorhersage ist nur möglich, weil es Satelliten gibt und um Satelliten auf einer stabilen Umlaufbahn zu halten, wäre es vielleicht sinnvoll zu wissen, wie die Gravitation funktioniert. Und wer leistet das? Die allgemeine Relativitätstheorie leistet das. Newtons Gravitationsgesetz ist übrigens nur ein Naturgesetz und beschreibt lediglich, wie die Gravitation in erster Näherung funktioniert. Die allgemeine Relativitätstheorie geht allerdings viel, viel weiter und erklärt beispielsweise, dass die Gravitation eine Eigenschaft der Raumzeit ist. Damit steuert man tatsächlich Raumsonden und Satelliten. Wenn es genau gehen muss, reicht Newton irgendwann nicht mehr. Nur eine Theorie?

(3) Überhaupt das Wetter. Die Meteorologie strotzt nur so von Theorien. Z.B. die Thermodynamik und die statistische Physik. Nur Theorien? Ok, die Meteorologie ist eine schwierige Wissenschaft, weil sie komplex und teilweise sehr chaotisch ist.

(4) Na, was meint Ihr wohl wie ein Verbrennungsmotor funktioniert? Es ist mal wieder angewandte Thermodynamik. Ihr fahrt nur mit einer Theorie?

(5) Das GPS leitet Euch nur deswegen so genau, weil man sowohl die allgemeine wie auch die spezielle Relativitätstheorie beim Uhrenvergleich zwischen Erdboden und Satelliten berücksichtigt. Ich hatte es eben erwähnt. Gravitation ist eine Eigenschaft der Raumzeit und krümmt diese. Das führt dazu, dass auf der Erde die Zeit langsamer vergeht im Vergleich zu der Zeit auf den GPS-Satelliten. Wenn man die Unterschiede in der Zeit nicht ausgleicht, gibt das einen Fehler von mehr als 10 km am Tag (Hier genauer nachgerechnet.) Ihr richtet Euch nur nach einer Theorie?

(6) Ein Sportwagen sollte windschnittig sein, oder? Ein Flugzeug sowieso und fliegen sollte es auch. Dann müsst Ihr Euch mit der Strömungstheorie befassen. Nur eine Theorie?

(7) Beim Fernseher und Computerbildschirm seht Ihr Euch schon wieder der speziellen Relativitätstheorie gegenüber. Zumindest wenn darin noch eine Braunsche Röhre steckt. Diese ist nämlich im Grunde genommen ein kleiner Teilchenbeschleuniger und gleichzeitig ein Röntgengerät. Um das Bild zu erzeugen werden Elektronen derart schnell beschleunigt, dass sie relativistisch etwa 6% an Masse zulegen und wenn man das nicht berücksichtigt bei der Steuerungen des Magneten, der die Elektronen umlenkt, dann liegt der Fernseher am Rand um Millimeter daneben. Das Bild wäre unscharf. Das will natürlich keiner, also wird die Relativitätstheorie benutzt, um Euer Fernsehbild scharf zu stellen. Nur eine Theorie?

(8) Der gute alte Strom, den alle heutzutage konsumieren, ohne groß darüber nachzudenken. Dabei wurde es vor 100 Jahren von nicht wenigen Leuten als Teufelszeug angesehen. Strom wird natürlich im Rahmen der Elektrodynamik beschrieben. Die eine wissenschaftliche Theorie ist. Wieder nur so eine Theorie, mit der wie unsere Häuser erhellen.

(9) Im Grunde genommen ist das Werden und Vergehen der Jahreszeiten nichts anderes als angewandte Himmelsmechanik und keine Hexerei. Wenn Ihr wisst wie sich die Erde um die Sonne bewegt und wie die Erdbahn geneigt ist, dann könnt Ihr erklären, warum es wann Sommer wird. Wir haben auch keine Angst mehr davor, dass der Frühling nach einem strengen Winter nicht mehr wiederkehren könnte, wenn wir nicht irgendwelche Gottheiten anbeten. Wieder so eine komische Theorie, welche die Welt verändert hat.

