Wenn ich drohe in Kulturpessimismus zu verfallen, denke ich immer daran, dass die zarte Pflanze des Wissendurstes an Orten blüht, wo man sie auf den ersten Blick nicht vermuten würde.

Ein Beispiel habe ich sowieso jeden Tag vor Augen. Mein Mann ist Gastronom und als Nichtakademiker dennoch extrem interessiert an wissenschaftlichen Themen und Fragestellungen. Er hatte nur mit 16 Jahren keinen Bock mehr auf Schule und hat eine Ausbildung gemacht. Übrigens zum Chemielaboranten im Sprengstoffbereich. Daher kann ich bei chemischen Themen auf seine Fachkenntnisse zurückgreifen.

Wenn unser Elektriker mit leuchtenden Augen vom Fusionsreaktor in Jülich erzählt, den er sich mal mit Kollegen angesehen hat oder die Köchin meines Mannes mit Begeisterung davon erzählt, dass sie mit ihrem Mann den Weg der ISS am Nachthimmel verfolgt, wenn die Raumstation über Deutschland sichtbar ist, dann freut mich das ungemein. Dann besteht ja doch noch Hoffnung für die Menschheit 😉

Dann erzähle ich den Leuten auch immer, dass selbst wenn sie – aus welchen Gründen auch immer – keine Universität besucht haben, dennoch Wissenschaft betreiben können. Sie brauchen dafür noch nicht einmal eine ausgezeichnete Hobbyastronomen-Ausstattung. Oft reicht einfach nur ein Computer und ein wenig Zeit.

Ich stelle daher heute mal einige dieser Projekte vor. Wer von mehr weiß, der kann gerne Hinweise unten in den Kommentaren hinterlassen und ich erweitere dann die Liste nach und nach:

Astronomie & Planeten


SETI@Home
: Die Suche nach künstlichen Signalen in Radiodaten.

Galaxy Zoo: Die Klassifizierung von Galaxien und Entdeckung neuer astronomischer Objekte.

Florian hat drüben auf seinem Blog davon erzählt
, dass die niederländische Lehrerin Hanny van Arkel im Rahmen dieses Programmes ein interessantes Objekt entdeckte, das seitdem ihren Namen trägt. Das kann ich trotz Uni-Ausbildung nicht von mir behaupten. Solange es Menschen geben wird und sich für so etwas komisches wie Astronomie interessieren werden, solange wird auch der Name Hanny van Arkel in diesem Objekt fortleben.

Stardust@Home:
Die Suche und Klassifizierung von interstellaren/interplanetaren Staubkörnern, die mit speziellen Aerogelen mit Sonden bzw. Fllugzeugen in großer Höhe eingefangen werden.

Ich hatte bereits in meiner kurzen Geschichte der Planetenentstehung erzählt, dass im Grunde alle Planeten so angefangen haben. Mit winzigen Staubkörnern. Daher sind diese für uns Planetologen Gold wert. So winzig sie auch sein mögen, so erzählen sie doch die Geschichte vom Vergehen eines fremden Sternes, aus dessen “Asche” sie geboren wurden und die Geschichte der Geburt unseres Sonnensystems. Was mal wieder zeigt, dass Tod und Geburt immer wieder zusammenhängen und das eine nicht ohne das andere existieren kann. Selbst im Weltall nicht.

Biologie:

Folding@Home: Wie arrangieren Proteine sich selbst? Wie funktioniert also die komplizierteste Chemiefabrik, die man auf der Erde finden kann? Das Leben. Der Stoffwechsel von lebenden Organismen hängt von der Wirkungsweise von Proteinen ab. Man bemüht sich die Prozesse am Computer zu simulieren. Klingt seltsam, aber es ist einfach eine neue und andere Herangehensweise an das Problem. Warum auch nicht? Wenn neue Techniken zur Verfügung stehen? Die gute alte Laborarbeit wird dadurch weder entwertet noch ersetzt. Es ist eine Ergänzung und Bereicherung.

Das sind also die Programme, die mir spontan einfallen. Ergänzungen bitte unten in den Kommentaren.

Kommentare (6)

  1. #1 Ingo B.
    September 13, 2008

    Ich denke, im Bereich der Anthropologie, sagen wir besonders der Geschlechterpsychologie, betreibt sowieso jeder seine eigene “Wissenschaft”, zumindest für den “Hausgebrauch”, oder? (Viele natürlich auch bezüglich Kinderpsychologie. Oder “Mitarbeiter-Psychologie”.)

    Gerade was soziale Beziehungen betrifft oder Medizinisches ist unser Denken ja heute vom wissenschaftlichen letztlich doch ziemlich durchtränkt.

