Der 17. Juli war ein ganz besonderes Datum für unser Team. An diesem Tag führte die europäische Mars Express einen von einer ganzen Reihe naher Vorbeiflüge am Marsmond Phobos aus. Das war die Gelegenheit für unser Radiowellenexperiment MaRS, den Mond zu wiegen.
Phobos ist zwar recht klein, aber dennoch groß genug, dass seine Massenanziehung auf Mars Express eine messbare Wirkung ausübt.
Am 17. Juli flog Mars Express in ungefähr 270 km Entfernung vorbei. Während des gesamten Vorbeifluges wurde die Erde angefunkt und hinterher die Frequenzen des Radiosignals analysiert. Denn wenn der Marsmond die Sonde aufgrund der Gravitation zu sich runterzieht, dann hat das sofort Auswirkungen auf das Radiosignal. Es gibt einen zusätzlichen Dopplereffekt.
Ich glaub den Dopplereffekt muss ich hier nicht erklären. Kennt jeder von der hörbaren Frequenz-Veränderung eines sich bewegenden Martinshorns.
Jedenfalls kann daraus die Gravitationsbeschleunigung bestimmt werden, die Mars Express durch Phobos erfährt. Diese ist wiederum lediglich abhängig von der Masse des Phobos und der Entfernung. Da die Entfernung bekannt ist…
Voila: Man hat mal eben im Vorbeigehen in 270 km Entfernung einen kleinen Mond gewogen. Die Kollegen Tom Andert von der Universität der Bundeswehr München und Pascal Rosenblatt vom Königlichen Oberservatorium Belgien geben die Masse zu 1,072×1016 kg oder etwa ein Milliardstel der Erdmasse an und sind dabei um den Faktor 10 bis 100 genauer als die letzten Messungen, die vor 20 Jahren (die Sowjetmission Phobos 88) bzw. 30 Jahren (Viking) stattfanden. Genauer gesagt ist der Massewert auf etwa 1 Promille genau.
Neben diesem einen Vorbeiflug für die Massenbestimmung gab es noch weitere Vorbeiflüge, bei denen die HRSC-Kamera das Gelände noch genauer kartierte.
Bild: (HTSC, DLR) Nahaufnahme des Marsmondes Phobos.
Mit den neuen Bildern der HRSC-Kamera kann man nun recht genau bestimmen, wie groß der Mond ist. Daraus ein 3-D-Modell erstellen bzw. das Volumen berechnen. Die groben Werte betragen etwa 27 km x 22 km x 19 km. Phobos ist ein wirklich kleiner Körper.
MaRS hat also die Masse genau bestimmt. HRSC bestimmte das Volumen und mit vereinten Kräften ergibt sich aus: Masse/Volumen = Dichte. Die beträgt für Phobos etwa 1.85 Gramm pro Kubikzentimeter.
Aus der Dichte wiederum lässt sich einiges über die Herkunft des Mondes aussagen.
Indem wir diese mit Dichten anderer Körper vergleichen. Wir kennen aufgrund der Erkenntnisse früher bzw. aktueller Marslander und Orbiter die Dichte des Marsoberflächengesteins. Die beträgt 2.7-3.3 Gramm pro Kubikzentimer. Phobos ist also wesentlich fluffiger und kann daher schon mal kein massives Stück Marsfelsen sein, das es einfach aus der Oberfläche gehauen hat.
Dafür passt aber die Phobos-Dichte zu Asteroiden zur D-Klasse. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Überbleibsel aus der Zeit als sehr viele Asteroiden miteinander kollidierten. Aus der wilden Phase der Planetenentstehung. Die „Überlebenden” dieser Ära bestehen vermutlich aus Bruchteilen verschiedener Körper, die recht locker zusammenhängen. Sozusagen fliegender Geröllhaufen. Die Bilder früher Asteroidenmissionen stützen diese Annahme.
Handelt es sich bei Phobos um einen eingefangenen Asteroiden? Es deutet vieles darauf hin, aber es gibt noch eine andere Möglichkeit. Der Marsmond könnte sich dennoch nach einem größeren Einschlag – ähnlich wie unser eigener Erdmond – aus den Trümmerteilen von Marsgestein formiert haben. Es gibt einige Hinweise darauf, dass auch der Mars einmal in ferner Vergangenheit schwer getroffen wurde. Wenn nicht sehr viel Material ausgeworfen wurde, reichte die Eigengravitation nicht für eine Verdichtung aus. Es würde sich immer noch um einen fliegenden Geröllhaufen handeln, der allerdings aus Marsgestein bestünde und nicht – wie im Fall des Asteroideneinfanges – aus urtümlicher Materie aus der Zeit vor der Planetenformation. Materie, die aus einem Planeten gerissen wurde, muss zumindest einmal aufgeschmolzen gewesen sein. In diesem Prozess, den größere Planeten durchlaufen, sinkt schweres Material ins Innere des Planeten und leichteres bleibt oben sozusagen „schwimmen”. In diesem Fall würde man Spuren dieses Schmelzprozesses finden bzw. bemerken, dass schwere Elemente fehlen. Anhand einer genauen Analyse des Phobosgesteins ließen sich beide Fälle unterscheiden.
Eine Bodenprobe würde also Aufschluss bringen. Genau das ist das Ziel der russischen Mission „Phobos Grunt”, der derzeit sicherlich ambitioniertesten russischen Weltraummission.
Bild: (Credits: Babakin Science and Research Space Center) Der russische Phoboslander.
Die Sonde soll bereits 2009 auf Phobos landen, eine Probe nehmen und diese wieder zurück zur Erde für eine genaue Analyse bringen. Tatsächlich dienten die Vorbeiflüge ausdrücklich zur Vorbereitung für diese Mission, denn nur Mars Express ist von allen bislang im Marsorbit befindlichen Sonden überhaupt in der Lage dazu, nahe genug heranzufliegen und gleichzeitig den Mond von allen Seiten zu fotografieren.
Das liegt an der sehr speziellen Bahn der europäischen Sonde. Diese ist sehr elliptisch und kreuzt die Phobosbahn.
Animation der Phobosbahn und der derzeit im Orbit befindlichen Marssonden:
Dadurch kann Mars Express als einzige Sonde die der Mars abgewandten Seite des Mondes kartieren. Denn Phobos ist genau wie der Erdmond durch Gezeitenkräfte so synchronisiert, dass er immer dem Mars die gleiche Seite zuwendet. Für MRO und Mars Odyssee ist daher immer nur eine Seite sichtbar, da sie innerhalb der Mondbahn den Mars umkreisen.
Diese abgewandte Seite ist aber genau das Landeziel der „Phobos Grunt”-Mission. Erst die Bilder von Mars Express ermöglichen es, ein Jahr im Voraus nach einer ungefährlichen aber gleichzeitig spannenden Landestelle zu suchen. Die Massebestimmung ist wiederum wichtig, damit die Forscher wissen, welche Massenanziehungskraft sie zu erwarten haben. Überschätzt man diese, dann trifft die Sonde den Marsmond nicht, unterschätzt man die Gravitationskraft, dann zerschellt die Sonde. Beides ist nicht wirklich günstig.
Bilder: (HRSC, DLR) Aufnahmen von Phobos aus verschiedenen Perspektiven.
P.S.: Ich bin gerade unterwegs und daher nur sporadisch am Computer.
Nachtrag: Ok, der Text ist ein bisschen holperig geworden und es haben sich gerade zum Schluss hin einige Schreibfehler eingeschlichen, die ich nachträglich versucht habe zu korrigieren. So etwas passiert halt, wenn man Texte spätabends und übermüdet im Hotelzimmer erstellt.
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