Den Nobelpreis für Physik teilen sich Yōichirō Nambu(1/2) für die Arbeit “Dynamical Model of Elementary Particles Based on an Analogy with Superconductivity. II” mit Makoto Kobayashi (1/4) und Toshihide Maskawa (1/4) für ihren berühmten Artikel (CP Violation in the Renormalizable Theory of Weak Interaction). Also berühmt in der Teilchenphysik.
Worum geht es bei dem diesjährigen Nobelpreis?
Es geht um Teilchenphysik. Das Zeug, wofür das CERN und das LHC gut sind. Der Nobelpreis geht an frühere bahnbrechende Arbeiten auf diesem Gebiet, bei der übrigens die Theorie und die Experimente immer Hand in Hand gingen. Das eine ist hier nicht ohne das andere möglich.
Im Detail geht es um die Beobachtung, dass unsere Welt im Großen und Ganzen zwar symmetrisch ist, in bestimmten Fällen aber nicht. Und das ist auch gut so, denn sonst gäbe es uns gar nicht.
Es wurde bereits 1956 vorgeschlagen (Lee und Yang, Nobelpreis 1957), um den Zerfall von so genannten Kaonen zu erklären, dass bestimmte Zerfälle bei räumlicher Spiegelung anders ablaufen. Nachtrag: Genauer gesagt ging es um das “Tau-Theta-Rätsel”. Lee und Yang schlugen außerdem eine Reihe von Experimenten vor, mit der sich ihre Idee testen ließe.
Das entscheidende Experiment wurde 1957 durchgeführt. Die Physikerin Chien-Shiung Wu richtete mit einem Magnetfeld den Spin von Kobalt-60-Atomen bei sehr tiefen Temperaturen alle in die selbe Richtung aus und beobachtete dann den schwachen Zerfall in Elektronen. Die ausgesendeten Elektronen bevorzugten fast alle wie vorhergesagt eine bestimmte Flugrichtung. Diese Eigenschaft: Flugrichtung im Vergleich zum Spin, wird Chiralität bzw. Händigkeit genannt. Und die Natur ist ein Linkshänder.(1)
Nambu und sein Kollege Giovanni Jona-Lasinio allerdings “erklärten”, warum Symmetrien gebrochen werden und dass der “Spiegel” erst bei niedrigen Energien zerbricht.
Bild: (Nobel foundation.) Links die symmetrische Situation bei hoher Energie. . Der Bleistift balanciert auf der Spitze. Dieser Zustand ist aber nicht stabil und der Stift fällt ganz spontan irgendwann in eine bestimmte Richtung. Er hat nicht mehr genügend Energie, um sich auf der Spitze zu halten. Jetzt ist das Bild nicht mehr spiegelsymmetrisch (rechts).
In der Welt der Teilchenphysik hat das interessante Konsequenzen: Zu jeder Symmetriebrechung gibt es ein Teilchen. Ein Goldstone oder Nambu-Goldstone-Boson. Das Higgs-Teilchen, das vermutlich die Masse in unsere Welt bringt, ist übrigens auch so ein Nambu-Goldstone-Boson Nachtrag: Ok, es ist um einiges komplizierter. Ich sollte das Higgs-Boson besser als Eichboson bezeichnen. Das hängt zwar letztenendes auch irgendwie mit Symmetriebrechungen zusammen, aber das zu erklären, traue ich mir nicht zu. Dazu bin ich zu lange raus aus dem Feld. Aber zum Glück hat das eine andere gemacht.
So langsam sollte deutlich werden: Zerbrochene Symmetrien bestimmen unsere Welt.
Zu der Arbeit von Kobayashi und Maskawa hatte ich sogar eigentlich schon vor ein paar Monaten etwas geschrieben. Als ich die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest stellte. Nach dem Urknall hätte in einer perfekt symmetrischen Welt sowohl Materie als auch Antimaterie in gleichem Masse entstehen und sich gegenseitig sofort wieder vernichten müssen.