    Von solch einer Verwendung von Wissenschaft für den “Hausgebrauch” und bei der Lösung von Alltagsfragen hin zu noch etwas ernsthafteren, methodischeren Fragestellungen braucht der Schritt da nicht sehr weit zu sein.

    Aber man merkt doch, daß viele Menschen einfach Schwierigkeiten haben, etwa sich auf intensive, z.T. auch etwas schwierigere Lektüre einzulassen. Das ist wohl eine der deutlicheren Hürden, die da zu überwinden wären.

  2. #2 Eddy
    September 13, 2008

    Hallo Ludmilla,

    Nach sehr langer Suche habe ich endlich eine seit langem verlorene Internetseite wiedergefunden 😉
    https://www.ncdc.noaa.gov/paleo/pollen/viewer/webviewer.html

    Hier kann man verschiedene Pollenarten eingeben und in einer Animation sehen wie sie sich während den letzten Jahrtausenden verteilt haben.

    Wer sich für das Klima der letzten 1000 Jahre in den Alpen interessiert:

    ALP_IMP-final-rep-public.pdf hier herunterladen: https://www.zamg.ac.at/ALP-IMP/

    oder die Rekonstruktion des Klimas in Europa:

    https://www.geographie.uni-freiburg.de/ipg/publikationen/glaser/GlaserBeckStangl2004-Temperatur_und_Hochwasser.pdf

    Eine Onlinepublikation des deutschen Klimaforschungsprogramms: “herausragende Forschungsergebnisse, Illustrationen und Antworten auf zentrale Fragen der Atmosphären- und Klimaforschung”

    https://www.deklim.de/seiten/dek-frame.asp?content=/seiten/dek-oe-faq-de.asp

    und ein Gratis-onlinebuch von Hans Peter Peters (FZ Jülich) und Harald Heinrichs (Universität Lüneburg) “Öffentliche Kommunikation über Klimawandel und Sturmflutrisiken – Bedeutungskonstruktion durch Experten, Journalisten und Bürger” (470 Seiten):

    https://www.fz-juelich.de/zb/datapool/page/439/Peters_00303.pdf

    Viel Spass beim Lesen 🙂

    Eddy

  3. #3 catta
    September 14, 2008

    Tsk tsk. Folding@home ist doch längst passé — Foldit ist noch viel toller und befasst sich mit dem selben Problem: https://fold.it/

    Wenn ich recht verstanden habe, haben sich Nutzer der automatisierten Version darüber beschwert, dass sie bei der Brachialmethode der Software nur zusehen und nicht eingreifen konnten, aber spontan bessere Lösungen gesehen haben. Also gibt es jetzt genialerweise ein Spiel, das wirklich absolut jeder spielen kann. Nichtbiologen, Nichtchemiker und Spielkinder sind anscheinend sogar im Vorteil und finden regelmässig schneller bessere Lösungen als die Fachleute, die dahinter stecken — einer der Entwickler sagte in einem Interview, sein 13-jähriger Sohn würde ihn so gut wie immer übertrumpfen.

    Die Hoffnung dahinter ist, dass das aktive Puzzlespielen mit Foldit schneller mehr Resultate erzielt als es sämtliche Computer der Welt mit Brachialmethode schaffen könnten. Und Spass macht es auch noch, was will man mehr?

  4. #4 Christian
    September 14, 2008

    Eine weitere BOINC-Software ist ClimatePrediction.NET von der Uni Oxford:

    https://www.climateprediction.net.

    Hier lassen sich analog zu SETI, Folding & co. Klimamodelle im Hintergrund berechnen. Das Schöne ist, dass es auch einen Open University Course gibt, den man als Teilnehmer (glaube ich) gratis belegen kann (allerdings auf Englisch). So erfährt man noch einiges über die wissenschaftlichen Hintergründe des Projekts:

    https://www.climateprediction.net/openu/index.php

    Ein paar deutschsprachige Infos zum Projekt gibt es hier:

    https://de.wikipedia.org/wiki/ClimatePrediction.net

  5. #5 Eddy
    September 15, 2008

    Hallo noch einmal,

    mein Link oben hat auf die falsche Seite verwiesen:

    Eine Onlinepublikation des deutschen Klimaforschungsprogramms: “herausragende Forschungsergebnisse, Illustrationen und Antworten auf zentrale Fragen der Atmosphären- und Klimaforschung”

    https://www.deklim.de/seiten-highlights/dek-highlights-de.asp

    Sorry

    Liebe Grüsse, Eddy

  6. #6 June
    Oktober 1, 2008

    Hello von Amerika!
    Danke fuer diese interessante Seite.

    Hier ist eine Seite auf der man selbst mit einem digitalen microscope
    tausende von Satelliten gels fuer Sternstaub examinieren kann.

    https://stardustathome.ssl.berkeley.edu/index.php

    June