Dann mal die Fortsetzung der Gedanken eines schreibenden Wissenschaftlers.
5. Latex oder Office?
Da wurde ich doch letztens gefragt, womit ich denn schreibe? Office (Windows oder OpenOffice) oder Latex? Für 90% der Naturwissenschaftler gilt: Nur Latex ist das Wahre. Nein, das heißt nicht, dass wir in Lack und Leder am Schreibtisch sitzen. (Ja, ich weiß Kalauer ;-))
Latex ist die wissenschaftliche Textformatierungssoftware. Zum Schreiben reicht eigentlich ein beliebiger Texteditor und muss man nur noch mit einem beliebigen Latex-Paket (auch erhältlich für Windows) kompilieren. Man muss halt “nur” die ganzen Textformatierungsbefehle lernen. Das sollte aber für Leute mit Programmiererfahrung kein Problem sein und Handbücher und Beispieldateien gibt es nun wirklich viele. Ansonsten gibt es auch ausgefeiltere Latex-Editoren wie Lyx und Winedt, die eher auf WYSIWYG setzen. Damit können auch blutige Anfänger texen, ohne Befehle auswendig zu lernen. Ich geb zu, ich bin daher eher Purist.
Besonders nett im Rahmen von Latex ist die Handhabung des Literaturverzeichnis mit Bibtex. Man braucht letztendlich nur eine Datei, um seine ganzen Referenzen für alle Paper, die man jemals schreiben möchte, zu verwalten. Wer einmal die Referenzliste per Hand eingepflegt hat, wird das zu schätzen wissen.
Ein bisschen nervig ist die Handhabung von Grafiken, die gerne von Latex irgendwo hin geschoben werden und die etwas kruden Fehlermeldungen, wenn mal irgendwo ein Fehler drinsteckt.
Tatsächlich nehmen einige Fachzeitschriften sogar nur getexte Aufsätze und liefern die zu verwendenden Latexmakropakete gleich mit.
Wer es nicht so mit dem Programmieren hat, ist vermutlich mit Office und einem zusätzlichen Plugin, um Formeln darzustellen, gut bedient. Sieht zwar nicht so schön aus, aber man kriegt ohne große Einarbeitung ein annehmbares Ergebnis hin.
6. Womit macht man die Bilder?
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte und auch dafür gibt es eine ganze Reihe von Software-Paketen, die schon wieder eher Programmiersprachen, denn reine Zeichenprogamme sind. Die verbreitesten in meinem Fachbereich sind Mathematica, Matlab und bei Astronomen sehr begehrt IDL. Mächtige Rechenprogramme, die das Ergebnis oder Zwischenergebnis sofort plotten können und mit denen man auch ausgefeiltere Diagramme erstellen kann. Nachteil: Die Pakete sind schweineteuer und von Mathematica bin ich abgerückt, weil ich jedes verdammte Jahr über die Uni einen neuen Freischaltcode für meine Laptopversion bestellen musste und das regelmäßig über einen Monat dauerte, bis ich den dann auch endlich bekam. Unakzeptabel.
Und jetzt kommen wir zu einem der wichtigsten und umstrittensten Punkte.
7. Wer gehört mit auf die Autorenliste?
Zuallererst sollte der stehen, der den Aufsatz letztendlich schreibt. Oder? Denkste! So sollte es zwar sein und ist es auch in der Mehrheit der Fälle, ich habe aber schon gehört, dass einige Professoren immer sich als Erstautoren für jedes einzelne Paper der Arbeitsgruppe ansetzen. Auch wenn es in Wahrheit der Doktorand oder Postdoc schreibt. Ich persönlich halte das nicht nur für unredlich, sondern sogar regelrecht für betrügerisch.
Desweiteren sollte als Co-Autor jeder auf der Liste stehen, der einen wichtigen Beitrag zum Fachaufsatz geleistet hat. Bei theoretischen Arbeiten ist das meist eine recht überschaubare Gruppe, aber wenn es z.B. um die Auswertung der Daten von Teilchenbeschleunigern geht, dann hat man auf einmal hundert Leute als Co-Autoren da stehen. Und gleichzeitig sehr viel Konfliktpotenzial. Wer kommt drauf, wer nicht? Ist der Beitrag überhaupt gut genug? Usw. usf.
Weil hinter jeder einzelnen Detektorkomponente, die einen Teil der Daten dazu gesteuert hat, gleich eine ganze Gruppe von Leuten steht. Desweiteren stehen oft auch wissenschaftliche Techniker drauf, die Jahre ihres Lebens dafür opfern, dass die Detektoren überhaupt laufen. An dieser Stelle könnte man sich schon zanken, ob die Hardwarespezialisten drauf gehören. Andererseits sind Veröffentlichungen die harte Währung eines Forscherlebens. Und man sollte diese Forscher nicht vernachlässigen, nur weil sie einen Weg eingeschlagen haben, der indirekt wissenschaftliche Ergebnisse liefert. Oft aber ist auch die Unterscheidung Software-/Hardware-Spezialist schwammig. Wen fragt man, wenn man irgendwas Komisches in den Daten sieht, zuallererst? Den Hardware-Spezialisten! Also gehört er dann doch zu Recht auf das Paper, wenn sich raustellt, dass das Komische doch kein Effekt der Apparatur ist.
Wenn man schließlich all die Leute zusammen hat, die in irgendeiner Form zu dem Thema beigetragen haben, dann fängt die Organisation an. Aufgaben verteilen, Beiträge sammeln und den Aufsatz rumreichen, damit jeder seinen Senf dazu geben kann.
Beim DESY in Hamburg, wo ich oft im Rahmen meiner Diplomarbeit war, lief das etwa wie folgt ab:
Der Hauptautor lieferte einen groben Entwurf und ließ sich von jeder Arbeitsgruppe jeweils einen Ansprechpartner zuteilen, der Daten, Grafiken und Textteile beisteuerte. Als der Text halbwegs festgeklopft war, trafen sich die Leute am DESY, schlossen sich ein und feilten eine Woche lange ein paar Stunden an der Veröffentlichung: Satz für Satz. Kein Witz! Bei einer so großen Gruppe ist das die einzige Möglichkeit.
Bei kleineren Gruppen, die durchaus über die Welt zerstreut sein können, schickt man das Paper per Email hin- und her und bespricht es zwischendurch bei den unvermeidlichen Meetings und Konferenzen. Das kann beliebig nervig werden. Vollends skurril wird es, wenn ein amerikanischer Co-Autor das Englisch eines anderen amerikanischen Co-Autoren korrigiert oder ein Kollege mit dem Kommentar “Minimize ink, maximize scientifc value” fordert, die Umrandung in der Legende in einem Diagramm zu entfernen. Davon berichtete letztens genervt eine andere Kollegin.
Aber irgendwann hat man es geschafft. Das Paper ist fertig, um es einzureichen.
Und dann geht der Spaß erst richtig los 😉
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