Die Causa Hans-Georg Bögner steht stellvertretend für den Umgang mit gefälschten Titeln.

Hans-Georg Bögner ist Kulturpolitiker in Köln und Geschäftsführer der Kulturstiftung der Sparkasse Köln-Bonn. Es wird kolportiert, dass Herr Bögner seinen Doktortitel nicht nur in seinen Pass eintragen ließ, sondern sich in Sitzungen gerne mit Doktor anreden ließ.

Nun stellte sich heraus, dass den Titel, mit dem er sich so gerne schmückte, unter dubiosen Umständen erworben wurde.Ein „Dr”. Bodo Z. , der schon selbst seinen Titel fälschte und ein einschlägig vorbestrafter Titelhändler ist, soll in den Fall verwickelt sein.

Herr Bögner sieht sich als armes Opfer und teilte per Anwalt mit: Er habe „seiner Überzeugung nach eine über 200 Seiten umfassende Dissertationsschrift dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Hamburg vorgelegt”.

Allerdings räumt er eine Mitarbeit mit dem im Jahr 2008 verurteilten Titelbetrügers ein: Am 30. Juni 2000 hat Bögner seinem Anwalt zufolge umgerechnet rund 2500 Euro an Z. gezahlt, für den Druck der Doktorarbeit und sonstigem organisatorischen Aufwand.

Also na ja. 2500 Euro für den Druck und “organisatorischen Aufwand”? Hat der die Arbeit auf Goldpapier drucken lassen oder was? Andererseits kommen mir 2500 Euro für eine 200 Seiten umfassende Doktorarbeit schon arg billig vor.

Übrigens scheint der Arbeitgeber noch zu Bögner zu halten: . Für den Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Köln-Bonn, Artur Grzesiek, „sind Menschen und deren Leistung wichtig, und weniger die Titel”, so ein Sprecher.

Komisch, denn das sah Bögner irgendwie anders. Denn wieso meinte er wohl, seinem “Glück” nachhelfen zu müssen. Es scheint doch so zu sein, als ob der Doktortitel einem Menschen eine gewisse Aura verleiht. Schließlich hat man damit idealerweise bewiesen, dass man selbständig denken und ein komplexes Thema bearbeiten kann. Soweit so gut.

Wenn sich jemand ständig in dieser Aura sonnt und sich hinterher noch herausstellt, dass diese unrechtmäßig erworben wurde – dann macht das nichts? Dann ist alles gut? Heiapopeia?

Desweiteren muss man mal folgendes bedenken: Da wurde letztens eine Kassiererin gefeuert, wegen der Unterschlagung von Pfandgeld. Das wurde vor Gericht bestätigt, weil es dem Arbeitgeber – auch wenn die Summe nichtig erscheinen mag – es nicht zuzumuten sei, die Frau weiter zu beschäftigen. Wegen des Vertrauensverlustes.

Ok, die Begründung kann ich sogar halbwegs nachvollziehen. Wenn die Frau denn wirklich Geld unterschlagen hat.

Und hier hat sich jemand, der über viel höhere Mittel verfügt, anscheinend mit einem Betrüger eingelassen, spielt jetzt das arme Opfer und das ist dann kein Vertrauensbruch? Moralisch gesehen ist das ein Armutszeugnis, wenn man mal die beiden Fälle gegeneinander hält und völlig unverhältnismäßig. Natürlich kann man juristisch niemanden zwingen, jemanden zu entlassen, aber die Geschichte wirft ein schlechtes LIcht auf die Sparkasse: “Man muss nur dicke mit den Oberen sein, dann kommst Du auch mit Betrug durch.”

Irgendwie beschleicht mich bei solchen Fällen der Eindruck, dass manche Menschen Titelbetrug als “opferloses” Verbrechen ansehen. Das sehe ich allerdings ganz anders. Es gibt für jeden Titelbetrug ganz viele Opfer: Jeden einzelnen kleinen Doktoranden, der im Schweiße seines Angesichtes und ehrlich an seiner Doktorarbeit verzweifelt, hat der Betrüger verhöhnt. Und billig war es auch noch: 2500 Euro kriegt man schon irgendwie zusammen.

Quelle: Kölner Stadtanzeiger.

Kommentare (12)

  1. #1 Christian Reinboth
    März 2, 2009

    Den SPD-Oberen in Köln kennen die peinliche Story von Bögners falschem Titel nun inzwischen schon seit fast zwei Wochen, ohne dass irgendwelche Konsequenzen daraus gezogen worden wären. Den Professoren-Titel vom Kölner “Institut für Kulturmanagement”, das er quasi selbst gegründet hat(!), führt Bögner übrigens weiterhin:

    https://www.express.de/nachrichten/region/koeln/spd-politiker-laesst-doktortitel-streichen_artikel_1234246355003.html