Aber die Welt ist auch hier zum Glück nicht symmetrisch, wie Kobayashi und Maskawa in ihrer Theorie erklärten. Unser Universum bevorzugt Materie zugunsten der Antimaterie, was 1964 mit Experimenten an K-Mesonen in Teilchenbeschleunigern nachgewiesen wurde. In dem Fall ist die CP-Symmetrie verletzt. Die elektrische Ladung in Verbindung mit räumlicher Spiegelung. (2)
Das hat weitere Konsequenzen: So sagten Kobayahi-Maskawa 1973 die Existenz von weiteren noch unbekannten Quarks voraus. Sie behielten Recht. Vier Jahre später wurde das Bottom-Quark gefunden und der Nachweis erbracht, dass es noch eine weitere Teilchensorte gibt – mit allen Eigenschaften der anderen beiden, nur eben mit deutlich höherer Masse und extrem instabil.
Oh Gott, die drei Teilchenfamilien! Wie erkläre ich jetzt, dass es außer der normalen Materie, aus der wir bestehen, noch weitere Familienmitglieder gibt, auf die wir aber nie treffen, weil sie so schnell zerfallen, dass sie in unserem Alltag keine Rolle spielen? Das Elektron ist z.B. in Wahrheit ein Drilling. Es hat einen schweren Bruder (das Myon) und einen sehr schweren Bruder (das Tauon oder Tau-Lepton).(3) Alle drei haben die gleichen Eigenschaften, bis auf ihre Masse und ihre Zerfallszeit.
Die Welt der Elementarteilchen ist einfach extrem seltsam. Seltsamer als alles, was wir uns je ausdenken konnten. Und genau deswegen blicke ich mit Spannung zum CERN. Bisher haben wir immer neue Sachen in der Welt der Teilchenphysik entdeckt. Warum sollte es jetzt anders sein?
P.S.:
Ich frage mich, wo ist eigentlich Giovanni Jona-Lasinio? Der war doch der Co-Autor des Artikels, für den Nambu den Nobelpreis bekommen hat? Es waren vier Leute an den Arbeiten beteiligt, da erscheint es etwas unfair, einen rauszulassen. Ja, ich weiß, dass sich maximal drei Leute den Preis teilen dürfen, aber Hand auf’s Herz. Das wird zunehmend unfair. Heutzutage ist Wissenschaft Gruppenarbeit.
————–
(1) Schon damals wurde gemeckert, warum außer Lee und Yang nicht auch Wu den Nobelpreis erhielt. Übrigens alle drei waren amerikanische Einwanderer, chinesischer Abstammung.
(2) Für die Entdeckung des Tau-Leptons gab es übrigens 1995 den Nobelpreis.
(3) Der Teilchenzoo. Da wimmelt es von lauter Teilchen, derer wir nur in Teilchenbeschleunigern und bestenfalls in der Höhenstrahlung habhaft werden. So extrem kurzlebig sind sie.
———-
Nachtrag in eigener Sache:
Ich hab den Beitrag in zwei Stunden runtergeschrieben basierend auf altem Prüfungswissen und einleitenden Fachbüchern, die ich noch rumstehen habe.
Ich bin seit Jahren raus dem Feld und eigentlich habe ich in experimenteller Teilchenphysik gearbeitet. Theoretische Teilchenphysik ist und war nie mein Fachgebiet, also erwartet bitte keinen ausufernden Artikel dazu. Das war auch nie das Ziel. Das Ziel war es, den Gedanken hinter den Nobelpreisen – so weit ich meine es verstanden zu haben – zu erklären. Insofern ist es natürlich möglich und sogar wahrscheinlich, dass ich irgendwo Fehler gemacht habe.
Dann möchte ich aber bitten, dass man mir dann auch verrät, wie man es besser erklären könnte oder vielleicht sogar einen eigenen Blog zu schreiben? Oder einen Gastbeitrag?
Ich bin hier kein Journalist, der sich seine Meriten verdienen will, sondern ich will als Wissenschaftler, der sich auch für Teilchenphysik begeistert, wirklich etwas erklären und das allgemein verständlich. Daran sollten alle Wissenschaftler eigentlich ein Interesse haben und deswegen sollten wir zusammenarbeiten.
Ich nehme lieber in Kauf mich ab und an zu irren, als gar nichts zu sagen. Dann korrigiere ich eben den Artikel oder schreibe verbesserte Blogeinträge oder nehme Gastbeiträge auf. Das ist doch das Schöne an Blogs. Dass wir alle mitreden können.
Entschuldigt also die Nachbesserei!
Kommentare (14)