Ihr seht: Theorien durchdringen Eure Praxis die ganze Zeit. Bevor irgendjemand einen Motor entwirft, zieht er wissenschaftliche Theorien zu Rate, um die Belastung des Motors, den Verbrauch und die Effizienz zu berechnen und zwar mit Hilfe, der darin enthaltenen Naturgesetze. Erst danach wird der Motor getestet und an den Details gefeilt. Die Theorie steht immer am Anfang. Wozu sollte auch jemand die Thermodynamik neu erfinden? Im Übrigen wird heutzutage auch immer eine Computersimulation des Motors erstellt. Nur für den Fall, dass Euch jemand erzählt Simulationen, seien Teufelszeug und wären nicht die Wirklichkeit. Immerhin bilden witzigerweise Computersimulationen die Wirklichkeit aber genau genug ab, dass man damit Flugzeuge und Autos konstruieren kann. Das Argument ist also Schwachfug.

Am Beispiel der Thermodynamik seht ihr außerdem, dass eine Theorie viel mehr wert ist als ein einzelnes Naturgesetz. Die Thermodynamik fasst als wissenschaftliche Theorie alle Naturgesetze über das Verhalten von Gasen zusammen. So wie eine Verfassung einem einzelnen Gesetz übergeordnet ist und erst Sinn und Zweck in die Gesetzestexte bringt. (Ich hoffe, ich wage mich mit diesem Vergleich nicht allzuweit auf juristisches Glatteis ;-))

Wenn die Theorie es notwendig macht, kann ein Naturgesetz sogar modifiziert werden. Das ist z.B. einigen Gesetzen der newtonschen Mechanik passiert, wie z.B. dem relativistischen Impuls, der einen Korrekturfaktor verpasst bekommen hat. Im Alltag spielt der Korrekturfaktor kaum eine Rolle. Will man allerdings einen Teilchenbeschleuniger betreiben, dann kommt man um ihn nicht drumherum.

Ein Naturgesetz beschreibt nur einen Ausschnitt der Welt, die Theorie fasst viele Naturgesetze zusammen, bringt sie in Beziehung zueinander und erklärt, warum dieser Ausschnitt der Welt so ist. Eine wissenschaftliche Theorie ist also das Maß aller Dinge. Mehr als eine wissenschaftliche Theorie wird es niemals werden. Weil Wissenschaftler nämlich immer einräumen, dass sie sich irren könnten. Je länger allerdings eine Theorie überlebt und je tiefer sie in den Alltag eindringt, umso unwahrscheinlicher ist es.

Diese Bezeichnung hat sich allerdings erst allmählich entwickelt. Man erkennt diesen Wandel in der Sprache und im Bewusstsein alleine daran, dass fast alle wissenschaftlichen Theorien, die im 20. Jahrhundert entwickelt wurden als Theorien bezeichnet werden. In den Jahrhunderten davor sprach man eher und ziemlich unsauber von Lehre. Aber das ist ein völlig veralteter, um nicht zu sagen irreführender Begriff. Man könnte fast auf die Idee kommen, Wissenschaft würde feststehende Dogmen ausbilden, an denen nicht gerüttelt werden darf und das ist ja mal Blödsinn. Man sollte allerdings auch vernünftige, nachvollziehbare und vor allem nachprüfbare Argumente haben, bevor man wissenschaftliche Theorien umschmeißen kann.

Wobei gute wissenschaftliche Theorien bis heute nicht wirklich umgeschmissen, sondern höchstens erweitert wurden. Die klassische Mechanik hat sich mit der Relativitätstheorie schließlich nicht in Luft aufgelöst. Im Alltag reicht sie in den meisten Fällen völlig aus. Bei hohen Geschwindigkeiten wie bei Satelliten und Planetensonden muss sie lediglich etwas korrigiert werden.

