Dann will ich mich mal auch an einer Buchrezension versuchen. Das Buch, das ich heute vorstellen möchte, ist der neue Pratchett.

Nein, es ist kein neues Scheibenwelt-Buch. Es handelt sich um Terry Pratchetts neuestes Kinderbuch (1) “Nation”. (Bislang nur auf Englisch und gebunden erhältlich.)

i-a3e3da85b01a6d1b360a35d66ac61706-Pratchett_nation-thumb-300x300.jpg

Wobei ich nach der Lektüre sagen muss, dass es für ganz junge Kinder nicht geeignet ist. Es ist schon eher etwas für die Teenager-Fraktion. Denn genau darum geht es: Teenager, auf dem Weg von der Kinder zu Erwachsenenwelt.

Für Mau und Ermintrude – die als sich die Chance ergibt, den Namen Daphne annimmt, weil ihr echter so bescheuert ist – beginnt die Reise in die Welt der Erwachsenen mit dem Untergang einer Welt. Maus Heimatinsel wird bei einem Sturm verwüstet und das ganze Dorf ausgelöscht. Zeitgleich erleidet Ermintrude/Daphne Schiffbruch und strandet als einzige Überlebende auf derselben Insel. Als die beiden zum ersten Mal zusammentreffen, kommt es zudem zum Clash der Kulturen. Daphne ist eine Vertreterin der sogenannten feinen zivilisierten englischen Gesellschaft des 19. Jarhunderts und Mau ist ein “Wilder”, der so gut wie nichts vom Leben außerhalb der Insel weiß. Er weiß noch nicht einmal, dass seine Heimatinsel, die bisher sein Leben von Horizont zu Horizont ausfüllte, so klein ist, dass sie nicht auf den offiziellen Karten auftaucht.

Aber die beiden sind alles, was sie zunächst haben und müssen lernen, zu überleben und Verantwortung für sich und andere zu tragen. Und da schont Pratchett seine Leser nicht ein bisschen.

Maus erste Handlung auf der Insel besteht darin, die toten, zerbrochenen Körper seiner Eltern, Geschwister, Freunde, Nachbarn, kurz von allen, die er je kannte und liebte, zu bergen und in der See zu bestatten. Das ist sicherlich eine der anrührendsten und gleichzeitig unheimlichsten Stellen des Buches. Insbesondere Maus Innenleben wird schonungslos offen gelegt: Er verdrängt die Bilder, um nicht daran zu zerbrechen und kämpft gleichzeitig mit den Schuldgefühlen, weil er als einziger überlebt hat. Er redet sich zwischendurch sogar ein, dass er es sein muss, der gestorben ist und als Geist durch das zerstörte Dorf irrt, unfähig am Leben teilzunehmen.

Wie gesagt, es ist kein Buch für sehr junge Kinder. Für Ältere und Erwachsene wird es dagegen ein Genuss sein, durch Mau und Daphne die Welt mit ganz neuen Augen zu sehen. Denn auch wenn die eine Welt untergegangen ist, so heißt das noch lange nicht, dass keine neue, vielleicht sogar bessere geschaffen werden kann.

Das Buch endet mit zwei sehr schönen Schlussnotizen des Autors, die ich Euch nicht vorenthalten möchte:

The great big multiple universes get-out-of-jail-free card:

This might look like a book set in the Pacific Ocean. Nothing could be further from the truth!!!!!(2) It is in fact set in a parallel universe, a phenomenon known only to advanced physicists and anyone who es ever watched any episode of an sf series, anywhere.

Am Schönsten finde ich aber diese letzten Sätze:

Thinking:
This book contains some. Wether you try it at home is up to you.

Genau wegen solcher Sätze liebe ich Terry Pratchetts Bücher.
———
(1) Es soll sogar “Harry Potter” in neutralem Einband geben, damit einige erwachsene Leser kaschieren können, dass sie ein Kinderbuch lesen. Völlig bescheuert. Nur weil ein Buch insbesondere für Kinder geschrieben wurde, heißt es noch lange nicht, dass es deswegen so trivial sein muss, dass Erwachsene sich geistig unterfordert fühlen müssen. So etwas können nur Leute denken, die Kinder für völlig bescheuert halten.

(2) Ja, die 5 Ausrufezeichen sind tatsächlich Absicht und stehen so drin. Richtig gute Schriftsteller persiflieren sich ab und an selbst 😉