Was muss ich heute in einer der letzten NASA-Pressemitteilungen lesen?
Seid Ihr da wirklich, wirklich sicher?
Die Kollegen auf Mars Express haben mit dem Instrument PFS bereits vor 5 Jahren diese Entdeckung gemacht und haben es am 28. Oktober 2004 im renommierten Magazin Science veröffentlicht.
Warum tut die NASA-PR-Abteilung so, als ob die Entdeckung von Methan im Jahr 2009 etwas völlig Neues wäre? Ganz abgesehen davon, dass die Pressemitteilung so völlig am eigentlichen Thema vorbei geht, dass sie auch der Arbeit der eigenen Forscher nicht gerecht wird. (Science Express Publikation)
Das ist das eigentlich Spannende an dem Artikel:
Bild: (Nasa, Anklicken für Großansicht.) In Rot eine Methanwolke im Marssommer 2003. Die Beschriftung Elysium Mons ist von mir, damit man mittels Google Mars nachvollziehen kann, wo die Wolke ist. Ungefähr über Arabia Terra.)
Die Auswertung der Beobachtungen aus den Jahren 2003 – heute zeigt, dass man ab und an richtige Methanwolken sieht und das immer nur in bestimmten Regionen und Jahreszeiten. Jeweils im Nordsommer bzw. Südfrühling – also wenn es wärmer ist bzw. wird.
Das wirft natürlich wieder die Fragen auf, die bereits 2004 aufgeworfen wurden:
Ensteht das Methan durch Marsbakterien, Marsvulkane oder noch was anderes?
Bevor die Kamera HRSC an Bord von Mars Express die Arbeit aufnahm, nahm man an, dass Mars geologisch lange tot wäre. Dieses Bild hat sich relativiert.
Bild: (DLR, HRSC) Vulkanische Region am Nordpol, die Zeichen von recht junger Aktivität zeigt.
Es sieht fast so aus, als ob doch nicht alle vulkanische Quellen versiegt sind. Allerdings warum sollten dann Vulkane ausgerechnet im Sommer bzw. Frühling ausbrechen? Und warum findet man neben Methan auch immer Wasserdampf? Warum sollten also gerade schneebedeckte Vulkane Methan ausstoßen und die anderen nicht? Andererseits hat man bei weitem noch nicht genügend Datenpunkte, um Vulkanismus völlig auszuschließen. Aber etwas seltsam ist es schon.
Denn dann würde sich die spannende Schlussfolgerung aufdrängen, die auch Momma und co diskutieren. Entweder handelt es sich um noch lebende unterirdische Marsmikroben an warmen vulkanischen Quellen mit flüssigem Wasser in der Nähe oder in Tundraböden (1). Oder aber es handelt sich bei dem Methan sozusagen um gasförmige Fossilien. Methanhydrat auf der Erde ist ja auch vermutlich biologischen Ursprungs, die Bakterien, die dieses Methan hergestellt haben, sind dennoch seit langem tot.
So oder so. Diese Quellen für Marsmethan wären extrem spannende Erkundungsfelder für zukünftige Marslandemissionen oder sogar für die ersten Menschen auf dem Mars.
Jetzt kommen wir mal zu der Sache mit dem kleinen aber feinen Wort: Entdeckung.
Es gibt auch ein Video zu dem Thema, das ganz gut ist.
Allerdings sagt hier Michael Mumma wortwörtlich – ähnlich wie es in der unsäglichen Pressemitteilung steht – “our team has discovered methane of Mars”.
Wenn man mal genauer drüber nachdenkt, ist es schon seeehr seltsam. Es handelt sich ja hier unter anderem um Messungen aus dem Jahr 2003, also um Messungen, die vor der Bekanntgabe der Entdeckung von PFS gemacht wurden.
Im Science Express Paper findet man auch folgende Referenz zu den Methanentdeckungen: M. J. Mumma et al., Bull. Am. Astron. Soc. 35, 937 (2003). Ich kann den entsprechenden Artikel aber nirgendwo hier finden und selbst wenn. Eine besonders tolle Publikation ist dieses Bulletin nicht und so weit ich weiß auch nicht peer reviewed.