Das Weltbild des Ptolemäus und des Aristoteles dagegen entsprach nie wirklich einer wissenschaftlichen Theorie. Wie auch? Das ist eine neuzeitliche Entwicklung.

Warum wird dann in der Alltagssprache das Wort Theorie als Synonym für Hypothese oder gar einer Spekulation verwendet?

Das ist mal eine sehr gute Frage und ich kann sie nicht so recht beantworten. Leider ist es aber immer noch so, dass viele Menschen nicht begriffen haben, was Wissenschaft ist und wie sie funktioniert. Es wird oft nicht in den Schulen beigebracht, Hollywood hat es mal ganz und gar nicht verstanden. Man lernt es wirklich eigentlich nur an der Uni und selbst da ist es eher „learning by doing”. In den seltensten Fällen wird den Studenten ausdrücklich erklärt, wie die wissenschaftliche Methode funktioniert, was sie ausmacht und was sie nicht ist. Das merkt man immer wieder auch hier in den Diskussionen in den ScienceBlogs, dass die Leute mit völlig falschen Wissenschaftsbildern hausieren gehen. Von „Alles geht, solange es nur an einer Uni gesagt wird” bis hin zu „Das ist dogmatisch überliefertes Wissen” ist alles dabei. Am verbreitetsten ist leider: „Das ist alles Theorie” sprich „Es ist gelehrte Phantasterei und hat nichts mit meinem Alltag zu tun. Und es muss erst einmal bewiesen werden.

Und wie soll dieser Beweis aussehen? Könnt Ihr mir ein Beispiel für einen solchen Beweis geben?

Dummerweise braucht es mehr als nur einen einzigen Beweis, um eine Theorie zu schaffen. Wir sind hier nicht in der Mathematik.

Am ehesten wird eine Hypothese dann als Theorie anerkannt, wenn sie Vorhersagen über Effekte oder Erscheinungen in der Welt macht, die vorher nicht beobachtet wurden. Wenn sich diese Vorhersage hinterher experimentell bestätigt, dann ist eine Theorie geboren.

Oder aber es zeigt sich in sehr, sehr vielen Experimenten, dass die Beschreibung funktioniert und es lässt sich nichts finden, das Ihr widerspricht, so sehr man auch sucht. D.h. man erkennt den Erfolg einer wissenschaftlichen Hypothese erst daran, dass sie als Grundlage für weitere Arbeiten dient. Für falsche Hypothese reicht dagegen bereits ein einziges Experiment, das dieser Hypothese widerspricht. Sie wird falsifiziert. Dann geht diese Hypothese normalerweise still und klanglos in der wissenschaftlichen Welt unter und kann auch nicht mehr als Basis für weitere Arbeiten dienen. Gute Hypothesen lösen eine wahre Lawine an weiteren Arbeiten aus und irgendwann spricht jeder Fachmann von der Theorie xyz.

Es gibt letztendlich dafür kein Komitee und kein Gremium das entscheidet: So, ab jetzt ist es bestätigtes Wissen. Irgendwann gibt es Konferenzen zu der Theorie, weil die Fachleute es als wichtig erachten, es werden Preise verliehen und irgendwann landet es dann auch in den Fachbüchern. Zwischen den einzelnen Schritten können tatsächlich auch mal Jahrzehnte liegen.

Seid gewarnt: Von einem falschen Verständnis der Wissenschaft zur antiwissenschaftlichen Polemik ist es nur ein kleiner Schritt. Und es ist ein Riesenhandicap bei der Diskussion mit Laien. Wenn der Diskussionspartner nicht von seinem falschen Bild abrücken mag, weil er sich mit der Mehrheit der Gesellschaft in Einklang sieht, dann ist eine Diskussion sinnlos. Keine gemeinsame Basis.