    Den Titel findet man auch immer noch auf der SPD-Webseite:

    https://www.koelnspd.de/nc/spezial/person/?person_id=15&window=large

    ebenso wie auf der Webseite der Kölner Ratsfraktion:

    https://www.stadt-koeln.de/1/stadtrat/ratsmitglieder/spd/01428/

    So kommt man mit ein wenig Kleingeld (Titelkauf, Stiftung für neues Institut) zu zwei akademischen Titeln, für die normale Menschen wirklich hart arbeiten müssen. Im Rat der Stadt bleibt Bögner offenbar weiterhin, ebenso wie auch kulturpolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion – und angesichts der Tatsache, dass er in dieser Funktion für Kultur und Bildung zuständig ist, ist das nun wirklich der blanke Hohn. Und da auch die Sparkasse scheinbar keine Konsequenzen aus dem Debakel ziehen will, wird es am Ende vermutlich beim “Professor” und allen sonstigen Ämtern und Titeln bleiben.

    Der Titelhändler verhökert laut “Stadtanzeiger” übrigens auch Mondreisen:

    „Dr.“ Z. scheint eine durchaus merkwürdige Persönlichkeit zu sein. Auf einer Internetseite etwa tritt er als Vertreter des obskuren „Fürstentums Lichtenberg“ auf, das von „Reimer I“. geführt wird, sein Staatsgebiet auf dem Mond haben will und „gegen eine kleine Bearbeitungsgebühr“ Reservierungen für Mondflüge entgegen nimmt.

    https://www.ksta.de/html/artikel/1233584061592.shtml

    Wie Bögner angesichts dessen nicht gemerkt haben will, dass mit seinem Doktorvater etwas nicht stimmt, ist mir schleierhaft. Und wie Du schon richtig schreibst – 2.500 Euro für “organisatorische Kosten”?

    Eine peinliche Aufführung, die einen Rücktritt oder einen Rauswurf nun wirklich gerechtfertigt hätte. Leider herrscht nun schon seit zwei Wochen das große Schweigen im Walde – und ich denke nicht, dass sich das ändern wird.

    Wollte selbst schon was dazu schreiben, aber es wäre am Ende vermutlich ein SPD-Verriß draus geworden, der schlecht zu den ScienceBlogs gepasst hätte 🙂 Das Verhalten der Partei in diesem Fall ist aber auch ein Unding, ebenso das der Sparkasse. Titelbetrug ist in diesem Land scheinbar wirklich keine große Sache, ebensowenig wie das fast schon unverschämt deutliche Werben der Betrugshelfer:

    https://www.scienceblogs.de/frischer-wind/2009/02/aufforderung-zum-akademischen-betrug.php

    Gegen diesen Wahnsinn sollte man sich wirklich endlich organisieren…

  2. #2 Thilo Kuessner
    März 2, 2009

    Der eigentliche Skandal ist ja, daß eine Doktorarbeit * NUR * 2500 Euro kostet. Hatten die einen Ghostwriter aus Moldawien oder hat da wirklich ein deutscher Akademiker in 3 Wochen eine Dissertation runtergeschrieben? Das kann doch wohl nicht wahr sein?

  3. #3 Ulrich
    März 2, 2009

    Käme mir auch seltsam vor, wenn meine hart erarbeitete Diss acht Jahre lang nicht den Weg in die Bibliothek findet…
    https://kataloge.uni-hamburg.de/DB=1/SET=3/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=B%C3%B6gner%2C+Hans-Georg

    Und wenn das mit dem “Professor” vom Kulturinstitut stimmt, dann kann er ja Rat bim “Kollegen” Gunter von Hagens einholen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Gunther_von_Hagens#Titelmissbrauch

  4. #4 Ludmila
    März 2, 2009

    @Ulrich: Hmm, meinst die 200-Seiten Arbeit gibt es gar nicht oder gab es zumindest damals nicht? Dann wären 2500 Euro schon wieder im Rahmen.

  5. #5 Stefan
    März 2, 2009

    Hallo Ludmila, ich teile Deine Ansicht und die der bisherigen Kommentatoren, dass hier wirklich ein handfester Skandal vorliegt. Titelbetrug scheint in Deutschland genauso als Bagatelle zu gelten wie Urheberrechtsverletzungen.

    Abgesehen davon will ich aber auch mal etwas kezerisch fragen, ob akademische Titel nicht sowieso überbewertet sind, in dem Sinne, dass es ja keine Standards quer durch alle Fächer gibt (was ist denn bitte ein Doktor in Wirtschaftswissenschaften gegenüber einem promovierten Physiker)? Ich meine, eine Promotion als Wegmarke einer akademischen Karriere kann ich ja nachvollziehen, aber in meiner Branche werden oft Studiengänge und Doktortitel stolz vor sich hergetragen, obwohl die dabei erworbenen Qualifikationen überhaupt keine Rolle spielen. Das ist auch eine Art von Titelbetrug.

  6. #6 Ludmila
    März 2, 2009

    @Stefan: Ich muss zugeben, dass mir Leute, die auf der Anrede Doktor xyz bestehen, meist suspekt und unsympathisch sind.