Will Herr Mumma sagen, dass er 2003 vor Formisano die bahnbrechende Entdeckung von Methan auf dem Mars im “Bulletin of the American Astronomical Society” verwurstet hat?
Also entweder trauten die ihren eigenen Daten nicht oder aber die Messungen waren mit den damaligen Auswertemethoden noch nicht gut genug, für eine verlässliche Aussage. In jedem Fall gebührt die Ehre der Entdeckung dem Team von Vittorio Formisano, dem PFS-Hauptexperimentator aus Rom. Jetzt 5 Jahre später anzukommen und zu sagen “Ach übrigens wir waren doch die ersten, haben uns aber nicht getraut das Maul weit aufzureißen” das zählt nicht.
Ich finde es ziemlich schäbig, wie die NASA und Herr Mumma in der Öffentlichkeitsarbeit die europäische Arbeit unter den Teppich kehren. Es ist unkollegial und unseriös. Insbesondere weil sie es gerade mit dieser Arbeit absolut nicht nötig haben, sich auf Kosten anderer Leute zu profilieren. Denn ganz abgesehen von diesem PR-Hickhack bin schwer beeindruckt, dass so eine Messung von der Erde aus überhaupt möglich ist und die Ergebnisse finde ich auch gut und spannend.
Übrigens ist in Spiegel Online ein sehr guter Artikel dazu von Holger Dambeck zu lesen, der eigentlich meist ziemlich kompetent schreibt und der sich hier auch an dem Science Express Artikel orientiert und die Messungen von Mars Express miteinbezieht. Genau das macht guten Wissenschaftsjournalismus aus. Das muss man auch mal hervorheben. Bei SpON werden nicht nur stumpf Pressemitteilungen abgeschrieben.
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(1) Es gibt auch kälteliebende Mikroben und sogar Würmer in Gletschereis. Selbst Methanhydrat ist von Methaneiswürmern bewohnt. Ich war baff erstaunt, als ich auf Discovery Channel diesen sich windenden Wurm im Eis sah, der die Kälte sogar zum Leben braucht. Wahnsinn, was das Leben sich alles für Nischen erobert, wenn der Prozess mal in Gang gekommen ist.
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Nachtrag:
Die Leute fallen drauf rein. Auf dem FAZ-Blog Planckton versteigt sich sogar der Autor zu der Aussage: Trotzdem dürfte Dank Mumma (und europäischen Forschern, die mit der Sonde Mars Express den Methanfund qualitativ bestätigt haben)
WAS? Formisano als Handlanger von Mumma?
Das Nature-Blog “Great Beyond” titelt gar “Methane on Mars = news on Earth”.
Grrrrr. FAIL.
(Argent23, ist doch ok, wenn ich Dein Bild klaue, oder?)
Nachtrag zum Nachtrag:
Argent23 hat mich gerade auf den Liveblog von Carl Zimmer zur NASA-Pressekonferenz aufmerksam gemacht.
Da habe ich tatsächlich meine Vermutung bestätigt bekommen:
2:21 Mumma is explaining some of the backstory-first reports of observations were in 2003. We knew we had methane since late 2003, he says. But they’ve been working to make the data “unassailable.” We’ll see…
Aha, die hatten die Daten 2003, aber sie arbeiteten noch daran diese “unanfechtbar” zu machen. Genau so wie ich es vermutet habe. Die haben damals den Daten nicht ganz getraut und versuchen jetzt die Geschichte umzuschreiben.
Tja, Jungs. Pech gehabt. Wenn Euch eine andere Gruppe mit besseren Daten zuvorkommt, ist das noch lange kein Grund die schlechten Verlierer zu spielen oder so zu tun, als hätte es die Methanmessungen von Mars Express im Jahr 2004 nie gegeben. Das, was die NASA und Herr Mumma hier veranstalten, haben die Kollegen von PFS und allen voran Vittorio Formisano nicht verdient.
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