Dummerweise verwenden selbst gestandene Wissenschaftler im Gespräch mit der Presse die Wörter Theorie, Hypothese und Naturgesetz irreführend, weil sich immer noch zu wenige Leute der Gefahr bewusst sind, wenn diese Begriffe nicht halbwegs sauber getrennt werden. Und die Alltagssprache steckt dummerweise in uns allen sehr tief drin. Auch ich ertappe mich manchmal dabei, es falsch zu verwenden, obwohl ich es besser wissen sollte.

Bitte, wenn Ihr sonst nichts mitnehmt aus diesem Blog als das, bin ich bereits glücklich:
Wenn Euch jemand in einer Diskussion über Wissenschaft sagt „Das ist nur eine Theorie” dann gibt es nur eine angemessene Antwort: Rotalarm! Rotalarm! Wissenschaftlicher Bullshit voraus!

Nachtrag:
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Was ist eine Theorie?

Kommentare (10)

  1. #1 Theoretix
    September 2, 2008

    Theorie = Praxis = Unsinn

    Theorie ist gerade nicht Praxis.

    Zwar benötigt man die wissenschaftliche Theorie (Wissenschaft) eventuell um eine neue Sache zu konstruieren (technische Erfindung).

    Aber schon derjenige, der in der Fabrik Autos (Sache) baut, kennt die zu Grunde liegende Theorien in aller Regel nicht mehr oder benötigt sie jedenfalls im Alltag nicht. Er setzt nämlich nur vorgefertigte Komponenten zusammen.

    Selbst die Ingenieure in der Entwicklungsabteilung der Autofabrik wären wahrscheinlich nicht in der Lage, die theoretischen Grundlagen Ihrer Arbeit fehlerfrei zu erläutern. Dies müssen Sie nämlich nicht können, um aus Komponenten ein neues Auto zu entwerfen.

    Der Nutzer der aus der Erfindung resultierenden Sache muss daher erst recht keinesfalls wissen, warum z.B. das Licht angeht, wenn er auf den Schalter drückt. Es mag nett sein, dies zu verstehen. Notwendig ist es aber keinesfalls.

    Die Behauptung Theorie = Praxis ist etwa so richtig, wie die Behauptung, man könne keinen Kaffee bei Starbucks kaufen, ohne vorher Recht studiert zu haben. Den auch dies ist natürlich ein rechtlich relevanter Vorgang (Kauf- bzw. Werklieferungsvertrag).

    Richtig ist nur:
    Keine moderne Gesellschaft ohne Wissenschaft. Wer gerne “zurück zur Natur” möchte, muss dann eben auch mit einer Lebenserwartung von 35 Jahren (darauf sind wir Menschen “ausgelegt”) zufrieden sein und darf sich dann eben auch an Kälte und Hunger im Winter nicht stören.

    Die wissenschaftlichen Grundlagen unserer Gesellschaft werden – zwangsläufig – immer nur diejeningen wirklich verstehen können, die sich täglich damit befassen (müssen). Das sind dann wahrscheinlich so etwa 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung (oder weniger).
    Genauso ist es doch auch mit anderen Expertenthemen (Medizin, Recht…).

    Theoretix

  2. #2 Ludmila Carone
    September 2, 2008

    Selbst die Ingenieure in der Entwicklungsabteilung der Autofabrik wären wahrscheinlich nicht in der Lage, die theoretischen Grundlagen Ihrer Arbeit fehlerfrei zu erläutern.

    So what? Kommt in einem Motor deswegen nicht die Thermodynamik zum Einsatz? Ich wollte nur aufzeigen, dass unsere heutigen praktischen Dinge auf wissenschaftlichen Theorien beruhen. Ich wollte zeigen, dass diese Theorien schon jetzt praktische Anwendungen zur Folge haben, die alle still und leise sagen: “Die Theorie funktioniert!”

