Eigentlich gab es im Januar bereits das erste Zeichen dafür, dass ein neuer 11jähriger Sonnenfleckenzyklus beginnt. Der Zyklus Nummer 24.(1)
Bild: SOHO.
Bei diesem Flecken ist der magnetische Norden und Süden eingezeichnet. Die Orientierung ist genau anders herum, als im Zyklus davor. Das Magnetfeld der Sonne ist also umgeklappt. Die Magnetfeldlinien verlaufen jetzt genau anders herum als vorher im Sonnenzyklus 23.
Keine Sorge, das ist nicht schlimm. Das macht die Sonne alle 11 Jahre und ist völlig normal. (2) Na ja, sofern man beim Magnetfeld der Sonne von normal reden kann. Hier habe ich bereits schon mal angedeutet, dass die Form des solaren Magnetfeldes sich deutlich von dem des Erdmagnetfeldes unterscheidet. Insbesondere die Ballerina-Struktur, in die Magnetfeldlinien aus der nördlichen und südlichen Sonnenhemisphäre zusammenlaufen, ist höchst faszinierend.
Allerdings war eines bei diesem Übergang vom Sonnenfleckenzyklus 23 zum Sonnenfleckenzyklus 24 verwunderlich.
Ab da sollte die Sonnenaktivität allmählich wieder ansteigen, nachdem sie in den letzten Jahren sehr niedrig war. Tatsächlich aber verhielt sich die Sonne ziemlich ruhig. Sogar extrem ruhig. Seit 50 Jahren war nicht mehr so wenig los auf der Sonne. Das verkündeten erst vor einigen Tagen die Wissenschaftler der sterbenden Sonde Ulysses in dieser Pressemitteilung. (3) Der gemessene Sonnenwinddruck und die Magnetfeldstärke der Sonne war der niedrigste Wert, der seit Beginn der Raumfahrt jemals gemessen wurde.
Das ist nicht nur von akademischen Interesse, sondern hat handfeste praktische Konsequenzen. Wir leben schließlich im Satellitenzeitalter und deren elektrische Systeme und Festplatten reagieren ziemlich empfindlich auf geladene Teilchen – insbesondere wenn diese mit großer Energie reinknallen. Dummerweise schwirren in unserem Sonnensystem ziemlich viele geladene Teilchen rum. Die Sonne ist eine Hauptquelle dieser geladenen Teilchen, in Form von Sonnenwind. Bestehend aus Elektronen, Protonen und in geringe Mengen auch Ionen.
Man sollte also meinen, dass es für die Erdsatelliten eigentlich gut wäre, wenn die Sonne sich eher ruhig verhält. Je weniger Sonnenflecken, desto weniger Sonnenwind.
Aber – es gibt immer ein aber, nicht wahr? – aus dem Weltall dringen ebenfalls geladene Teilchen ein. Diese können sogar wesentlich höhere Energien haben als die Sonnenwindteilchen. Die Sonne ist ein ziemlich langweiliger ruhiger Stern. Da draußen allerdings im Weltall geht es teilweise alles andere als ruhig zu. Da schleudern Supernovae Teilchen aus und beschleunigen sie weitaus stärker, als es die Sonne jemals hinkriegen würde.
Glücklicherweise hüllt das Magnetfeld uns ein wie eine schützende Blase.
Bild: ESA.
Die Größe und Stärke der Blase wird durch die Stärke des Sonnenwindes bestimmt, der diese richtiggehend aufpumpt. Der Sonnenwind reicht ungestört nur bis zur so genannten Termination Shock-Zone, wo dieser auf die von außen eindringende Kosmische Strahlung trifft.
Die Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 sind in diese Zone eingedrungen. Hier ist eine schöne NASA-Animation zu diesem Thema.
Die Heliosphäre hält den Großteil der Kosmischen Strahlung ab, ist aber keine perfekte Barriere. Irgendetwas kommt immer durch. Und wenn der Sonnenwind schwach ist – wie derzeit -, dann ist auch diese Hülle kleiner und auch durchlässiger Ganz schlecht für Satelliten.
Irgendwie doof. Wenn der Sonnenwind schwach ist, dann droht Gefahr von Kosmischer Strahlung von außen. Wenn der Sonnenwind stark ist, wird er selbst zur Gefahr. Derzeit ist es noch unkritisch, aber in den Jahren 2011/2012 könnte es wieder interessant werden. Starke Sonnenaktvitäten können nämlich nicht nur Satelliten schaden.
Der Sonnenwind kann regelrecht stürmisch werden und diese Stürme kneten das Erdmagnetfeld zusammen. Fluktuierende Magnetfelder haben aber die unangenehme Eigenschaft, Strom zu erzeugen (Das Zauberwort heißt Induktion) und zwar überall dort, wo es leitende Materialien gibt. Oftmals leider auch da, wo sie gar nicht gewünscht sind.
Diese geomagnetischen induzierten Ströme können Stromausfälle auslösen (wie 1989 in Kanada), zur erhöhter Korrosion von Erdgas- und Erdölpipelines beitragen. (Animation von induzieren Strömen in einer finnischen Erdgaspipeline.)
Das ist noch nicht alles. Bei starken geomagnetischen Aktivitäten knallen viel mehr geladene Teilchen auf die Erdatmosphäre. Das bringt einerseits großartige Polarlichter mit sich, andererseits aber entsteht bei diesen Teilchenkollisionen auch sehr viel Höhenstrahlung und auf diese Strahlung muss bei der Luftfahrt geachtet werden. Insbesondere bei Interkontinentalflügen über die Pole wie z.B. bei Flügen von New York nach Tokio. Nicht umsonst werden Flüge strahlungstechnisch überwacht. Sonnenwindstürmen können im Extremfall so stark sein, dass bestimmte Flüge ganz gestrichen werden müssen.(4)
Man sieht: Weltraum-Wettervorhersage ist wichtig. Diese betreibt unter anderem das SDIC (Solar Influences Data Analysis Center) an der Königlichen Sternwarte in Belgien.
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(1) Der Zyklus, der als Nullter bezeichnet wird, begann im Jahre 1749.
(2) Dieser 11-Jahres Zyklus wird nach dem Apotheker und Hobbyastronomen Samuel Heinrich Schwabe aus Dessau Schwabe-Zyklus genannt. Er war es nämlich, der nach 17 Jahren durchgehender Sonnenbeobachtungen, beweisen konnte, dass die Sonnenfleckenanzahl zyklisch ab und zunimmt.
(3) Ulysses, eine Gemeinschaftssonde der NASA und der ESA, leistete fast 18 Jahre lang ihren Dienst und tat etwas, was vorher noch nie ein menschengemachtes Objekt getan hat. Es verließ die Planetenebene und flog sogar über die beiden Pole der Sonne, wobei sie enthüllte, was für eine seltsame Form das Sonnenmagnetfeld hat.
(4) Komischerweise schreit bei Urlaubsflügen in die USA und in die Philippinen keiner Zeter und Mordio, weil er hochenergetischer Strahlung ausgesetzt ist, und davon Krebs bekommen könnte.
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