Da hat mich BA aber ganz schön aufgescheucht. In Rumänien wird Evolution aus den Schulbüchern verbannt? Wie? Was? Wo?
Nun bin ich ja Halbrumänin und als solche konnte ich es dabei nicht bewenden lassen. Es wunderte mich zunächst, dass sich die Meldung auf einen Artikel in Macedonia-Online stützte.
Nur mal so als kurzer Hinweis. Würdet Ihr Euch über das deutsche Schulsystem mittels einer belgischen Onlinezeitung informieren? Irgendwie nicht, oder?
Dazu kommt, dass Cristian Adomniţei, der ehemalige rumänische Bildungsminister, der mit den folgenden Worten zitiert wird, seit dem 7. Oktober kein Bildungsminister mehr ist:
But the Minister of Education, Cristian Adomnitei, argues that biology is taught within the context of evolution. “This subject can be found implicitly from middle school to high-school,” the Minister tells The Diplomat. “Do you think that the studies about the world where we live, its evolution or genetics can ignore the evolution theory? This is impossible.”
Wie dieser englische Text einer rumänischen Tageszeitung erkennen lässt, war aber nicht die “Verbannung der Evolution” der Anlass für seinen Rücktritt. Vielmehr scheint es so zu sein, dass Herr Adomnitei Lehrern eine saftige Gehaltserhöhung von bis zu 50% versprochen hat, die aber nicht zu finanzieren war. Weswegen die Lehrer sich zu Recht betrogen fühlten und lautstark protestieren. (So interpretiere ich das jetzt. Mein Rumänisch ist ziemlich eingerostet, vielleicht kann der eine oder andere meine Interpretation bestätigen oder korrigieren.) Es kam wohl auch nicht so gut, dass Herr Adomnitei für scheinbar private Zwecke auf Staatskosten Helikopter flog. Jedenfalls schien dieser Vorwurf erhoben worden zu sein.
Zurück zu der Evolutionsgeschichte im Schulunterricht. Tatsächlich scheint es in der Hinsicht eine Kontroverse gegeben zu haben. Die Evolution wurde als eigener Unterrichtsgegenstand in der Oberstufe ersatzlos gestrichen. Das ist übrigens auch so ein Baustein. Es ging, so weit ich das überblicken kann, bei der “Streichung von Darwin” um den Lehrplan der 12. Klasse, der Abschlussklasse.
Natürlich wird über Evolution geredet. Nur wird eben nicht mehr in der 12. Klasse explizit darüber geredet, wie Darwin eigentlich zu seinen Ideen kam und wie sich diese durchsetzten. Das ist natürlich sehr schade und senkt die Qualität des Unterrichts erheblich, wenn den Kürzungen ausgerechnet die explizite Behandlung eines der Kernelemente moderner Biologie in der Oberstufe zum Opfer fiel. Aber selbst der Macedonia-Online-Artikel behauptet nicht, dass daneben oder gar anstelle dessen Kreationismus gelehrt wird.
Gleichzeitig ging es bei der Reform der Lehrpläne auch um den Philosophie-Unterricht in der 12. Klasse und inwiefern das Thema “Gott”, da wohl eine Rolle spielen sollte. Zudem wurde über den verbindlichen Religionsunterricht debattiert.
Das muss aber nicht unbedingt mit der Kürzung des Biologieunterrichtes zusammenhängen, nur weil es gleichzeitig ein Thema war. Wie war das noch mal mit Korrelation und Kausation? Ich glaube auch nicht, dass es zusammen hängt. Dazu muss man das kulturelle Umfeld bedenken und die Situation in Rumänien ist in keinster Weise mit der in Amerika vergleichbar, wo mächtige fundamentalistisch-christliche Kräfte versuchen, einen Fuß in die Tür des Naturkunde-Unterrichts zu bekommen.
Die rumänischen Kirchen halten sich aus dem Schulbetrieb völlig raus. Die rumänisch-orthodoxe Kirche ist – von wenigen Ausnahmen abgesehen – kein Hort von Kreationisten und IDlern. Die Tatsache, dass echte rumänische Kreationisten auch gegen die Lehrpläne protestieren, zeigt, dass von einer Durchdringung des biologischen Schulunterrichts durch Religion wohl kaum die Rede sein kann. Peinlich: Habe ich völlig falsch interpretiert. Bei dem offenen Brief handelt es sich um das Schreiben von der kreationistischen AFR (Allianz der Familien in Rumänien) und die greifen die SPLC an (Solidarität für die Freiheit des Gewissens), die – völlig zu Recht – gegen die Beschneidung des Lehrplans protestierten. (Deutsche Google-Übesetzung). Der ganze Text der AFR ist ein Hasspamphlet, indem der so genannte “Darwinismus” – was für ein Unwort – für alles Mögliche verantwortlich gemacht wird. Z.B. für den Kommunismus. Kennt man ja aus den USA und auch von unseren deutschen Kreationisten. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass der Schrieb wirklich vom Bildungsministerium Ernst genommen wird. Oder? (Mulţumesc, Donjoe!/ Danke an Donjoe, der mich auf meinen Übersetzungsfehler hinwies. Mein Rumänisch ist anscheinend schlechter als ich dachte.)
Unbestritten ist auch, dass Rumänen vergleichsweise fromm sind und gerade in ländlichen Gebieten Aberglaube noch stark verbreitet ist. Man muss nur einmal mit dem Bus durch Bukarest fahren. Wenn sich während der Fahrt auf einmal einige Leute dreimal hintereinander bekreuzen, dann sollte man mal aus dem Fenster schauen: Dann fährt der Bus gerade an einer Kirche vorbei. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass diese Frömmigkeit wissenschaftsfeindlich ist. Im Gegenteil. Akademiker scheinen dort eher zu sehr als zu wenig verehrt zu werden.
Es mag für Amerikaner völlig undenkbar zu sein, aber wir haben in Deutschland auch seit Jahrzehnten verbindlichen Religions-/Ethikunterricht, ohne dass aus uns ein Gottesstaat geworden ist. Dass rumänische Schüler im Religionsunterricht natürlich den christlichen Schöpfungsmythos kennen lernen. Geschenkt!
Irgendwie hat auch Adomniţei Recht, zumindest sofern er richtig zitiert wurde, ich kann die Originalquelle nicht finden. Die Biologie macht nur im Lichte der Evolution wirklich Sinn. Das werden ja wohl auch die Schüler so sehen und die Biologielehrer sehen das erst Recht so.
Zu behaupten, dass der damalige Bildungsminister dem Kreationismus zugearbeitet hat, scheint mir jedenfalls völlig übertrieben.
Nachtrag: Natürlich ist der Eingriff in den Stundenplan eine deutliche Beschneidung der Qualität der Lehre und wird sich auf lange Sicht rächen. Aber dennoch scheint Rumänien – zumindest derzeit – weit davon entfernt zu sein, den Kreationismus in die Lehrpläne aufzunehmen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die europäische Gemeinschaft so etwas dulden würde.
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