Genau dafür habe ich meine letzten beiden Beiträge zum Thema Gravitationsfeld verfasst. Als Vorbereitung für diesen Beitrag.
Am 17.3.2009 startete des ESA-Satellit GOCE. Ziel ist die Vermessung des Gravitationsfeldes der Erde mit noch größerer Genauigkeit. Um noch etwas mehr Info aus Mutter Erde herauszukitzeln.
Raumsonden sind schließlich keine teuren Spielzeuge, sondern immer zu etwas gut. Und wenn es “nur” dem Erkenntnisgewinn dient. Wobei man sich in unserem Geschäft daran gewöhnen muss, dass nicht wenige Menschen bei den Worten “Erkenntnisgewinn, hä?” ganz glasige Augen kriegen. Wenn die wüssten, wieviel die heute den herausragenden Geistern früherer Generationen verdanken, die auch “nur” der Erkenntnisgewinn antrieb.
Bei GOCE stellte ich aber fest, dass die Grundlagen für die verwendeten Methoden zu umfangreich sind, um sie in einen einzigen Blogpost zu stecken. Daher die Pause und dafür der Exkurs in die Geheimnisse des Schwerefeldes. Gravitation ist für viele immer noch ein böhmisches Dorf. Und da sind dermaßen viele seltsame Vorstellungen diesbezüglich im Umlauf, in diese Falle wollte ich nicht tappen.
Also nachdem in der letzten Woche ausführlich erklärt wurde, wieviel so ein Schwerefeld verrät, wenn man es denn zu lesen versteht, kommen heute die technischen Details dran.
Das Video zeigt ganz kurz die beiden Methoden, die kombiniert messen, wie das Gravitationsfeld am Satelliten zieht.
Bild (ESA): GPS-Satelliten im Hintergrund. GOCE hat einen GPS-Empfänger an Bord und kann so seine Postion genau bestimmen. Nicht viel anders als in unseren Autos auf der Erde nur eben mit höherer Genauigkeit.
Zum einen weicht die Bahn auf einmal von der vorherberechneten Bahn ab. Der Satellit kommt der Erde also näher dran oder entfernt sich von ihr aufgrund einer bislang unbekannten Schwerefeldanomalie. Das kann man über GPS messen. D.h. die Position des Satelliten wird auf bis zu 1 -2 cm genau überwacht. Wie GPS funktioniert, hatte ich hier mal erklärt.
Desweiteren hat GOCE ein Gradiometer an Bord.
Bild (ESA): Gradiometer ganz vereinfacht dargestellt. im Grunde besteht es aus Gewichten, die an geeichten Federn hängen. Nicht viel anders als die Badezimmerwaage funktioniert.
Im Grunde sind das Gewichte an Federn, die im Laufe einer Erdumkreisung durch die Erdanziehung mal mehr oder mal weniger nach unten gezogen werden. Sie messen als tatsächlich die echte Schwerebeschleunigung, wie das auch die Badezimmerwaage tut. Im Grunde handelt es sich also um eine ultragenau Waage.
Wenn z.B. das Himalajagebirge unter GOCE liegt, dann ist dort so viel Masse an einem Ort konzentriert, dass die Gewichte einen Tick stärker nach unten gezogen werden als normal. Also als wenn es das Gebirge nicht gäbe.
Die Genauigkeit des Gradiometers von GOCE soll etwa 1-2 mGal betragen. Die Einheit Gal wurde nach Galileo Galilei benannt. Ein Gal entspricht 0.01 m/s2. Man vermisst also die Schwerebeschleunigung an verschiedenen Orten der Erde auf bis zu 5 Stellen nach dem Komma genau.
Bild (ESA): GOCE im Orbit. Künstlerische Darstellung.
Ist Euch schon aufgefallen wie unsatellitenmäßig GOCE aussieht? Das liegt an zwei Dingen. Weil die Bewegung der Sonde ja eines der Dinge ist, die indirekt den Einfluss der Gravitation anzeigen, hat man alles gespart, was sich bewegen kann. Das würde zu sehr stören. Damit GOCE dennoch immer genug Sonne für die Sonnensegel kriegt, ist die Umlaufbahn so berechnet, dass für den Satelliten die Sonne nie untergeht. Er befindet sich auf einer sonnensynchronen Erdumlaufbahn.
Gleichzeitig ist der Orbit relativ niedrig. GOCE kreist gerade mal in 250 km Höhe. Der Satellit CoRoT kreist dagegen in 900 km Höhe. Das bedeutet aber, dass hier die Atmosphäre noch deutlich spürbar ist. Daher hat GOCE diese aerodynamische Form.
ESA- Schwerkraftmission GOCE: Broschüre auf Deutsch.
So und was soll GOCE jetzt alles messen?
Bild (ESA): Je mehr Nachkommastellen von der Schwerebeschleunigung vermessen werden können, desto mehr sieht man die Details aus der Umgebung.
Gebirge verursachen schon Anomalien in der Größenordnung von 100 bis 10 mGal, sollten also von GOCE locker aufzulösen sein. Ist also keine große Herausforderung.
Plattentektonik ist aber immer ein Thema. Auch wenn es über GPS- und Seismik-Messungen ebenfalls vermessen wird. Wissenschaftler sind komplementären oder bestätigenden Messungen nie wirklich abgeneigt.
Ozeanzirkulation soll vermessen werden. Es gibt zwar andere Satelliten, welche die Ozeane beobachten, aber da kann man vor allem die Oberfläche sehen. GOCE erfasst die ganze Masse an Wasser, die bewegt wird, blickt also viel tiefer.
Geodäsie fällt natürlich nebenbei auch ab. Also die genauere Vermessung der wahren Erdfigur, des Geoiden. Braucht man z.B. als Grundlage für Landkarten.
Messungen des Meeresspiegels. Tja dem Klimawandel kann man in den Geowissenschaften einfach nicht entkommen. GOCE wird nachmessen, wie der Wasserpegeln in den Ozeanen sich verändert und da hier wiederum die Masse gemessen wird, kann man genau sehen, was davon eine echte Zunahme an der Gesamtmenge des Wassers in den Ozeanen ist und was eher durch Strömungen verursacht wird.
Ach und natürlich kann das Verfahren auch auf Eisflächen angewandt werden, wie es z.B. der Vorgänger GRACE getan hat.
Bild (GFZ/GRACE): Schwereanomalien über Grönland im Verlauf von einigen Jahren. Das Bild habe ich aus diesem Vortrag.
Mit solchen Erdsatelliten kann man also genau nachmessen, dass der grönländische Eispanzer tatsächlich in seiner Gesamtheit abnimmt. Da gibt es nichts rumzudeuteln. Wenn Masse verloren geht, dann geht Masse verloren. Die Wissenschaftler haben den Verlust zu 135 GT/Jahr in den Jahren 2002-2007 bestimmt.
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