    Ob der Endkonsument die Basis dann auch versteht, das ist eine ganz andere Geschichte. Und natürlich hast Du Recht, dass muss keiner verstehen, um es anzuwenden. Das habe ich auch nie behauptet.

    Es wäre nur schön, wenn man sich dessen auch mal ein kleines bisschen bewusst wäre, was man da eigentlich benutzt. Das ist alles.

    Dann gäb es vielleicht auch nicht diese weitverbreitete Wissenschaftsfeindlichkeit.

  3. #3 aebby
    September 2, 2008

    Die sprachliche Schwierigkeit besteht doch darin, dass in der Umgangsprache Theorie und Praxis komplementär verwendet werden. Diese komplementäre Verwendung wird auch allerdings teilweise von wissenschaftlichen Disziplinen kultiviert, die Soziologie weist praktische Anwendung von Erkenntnissen als unwissenschaftlich zurück. Bevor man in eine Wissenschaftdiskussion einsteigt müssten daher zuerst die Grundbegriffe geklärt werden.

    Eine naturwissenschaftliche Theorie wäre eine mehrfach überprüfte Hypothese, die konkrete und erfolgreich überprüfbare Vorhersagen liefert. Der entscheidende Punkt sind m.E. die Vorhersagen. Ein Modell das nur beschreibt (Prolemäus, Schildkrötentutm o.Ä.) ist keine naturwissenschaftliche Theorie.

  4. #4 Ludmila Carone
    September 2, 2008

    @aebby: Und schon fängt es an.

    Ich würde sagen, eine Hypothese ist eine begründete Vermutung. Erst wenn diese sich experimentell bestätigt, wird die Hypothese upgegraded. Zur Theorie. Wobei man zur Hypothese auf zweierlei Wege gelangen kann. Entweder über Experimente (induktiv) oder durch mathematisch-logische Überlegungen (deduktiv)

    Und Du hast völlig Recht. Ich hab das Gefühl, dass die Sozialwissenschaften eher Verwirrung als Klarheit in die Sache bringen.

    Ich bin halt der naturwissenschaftliche Anwender und da gehen in der Regel Theorie und Praxis Hand in Hand. Klar, der Titel ist strenggenommen irreführend, aber er ist auch provokant und bringt vielleicht den einen oder anderen zum Nachdenken.

    Nur so können wir der “Nur eine Theorie”-Desinformationskapagne begegnen.

  5. #5 aebby
    September 2, 2008

    @Ludmilla … dann sind wir doch beeinander, aus der Hypothese wird durch erfolgreiche Überprüfung (=experimentelle Bestätigung) eine Theorie. “upgrade” finde ich gut.

    Sorry, wenn ich gerade scheinbar immer wieder die Gegenposition einnehme, ich komme zwar aus der Physik arbeite zur Zeit wissenschaftlich aber viel mit Soziologen, Psychologen und Pädagogen zusammen – das ist manchmal sehr anstrengend, weil sich die Begrifflichkeiten zur Methodik stark unterscheiden.

  6. #6 Bernd Weiss
    September 9, 2008

    @ aebby: “Diese komplementäre Verwendung wird auch allerdings teilweise von wissenschaftlichen Disziplinen kultiviert, die Soziologie weist praktische Anwendung von Erkenntnissen als unwissenschaftlich zurück.”
    @ Ludmila Carone: “Ich hab das Gefühl, dass die Sozialwissenschaften eher Verwirrung als Klarheit in die Sache bringen.”

    Ist das jetzt “hard science vs soft science”? Mich würden doch die Begründungen für Eure Thesen interessieren. (Und denkt bitte daran, dass es nicht die Sozialwissenschaften (resp. Soziologie in meinem Fall) bzw. die sozialwissenschaftliche Methodik gibt.)

