Unsere Sonne schwingt und klingt. Nur hören können wir es nicht, schließlich ist zwischen ihr und der Erde Vakuum. Auch wenn man seit “Star Trek” und vor allem “Star Wars” (Schallbomben im Weltall. Grrrr!) meinen könnte, dass es auch im Weltall *krach*,*bumm*, *bäng* macht. Macht es nicht. Aber wir immerhin können den “Klang der Sonne” sehen.
Denn Schwingungen der Sonne führen zu Fluktuationen in der Lichtstärke. Die dazugehörige astrophysikalische Disziplin heißt Helioseismologie. Helioseismologen beobachten – seitdem 1960 entdeckt wurde, dass die Sonne etwa alle 5 Minuten einmal im Takt schwingt (5-Minuten-Oszillation) – die winzigen regelmäßigen und unregelmäßigen Schwankungen des Sonnenlichtes.
Wobei ich den Begriff “Seismologie”, also Bebenkunde, nicht ganz treffend finde. Ein Beben ist eine lokale Erschütterung, ausgelöst durch die ruckartige Bewegung von Gesteinsschichten, von wo aus sich in alle Richtungen Wellen ausbreiten, die durch den gesamten Erdball laufen können. Im Fall der Helioseismologie schwingt aber gleich die ganze Sonne. Sie verhält sich eher wie ein angeschlagenes Kristallglas. Ein Beben wäre dagegen eher der Knacks im Glas.
Allerdings können richtig große Erdbeben, wie z.B. das Seebeben im Indischen Ozean 2004, das so vielen Menschen das Leben kostete, den gesamten Erdball zum Schwingen anregen. Andererseits können Schwingungen der Sonne vieles über den inneren Aufbau verraten, so wie auch Erdbeben uns das Innere unseres Planeten zugänglich machen.
Das lässt sich anhand des Gleichnisses mit dem Kristallglas ziemlich gut erklären. Wir können die Frequenz der Schwingung, die Tonhöhe verändern, indem wir das Glas füllen oder leeren. Es produziert je nach Wasserstand und Größe einen ganz spezifischen Ton, man kann damit sogar richtig gut Musik machen.
Was wäre nun, wenn wir das Glas nicht sehen, sondern nur hören könnten?
Dann könnten wir den ganzen Prozess umkehren und alleine anhand des Tons, der Reinheit und der Höhe, Aussagen darüber treffen, ob es ein gutes Kristallglas ist oder nicht, ob das Glas eher gefüllt ist oder nicht. Es ließe sich sogar prinzipiell bestimmen, wieviel Wasser im Glas drin ist.
Ähnlich funktioniert das auch bei der Helioseismologie. Obwohl wir nicht in die Sonne reinblicken und schon gar nicht reinfliegen können, sind wir in der Lage ins Innere zu horchen. Indem wir uns den “Herzschlag” der Sonne ansehen. Dieser gibt Aufschluss über die innere Zusammensetzung d.h. Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen und damit Druck, Temperatur und Dichteverteilung der Materie. Mit beeindruckender Genauigkeit.
Funktioniert das auch bei anderen Sternen?
Hier tritt nun die europäische Satellitenmission CoRoT auf den Plan, die schon ein paar Mal auf diesem Blog ein Thema war. Nicht zufällig übrigens, da ich selbst ein kleiner Teil der großen CoRoT-Community bin. Allerdings gehöre ich zum Exoplaneten-Teil der Gruppe. Ein weiteres Hauptziel der Mission ist allerdings die Astroseismologie. Tatsächlich sind die CCDs an Bord der Raumsonde zweigeteilt. Die Hälfte der Lichtdetektoren gehört den Planetenforschern, die möglichst viele Sterne gleichzeitig abdecken möchten, um viele Planeten zu finden. Die andere Hälfte gehört den Astroseismologen, die sich auf wenige helle Sterne am Himmel konzentrieren, weil man da die Schwingungen besser sehen sollte.
Und sie haben die Schwingungen ziemlich gut gesehen, wie man am 24. Oktober 2008 in der Science bewundern durfte.
Die detaillierte Analyse von drei sonnenähnlichen Sternen wurde vorgestellt und damit ein neues bislang verschlossenes Fenster in das Innere von fernen Sternen aufgestoßen.
Bild (CNES, David B. Guenther): Hier sind vier typische Schwingungen deutlich übertrieben dargestellt. Aber im Prinzip verhalten sich die Sterne tatsächlich so, wobei diese Oszillationen viel schwächer sind und sich gegenseitig verdecken.
So sehen übrigens die Corot-Daten aus. Aufgedröselt nach Frequenz der Schwingung und Stärke:
Bild: (LESIA): Helligkeitsschwankungen der einzelnen Sterne aufgezeichnet auf einem Halbleiterlichtdetektor, wie sie heutzutage in jeder normalen Kamera Anwendung findet (1), aufgetragen nach der Frequenz und der Stärke der Schwingung. Es handelt sich um die Oszillationen folgender Sterne a)HD49933, b) HD181420, c) HD181906.
