Erst war ich ganz angetan von der Wochenendausgabe des Kölner Stadtanzeigers.
Bis ich auf diese unkritische Lobhudelei der Autorin Miriam Betancourt über Homöopathie allgemein und Veronica Carstens im speziellen stieß: “First Lady der Homöopathie“.
Vorneweg mal ein Statement. Ich bin mehr als willig zu akzeptieren, dass der Placeboeffekt seine Berechtigung hat z.B. bei chronischen Schmerzen und als Seelentröster. Ich denke aber nicht, dass Homöopathie ein Monopol darauf hat. Nichts anderes ist Homöopathie. Ein Placebo.
Mir reicht es bereits aus, dass es absolut unlogisch ist, zu behaupten, dass sich Wasser selektiv an Opium oder Arsen oder meinetwegen auch an Hundekot erinnert, aber nur wenn man ihm gut zuredet oder sonst einen magischen Bohei drum veranstaltet. Warum erinnert sich das Wasser in meinem Wasserhahn nicht an die Substanzen, mit denen es vorher in Berührung gekommen ist? Warum funktionieren dann Klärwerke? Nach der “Logik” der Homöopathie sollte das Wasser noch dreckiger werden, wenn es geklärt wird.
Homöopathie widerspricht so ziemlich allem, was wir über Atome und Moleküle und ja auch über Quantenphysik wissen.
Und nein, es ist nicht dogmatisch nicht auf alles anzuspringen, woran Leute glauben. Ich verwende lieber Ockhams Rasiermesser und verwerfe die phantastischen und widersprüchlichen Erklärungen, solange mir nicht ein wirklich guter überzeugender objektiver Beleg unterkommt, der durch nichts anderes erklärt werden kann.
Stattdessen versprechen das mit dem wissenschaftlichen Nachweis die Homöopathen jetzt schon seit 200 Jahren. Komisch, oder? (Für eine umfassende medizinisch-wissenschaftliche Behandlung zum Thema empfehle ich den Blog “Sciencebased Medicine” )
Zurück zum Artikel: Auch Kritiker wurden erwähnt im speziellen Otto Prokop. In dem Artikel heißt es:
Die Menschen lieben sie für ihr Engagement, vom medizinischen Establishment kommt ihr teilweise blanker Hass entgegen – etwa in der Anfang der 1990er Jahre live ausgestrahlten ARD-Talkshow „Veranda”. Der damals schon emeritierte Professor der Berliner Charité galt als schlimmster Gegner der Alternativmedizin”, erinnert sich Henning Albrecht, Geschäftsführer der Stiftung: „Es folgte eine Litanei von Schmähungen, die unsere Gründerin mit wissenschaftlichen Erkenntnissen konterte, die die damals schon – wenn auch wenigen – Studien gezeigt hatten.” Der Funke im Pulverfass müsse das Buch über Grundlagenforschung in der Homöopathie gewesen sein, dass Carstens in die Kamera hielt. Albrecht: „Daraufhin explodierte Prokop, sprang auf und wollte seine Debatten-Gegnerin ohrfeigen. Sie antwortete jedoch ganz ruhig: ‘Schlagen Sie nur zu!’ Dazu kam es aber nicht, da sich der Moderator dazwischen stellte. Für uns war es ein großer Erfolg, denn die Stiftung bekam daraufhin viele neue Unterstützer.”
Herr Prokop verstarb am 20.Januar 2009 sonst hätte ich versucht, ihm eine Email zu schreiben. Ich habe derzeit auch wenig Zeit, aber vielleicht kennt jemand zufälligerweise die fragliche Sendung und kann was zu sagen?
Prokop wird als streitbar bezeichnet, aber wollte er wirklich Frau Carstens vor laufender Kamera schlagen? Ist es ein Zufall, dass nur wenige Tage nach Prokops Tod diese Behauptung in einer deutschen Tageszeitung aufgestellt wird?
Schon die Behauptung “mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die angeblich “damals schon” vorlagen, ist zweifelhaft.
Das hier hat die ZDF aus ihrer Mediathek entfernt und sah sich “gezwungen” einen Kommentar abzugeben:
“Es wird darauf hingewiesen, dass bei den gezeigten Therapien das Hauptproblem der fehlende naturwissenschaftliche Nachweis ihrer Wirksamkeit sei, gleichwohl aber nicht bestritten werde, dass es dennoch zu Heilerfolgen nach einer Alternativtherapie kommen könne.”
*Verächtlich schnaub*Wissenschaftliche Erkenntnisse, die vor Gericht ausgehandelt werden müssen, oder was?
Selbst Anhänger geben zu, dass das mit den “wissenschaftlichen Erkenntnissen” nicht so einfach ist:
Die Wirksamkeit etwa von homöopathischen Mitteln lässt sich bislang nur schwer nach den strengen Kriterien beurteilen, die bei klassischen Therapien üblich sind. (Quelle)
Darüber berichtete letztes Jahr Christian von “Frischer Wind” im Rahmen der Einrichtung einer Homöopathie-Professur an der Berliner Charite, gestiftet von der Karl- und Veronica-Carstens-Stiftung.
Na, so weit her kann es mit den “wissenschaftlichen Erkenntnissen” jedenfalls damals nicht gewesen sein, wenn sie sogar heute 10 Jahre nach dem angeblichen Eklat damit Schwierigkeiten haben.
Die einzigen wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf die ich den letzten Jahre zu dem Thema gestoßen sind, lassen sich wie folgt zusammen fassen:
Methodisch schwache Studien finden ab und an einen Effekt, der oft noch nicht mal besonders groß ist und der mit schöner Regelmäßigkeit bei genauerem Hinsehen und besseren Studien verschwindet. Und wenn mal eine gute Studie was findet, lässt es sich nicht reproduzieren. Das wäre normalerweise der Tod einer jedes wissenschaftlichen Hypothese -sofern sie nicht ideologisch aufgeladen ist und deswegen genügend Anhänger hat, die ein “Nein” nicht akzeptieren.
Homöopathen versuchen stattdessen, eine Art “Parallel”-Wissenschaft zu etablieren, in der es nur eine Regel zu geben scheint: “Homöopathie wirkt”. Denn wenn die Studien das nicht zeigen, dann ist halt die Methodik falsch und dann ändert man die Regeln des Spiels. Nur diesem Zweck dienen Homöopathie-Professuren und eigene “Fachzeitschriften”. Keinesfalls darf angezweifelt werden, dass bereits die Arbeitshypothese “Homöopathie ist kein Placebo” falsch sein könnte. Weil einfach nicht sein kann, was nicht sein darf.
P.S.: Mein Blog ist trollfreie Zone. Seid also nett. Wer anfängt rumzupöbeln, fliegt nach einer Verwarnung raus. Ad-hominems sind nicht gerne gesehen.
Ach, und jeder Diskutant ist gut beraten, sich den “Skeptics Guide to the Universe” zu Herzen zu nehmen.
Ich bin gespannt, was ich mir da wieder aufhalse 😉
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