    Es sieht aber halt auf der Visitenkarte gut aus und schindet Eindruck. Und ich finde schon, dass man da ein bisschen Werbung für sich machen darf. Nach all den Jahren selbstausbeuterischer Knechtschaft finde ich das auch durchaus gerecht.

  7. #7 Ulrich
    März 2, 2009

    @ Ludmila:
    Naja, wenn die Arbeit wirklich existiert, dann wurde sie zumindest anscheinend nie an der Uni Hamburg eingereicht, sonst wäre sie dort ja im Katalog zu finden. Das bedeutet für die Hauptperson des Dramas wohl: dreist oder doof.

  8. #8 Argent23
    März 2, 2009

    Hatten wir hier vor zwei Jahren auch mal. Auf jedem Wahlwerbeplakat hat da der “Dr.” geprangt. Und der Versuch, die Enttarnung zu verhindern war hier auch nicht so fein, vor allem für einen vorgegebenen promovierten Theologen.

    Auf den Unions-Mann dagegen, der sich unrechtmäßig einen Doktortitel angemaßt und aus Angst vor seiner Enttarnung eine Krebserkrankung vorgetäuscht hatte […].

  9. #9 Christian Reinboth
    März 3, 2009

    @Argent23: An die Story kann ich mich sogar noch dunkel erinnern. Der Unterschied ist, dass die CDU den Titelklauer ziemlich fix aus der Partei geworfen und – wie ich mich zu erinnern meine – sogar noch vor Gericht gebracht hat. Im Kölner Fall dagegen passiert offenbar nichts dergleichen – Bögner behält alle seine Ämter und darf scheinbar sogar den Professoren-Titel weiterführen. Der eigentliche Skandal ist nicht der Titelbetrug an sich, sondern der lasche Umgang damit…

  10. #10 Jane
    März 4, 2009

    “Jeden einzelnen kleinen Doktoranden, der im Schweiße seines Angesichtes und ehrlich an seiner Doktorarbeit verzweifelt, hat der Betrüger verhöhnt.”

    Ich sage DANKE für diese klaren Worte. Da reisst man sich Jahre lang den Gluteus maximus auf und dann kommt so ein Fuzzi daher und kauft sich mal schnell nen “Dr.”.

    Zum Kotzen.

  11. #11 Max
    März 10, 2009

    Einen solchen hanebüchenen Vergleich habe ich selten gelesen. Da erklärt jemand von sich aus, dass er 200 Seiten zusammen geschrieben hat, diese eingereicht hat und dabei einem Betrüger aufgesessen ist und soll dafür jetzt seinen Job verlieren, den er seit gut zwei Jahrzehnten tadellos gemacht hat?
    Wieso sind 2500 EUR für die Veröffentlichung einer Doktorarbeit viel Geld??? Wer das glaubt, der sollte mal bei C.H. Beck oder bei Duncker nachfragen. Da gehts bei solchen Beträgen erst los.
    Der Kerl mag eitel und zeimlich dämlich sein, aber mit welcher Freude jetzt alle fordern, ihn an den höchsten Mast zu hängen, erschließt sich mir nicht. Das Amt als kulturpolitischer Sprecher ist weg, in den nächsten Stadtrat kommt er auch nicht mehr. Aus welchem Grund also soll er jetzt noch den Job verlieren, den er ohne Doktortitel erlangt hat???
    M.E. wirft es gerade kein schlechtes Licht auf die Sparkasse, wenn man dort auf die tatsächlich geleisteten Dienste schaut. Bei diesem Vergleich schneidet die Kassiererin nunmal deutlich schlechter ab (§ 246 StGB). Anderenfalls müsste auch jemand gefeuert werden, der betrunken Auto gefahren ist und den Straßenverkehr gefährdet hat (Straftat).
    Vor diesem Hintergrund kann ich nur sagen: Schuster bleib bei Deinen Leisten oder vielmehr Planeten bevor Du Dich öffentlich so unqualifiziert äußerst!

  12. #12 Ludmila
    März 10, 2009

    @Max:

    Wieso sind 2500 EUR für die Veröffentlichung einer Doktorarbeit viel Geld

    Haben Sie den Artikel eigentlich gelesen? Sehen Sie mal was da steht.
    Andererseits kommen mir 2500 Euro für eine 200 Seiten umfassende Doktorarbeit schon arg billig vor.

    Und im Übrigen besteht der Verdacht, dass die Doktorarbeit nicht existiert. Wie in den Kommentaren dargelegt wurde, ist diese nicht an der Uni Hamburg aufgelistet. Das Max, nennt man einfach Betrug. Meinst Du Betrug ist ein Kavaliersdelikt?

    Und aha, er hat sein Amt niedergelegt:
    https://www.koelnspd.de/die-fraktion/artikel/erklaerung-von-hans-georg-boegner-zur-niederlegung-seines-ratsmandates/
    bereits am 22. Februar. Habe ich nicht gesehen.