Was die Forscher aus den Daten übrigens auch herausgezogen haben, ist die Granulation der drei Sterne. Ich möchte das mal ganz salopp als Kochtopfeffekt bezeichnen. Jeder kennt den Effekt eigentlich: Wenn Wasser kocht, dann brodelt es. Weil heißes Wasser nach oben steigt, dort abkühlt und wieder absinkt, während gleichzeitig heißes Wasser von unten wieder nachkommt. Man nennt so etwas in der Physik Konvektion und einen einzelnen geschlossenen Kreislauf dieser Art eine Konvektionszelle. Wir treffen diesen Effekt nicht nur in der Küche und auf der Sonne an, sondern so ziemlich überall, wo es eine Strömung von warmer und kalter Materie gibt.
Bild (Observatoire du Pic du Midi): Auf der Sonne können wir diese Kovenktionszellen als klar abgegrenzte Bereiche sehen, weil heiße Materie in diesem Fall heller leuchtet, das abkühlende und wieder absinkende Plasma dunkler erscheint. In Wahrheit ist das Zeug nicht wirklich dunkel. Es sieht hier nur so aus, weil man an der Helligkeit und am Kontrast drehen muss, um vor lauter gleißender Helligkeit überhaupt etwas zu sehen. Eine solche Zelle auf der Sonne hat einen Durchmesser von etwa 1000 km und hier wurde mal eben Europa maßstabsgetreu reingesetzt, um einen Eindruck von den Ausmaßen zu bekommen.
Im Großen und Ganzen sieht es also bei diesen drei Sternen ziemlich ähnlich aus, wie auf unserer Sonne. Es gibt allerdings auch deutlich Unterschiede. Zum einen sind die Sterne deutlich heißer, die Schwingungen sind etwa 50% und die Granulation gar dreimal so stark ausgeprägt, was bei einem heißeren brodelnderen Körper nicht allzu verwunderlich ist. Allerdings passen die gemessenen Werte nicht ganz zu denen, die man für so heiße Objekte erwartet hätte. D.h. die physikalische Beschreibung des Transports der heißen Materie in den äußeren Bereichen von Sternen des Typs der Sonne ist nicht völlig falsch, sie könnte aber besser sein. Anderseits hat sich dadurch wieder einmal bestätigt, dass die Sonne ein recht durchschnittlicher Stern ist und damit als Modellmechanismus fungieren kann. (2)
Das CoRoT-Paper ist ein gutes Beispiel dafür, wie in der modernen Wissenschaft alte Erkenntnisse bestätigt, neue geschaffen und gleichzeitig wieder neue Fragen aufgeworfen werden. Es gibt nirgendwo eine imaginäre Checkliste, wo die Sachen als “endgültig bewiesen” abgehakt und dann nie wieder angepackt werden. So funktioniert Wissenschaft einfach nicht. Deswegen war ich mehr als irritiert, als ich in einem Zeitungstext über die Farbstoffe von Herbstlaub den Satz “Das ist noch nicht abschließend bewiesen” las. So ein Schmarrn.
Zum Abschluss, da ich soviel über das Glasharfenspiel erzählt habe, hier ein passendes Video. Allerdings muss ich sagen, dass die hohen Töne schon recht gewöhnungsbedürftig sind. Mir klingen die Ohren.
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(1) Ich kann mich jetzt irren, aber ich meine mich zu erinnern, dass CCDs ursprünglich erst in der Naturwissenschaft insbesondere der Astronomie eingesetzt wurden und erst viel später in den Alltag in Form von schicken Digitalkameras wanderten. Was wiederum wegen der Massenproduktion dazu führte, dass die CCDs für Unis und Forschungseinrichtungen erschwinglicher wurden. Vielleicht kann da jemand was zur Geschichte beisteuern.
(2) Wobei ich hier eine Einschränkung einwerfen muss. Die Sonne ist ein Einzelstern; über die Hälfte aller Sterne in unserer Milchsterne sind allerdings Doppelsterne.
Bislang wurden vor allem extrasolare Planeten um Einzelsterne bzw. um solche Sterne gefunden, deren Begleiter sehr weit entfernt ist. Was vor allem daran liegt, dass Einzelsterne bei der Suche nach extrasolaren Planeten bevorzugt werden. Denn um diese lässt sich ein Planet leichter finden. Bei einem engeren Doppelsternsystem wird das schon schwieriger. Wenn sich denn Planeten in solchen Systemen bilden können. Das ist eine große Frage mit (noch) recht unterschiedlichen Möglichkeiten.
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E. Michel, A. Baglin, M. Auvergne, C. Catala, R. Samadi, F. Baudin, T. Appourchaux, C. Barban, W. W. Weiss, G. Berthomieu, P. Boumier, M.-A. Dupret, R. A. Garcia, M. Fridlund, R. Garrido, M.-J. Goupil, H. Kjeldsen, Y. Lebreton, B. Mosser, A. Grotsch-Noels, E. Janot-Pacheco, J. Provost, I. W. Roxburgh, A. Thoul, T. Toutain, D. Tiphene, S. Turck-Chieze, S. D. Vauclair, G. P. Vauclair, C. Aerts, G. Alecian, J. Ballot, S. Charpinet, A.-M. Hubert, F. Lignieres, P. Mathias, M. J. P. F. G. Monteiro, C. Neiner, E. Poretti, J. R. de Medeiros, I. Ribas, M. L. Rieutord, T. R. Cortes, K. Zwintz (2008). CoRoT Measures Solar-Like Oscillations and Granulation in Stars Hotter Than the Sun Science, 322 (5901), 558-560 DOI: 10.1126/science.1163004
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