  7. #7 aebby
    September 9, 2008

    @Bernd … nein, es ist auf keinen Fall “hard vs. soft”. Ich sprach von der Soziologie -in einem sehr engen Sinne, die ihre Wissenschaftlichkeit ein Stück weit über Distanz zum Forschungsgegenstand definiert. Durch die Anwendung soziologischen Wissens wird bereits ein Teil der Distanz aufgegeben und die Wissenschaftlichkeit geht verloren. Das ist keine These, die ich aufstelle, sondern eine verkürzte Wiedergabe eines Gelehrtenstreites innerhalb der Soziologie. Ich wollte aussagen dass solche Gelehrtenstreitigkeiten auch dazu führen können, dass das der scheinbare Gegensatz Theorie – Praxis verschärft wird.

    Quellen:

    Zimenkova, Tajana. Die Praxis der Soziologie. Ausbildung, Wissenschaft, Beratung. Bielefeld: transcript verlag 2007.

    Kühl, Stefan. Wie verwendet man Wissen, das sich gegen die Verwendung sträubt?. In: Forschen – lernen – beraten. Hrsg. Von Franz, Hans-Werner et al. Berlin: edition sigma 2003,

  8. #8 aebby
    September 9, 2008

    @Bernd @all

    ich möchte noch etwas anfügen. Die Wissenschaft wird in der breiten Öffentlichkeit nicht so differenziert wahrgenommen wie wir es hier in dieser Diskussion tun. Es kommt gelegentlich vor, dass sich Wissenschaftler der unterschiedlichsten Disziplinen von Wirtschaft und Politik instrumentalisieren lassen. Ich denke da gerade an die laufende “132 Euro zum Leben Debatte”. Solche Vorkommnisse wirken auch auf die LHC Debatte weil durch solche Studien die Objektivität, Gründlichkeit und Verlässlichkeit der Wissenschaft insgesamt in Zweifel gezogen wird. Für den Nicht-Wissenschaftler sitzen die Wissenschaftler alle in einem Boot … das sollten “wir Wissenschaftler” im Gedächtnis behalten.

    Quelle: https://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28680/1.html

  9. #9 Bernd Weiss
    September 9, 2008

    @ aebby, 1. Kommentar: Gut, jetzt wird es kleinlich: Statt “von der Soziologie” würde ich “von einer Soziologie” oder von mir aus von einer soziologischen Perspektive/Schule/Richtung/etc. sprechen; vermutlich meinst Du Teile der Wissenssoziologie. Wie auch immer… ich bin Soziologe und ich habe schon an Artikel mitgeschrieben deren letztes Kapitel “Handlungsmöglichkeiten” lautete (Stichwort Schulschwänzen). Wenngleich ich aber auch sagen würde, dass sich nicht aus allen meinen Arbeiten ein _unmittelbar_ praktischer Nutzen ableiten lässt, daran bin ich auch nicht interessiert (nennen wir es “soziologische Grundlagenforschung”).

    Ich streite auch nicht ab, dass die Arbeit mit “Soziologen, Psychologen und Pädagogen” anstrengend sein kann; habe ich auch schon erlebt 🙂 — war aber nicht nur anstrengend, sondern auch inspirierend.

    @ aebby, 2. Kommentar (@Bernd @all): Mir ist der Bezug auf meinen Kommentar nicht klar. Muss ich mich angesprochen fühlen?

  10. #10 aebby
    September 9, 2008

    @Bernd … “einer Soziologie” oder “eines Teils der Soziologie” damit bin ich einverstanden, das wäre die korrekte Bezeichnung.

    Deine Frage hatte mich mit zum zweiten Kommentar inspiriert. deshalb noch das @Bernd. Ergänzend zu dem Kommetnar noch das folgende: Egal welcher wissenschaftliche Diziplin man angehört bekommt man unagenehme Fragen gestellt, wenn eine andere Disziplin mal wieder “Die Wissenschaft” in die Schlagzeilen bringt. ich kann da ein Lied davon singen, da ich schon in sehr unterschiedlichen Disziplinen tätig war.