Jürgen Schönstein von “Geograffittico” hat vor kurzem die Frage aufgeworfen, was ein Wissenschaftsjournalist mit folgender Meldung anfangen soll: Shifts to and from Daylight Saving Time and Incidence of Myocardial Infarction.
Nicht nur bei uns gingen die roten Fahnen hoch. Eine andere Wissenschaftsbloggerin hat sich ebenfalls des Artikels angenommen und bemängelt, dass die Interpretation der Autoren nicht wirklich von den Daten gestützt wird: So weit, so gut.
Aber hier haben die Autoren geantwortet bzw. bemängelt, dass eine Diskussion auf einem Blog ziemlich unfair wäre. Was wiederum von anderen Wissenschaftsbloggern aufgenommen wird.
Tja Janszky und Ljung. Willkommen in der neuen Welt, wo Euer Artikel auch schon mal außerhalb des geschützten Biotops eines wissenschaftlichen Fachjournals auseinandergenommen wird! Auf das auch mal Nichtwissenschaftler und Nicht-Abonnenten von Fachzeitschriften sehen, dass die richtigen wissenschaftliche Diskussionen erst nach der Peer Review beginnen, die zuallerst einmal ein Spam-Filter für groben Müll darstellt. Genau deswegen bloggen wir: Um den Elfenbeinturm transparenter zu machen.
Klar, der Elfenbeinturm was eine warme kuschlige Nische für so manchen, aber ich würde sagen, Ihr gewöhnt Euch dran, dass jetzt ein anderer Wind weht. Das Rad der Zeit lässt sich nicht mehr zurück drehen.
Witzig, dass es gerade diese Studie von Jürgen als Testfall ausersehen worden ist, als Reaktion auf Kritik an der medialen Verbreitung wissenschaftlicher Studien bei Zoon Politicon. Denn gerade hier zeigen sich auch beispielhaft die Chancen und Gefahren für den Wissenschaftsjournalismus von Seiten der Wissenschaftsweblogs.
Es wurde bereits vereinzelt in der deutschen Wissenschaftsblogosphäre bemängelt, dass Wissenschaftsblogs den etablierten Journalisten das Leben unnötig schwer machen. Wobei ich denke, dass diese Kritik unsinnig ist.
Erstens, die Weblogs kommen so oder so und ,zweitens, geht es am Kern der Sache vorbei. Das eigentliche Problem sind gar nicht die Blogs als Konkurrenz. Das eigentliche Problem ist, dass es auch ohne uns dem Wissenschaftsjournalismus ziemlich schlecht geht. Es fällt nur jetzt im Vergleich mit dem neuen Medium besonders krass auf.
In den Redaktionen hat sich scheinbar die “Geiz ist geil”-Mentalität breit gemacht und der wirtschaftliche Druck gerade auf einem der rechercheintensivsten Felder der Medienlandschaft führt dazu, dass zwangsläufig schlechte Produkte herauskommen. Mich beschleicht der Eindruck, in vielen Fällen wird aufgrund schlechter Kenntnis der Materie, ja der wissenschaftlichen Methodik gegenüber, und mangelnder Zeit für Recherche einfach die Pressemitteilung abgeschrieben. Dadurch wird Wissenschaftsjournalismus allerdings zur reinen Hofberichtserstattung degradiert. Was leider oft genug schief geht.
Solange es keine ernsthafte Konkurrenz gab, fiel das gar nicht mal so auf, dass den Leuten ein schlechtes Produkt serviert wurde. Jetzt mischen sich aber die Wissenschaftler und Studenten selbst ein und liefern die kritischeren und besseren Analysen ab. Wie eben zu dieser Arbeit mit den Herzinfarkten. Wozu soll also der Leser Geld für ein minderwertiges Produkt ausgeben, wenn er sich woanders besser und umsonst informieren kann?
Wissenschaftsjournalisten können sich nun in Selbstmitleid suhlen und in Bedeutungslosigkeit versinken oder aber die Chance ergreifen, die Weblogs für sie als Informations- und Diskussionsmedium bieten, um sich darauf zu besinnen, was Journalismus von Weblogs unterscheidet und sich vom PR-Junkietum zu lösen.
“Ganz nebenbei” sind Nachrichten und Informationen mehr als nur “ein weiteres Produkt”. Sie sind lebensnotwendig für unsere Form der Demokratie, die auf dem mündigen informierten Staatsbürger basiert. Wenn aber Information darin bestehen soll, Propaganda zu verbreiten oder Geschichten unabhängig vom Wahrheitsgehalt zu erzählen, dann war es das mit dem informierten Staatsbürger.
Deswegen erwarte ich von gutem Wissenschaftsjournalismus, gerade als jemand der monatlich dafür Geld ausgibt, kritische Distanz und fundierte Kenntnisse. Gerade die kritische Distanz kann ich als Wissenschaftler nicht immer bieten. Weil ich voreingenommen bin, was Wissenschaft betrifft – vor allem meiner eigenen gegenüber. Das ist nur menschlich. Aber gerade dieser menschliche Faktor macht die Stärke von Blogs und deren Erfolg aus.
Was soll dem gegenüber die Stärke und den Erfolg von Wissenschaftsjournalismus ausmachen? Und was seid Ihr bereit, dafür zu tun und zu investieren?
Auch und gerade als reiner Konsument von Wissenschaftsnachrichten. Denn Qualität hat auch hier seinen Preis. Wundert Euch also nicht, wenn Müll rauskommt, wenn Ihr nichts investiert.
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