Morgen um 8:30 wird das LHC offiziell in Betrieb genommen.
Das CERN überträgt das Ganze live via Webcast: CERN-Webcast.
Zunächst wird ein einziger Strahl, in Wahrheit eine Reihe von Protonenpakten im Kreis rumgeschickt, um zu testen, ob man überhaupt die nötige Beschleunigung für die Teilchenkollisionen hinkriegt. Es sollen pro Teilchenstrahl 2808 Pakete mit jeweils 100 Milliarden Protonen werden.
Und nein, die werden nicht alle miteinander kollidieren.
Grundsätzlich sind Teilchenbeschleuniger nichts Neues. Die betreiben wir seit Jahrzehnten z.B. in Hamburg am DESY, wo ich dann auch an einem Experiment meine Diplomarbeit geschrieben habe. Deswegen kenne ich das Zeug und es macht mir nicht die geringste Angst.
Letztendlich müsst Ihr Euch das so vorstellen, dass man Elementarteilchen nicht mit einer Zange festhalten oder so genau steuern kann, dass genau ein Teilchen ein anderes trifft. Deswegen probiert man es hier mit der Schrotkugel-Methode.
Man schießt jeweils einen ganzen Haufen gegeneinander und bündelt den möglichst eng mittels Magnetfelder und das schickt man im Kreis und gibt Energie dazu (bitte ein paar Mal wiederholen!) und hofft, dass sich jeweils ein Proton aus entgegen laufenden Bündeln, wenn man sie überkreuzt, mehr oder weniger mittig zur rechten Zeit (wenn genug Energie reingepumpt wurde) am rechten Ort (nämlich in einem Detektor) treffen. Die allermeisten Schrotkugeln bzw. Protonen werden gar nicht für eine Teilchenkollision genutzt, weil die einfach aneinander vorbeifliegen. Die Energie einer einzigen Teilchenkollision ist winzig aus der Sichtwarte des Makrokosmos.
Es wird dabei ungefähr so viel Energie frei, als wenn zwei Mücken miteinander kollidieren würden. Nur weil diese an sich geringe Energie extrem eng gebündelt ist, können neue winzigste Elementarteilchen entstehen und die fängt man dann mit den Detektoren in der Umgebung auf. Die sind riesig. Denkt mal an sechsstöckige-Gebäude-riesig. Paradoxerweise muss man für besonders flüchtige und winzige Teilchen einen extrem großen Aufwand betreiben, um sie zu erzeugen und sie zu fangen.
Es gibt Teilchenphysiker, die graben sich in Minen und in die Eisdecke des Südpols, um natürlich erzeugte Neutrinos zu “fangen”.
Die überflüssigen Schrotkugeln müssen an einem Prellbock aus Beton entsorgt werden. Und ja, dabei kann was schiefgehen und dabei geht auch manchmal was schief. Auch wenn die Energie eines einzigen Teilchens winzig ist, im Milliardenpaket läppert sich das auch im Makrokosmos. Wenn was schief geht, also z.B. die Magnete versagen, dann hat man einen ziemlich guten Schneidbrenner, der ein Loch in das Strahlrohr frisst. Aber nur für sehr kurze Zeit. Sobald der Strahl aus dem Rohr austritt, kommt auch nichts mehr nach. Wie denn auch? Man muss das Zeug mehrfach im Kreis schicken, damit es überhaupt ein Schneidbrenner werden kann.
Noch dazu ist das Strahlrohr selbst unterirdisch und steckt in einer meterdicken Betonröhre drin. Da darf auch keiner auch nur in die Nähe, wenn Betrieb ist. Es gibt für so etwas sogar Notausschalter in allen Zugangstüren und Sirenen und Lichtanlagen während des Betriebes. Man müsste schon blind, taub und dumm zugleich sein, um da irgendwie reinzugeraten und selbst dann…Sobald man ins Innersten versucht vorzurücken, würde das Öffnen einer Tür die Notabschaltung einleiten. Das Gefährlichste, was dann einen treffen kann, ist der Zorn der Experimentatoren.
Wenn so ein Strahl mal fehlgeleitet wird, dann entsteht ein Loch im Metall und ein dunkler Fleck in der Betonröhre und gut ist. Der Materialschaden ist zwar ärgerlich und teuer, aber nicht besonders gefährlich. Das ist hier nicht Hollywood, wo alle Nase lang etwas explodiert. In so einem Strahlrohr ist nichts, was explodieren könnte. Die Magneten werden mit flüssigem Helium gekühlt und die Kabel und Spulen würden verschmoren. Ein Schwelbrand wäre das gefährlichste, aber dafür gibt es ja Brandschutz.
Und erwähnt bloß nicht, den Scheiß mit dem Schwarzen Loch! Ich hab mir in den vergangenen Monaten die Finger wundgeschrieben, wegen dieser unverantwortlichen Panikmache. Das Higgs- bzw. Masseteilchen wird gesucht. Wer was von Schwarzen Löchern am CERN labert, redet Blödsinn.
Hier hab ich beschrieben, was das CERN wirklich macht:
LHC-Rap
Auf der Suche nach der Schwere des Seins.
Die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest.
Die Diskussion um angebliche Schwarze Löcher hatten wir bereits hier:
Kein Weltuntergang durch Schwarzes Loch.
CERN-Sicherheitsbericht.
Hier noch einmal eine deutsche Zusammenfassung, wie das LHC aufgebaut ist und ein paar Bildern von den Materialschäden, die entstehen, wenn was schief geht.
LHC-Zusammenfassung.
Also denn! Frohes Gelingen und Don’t Panic!
Und immer Handtuch bereit halten. Aber das ist sowieso immer eine gute Idee 😉
Update: Der Protonenstrahl geht um 9 Uhr rein. Der Webcast begann bereits um 8:30.
Mehr Infos: CERN-LHC-First-Beam-Seite.
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