Ich wurde vor ein paar Monaten gefragt, ob man eigentlich inzwischen Sternenflecken sehen kann. (Genauer gesagt wurde mir die Frage auf dem sehr lesenswerten Blog Backreation gestellt.)
Ja, man kann (manchmal).
Sternenflecken – Die Whirlpools auf den Sternen
Bild: SOHO. Einer der wenigen Sonnenflecken auf der derzeit ruhigen Sonne.
Von unserer Sonne kennen wir die scheinbar dunklen Bereiche auf der Sonne. In Wahrheit sind die aber nicht dunkel, sondern strahlend hell. Sie sind nur kühler und glühen daher weniger als die Bereiche drumherum. Es ist der Kontrast zwischen extrem glühend und glühend, der die Flecken dunkel erscheinen lässt.
Sonnenflecken entstehen durch Störungen im solaren Magnetfeld. Man kann vielleicht sogar von einem Leck sprechen, denn die dunkleren Bereiche entstehen unter kleinen Ausstülpungen im Magnetfeld.
Bild: Schematische Darstellung einer magnetischen Ausstülpung. An den Durchstoßpunkten entstehen die bekannten Flecken.
Bild: (TRACE, NASA) Die Sternenfleckengruppe AR 9169 im UV. Die glühenden Fäden stellen Plasma, d.h. ionisiertes Gas dar, welche die stellaren Magnetfeldlinien sichtbar machen.
SOHO hat mal vor ein paar Jahren vermessen, was so unter einem Sonnenflecken los ist: Animation. Junwei Zhao von der Stanford University hat damals Sonnenflecken als Whirlpools auf der Sonne bezeichnet. Allerdings als ziemlich gewaltigen. So ein Ding kann den Durchmesser des Gasriesen Jupiter annehmen.
Dennoch ist immer noch ein Faktor 10 zwischen dem Durchmesser eines solchen Fleckes – zumindest bei sonnenähnlichen, relativ alten Hauptreihensternen, und dem Sternendurchmesser. Bei recht jungen oder besonders aktiven Sternen kann es schon mal Flecken geben, die denn halben Stern bedecken, so etwas fällt dann doch auf.
Bei sonnenähnlichen Sternen wird es aber knifflig einzelne Sternenflecken zu isolieren, weil diese vergleichsweise klein sind und Sterne nicht konstant vor sich hinleuchtet, sondern ziemlich flackern. Was insofern gut ist, weil man dadurch ins Innere der Sterne schauen kann. Astroseismologie heißt der Bereich, der davon lebt.
Es gibt allerdings einen kurzen Zeitraum und eine spezielle Situation, in der es möglich sein sollte, kleine Sternenflecken zu “sehen”. Und zwar während eines Transits.
Andrea Silva-Valio hat grundsätzlich mal die Methode anhand des Planetensystems HD209458 vorgestellt:
Bild: Ein Sternenfleck während eines Transits um HD 209458. Der Planet verdeckt während dieser Zeit als dunkle Scheibe den Stern. Wenn er auf seinem Weg eine dunklen Fleck überquert, dann gibt es einen kleinen Hubbel im Transit.
Also, der Fleck verdunkelt bereits die Sternenscheibe. Wenn der Planet sich auch noch vorschiebt, verdunkelt die Sternenscheibe und der Fleck den Stern. Wenn jetzt auch noch der Planet den Fleck verdeckt, verdunkelt nur noch der Planet. Der Fleck kann es ja nicht mehr, weil er selbst verdeckt wird.
Jetzt können aber Sternenflecke ein paar Tage überleben. D.h. beim nächsten Transit ist er vielleicht noch da. Da aber der Stern sich in der Zwischenzeit gedreht hat, tritt der Fleck nicht mehr an der gleichen Stelle im Transit auf. Jetzt muss man nur noch berechnen, um wieviel sich diese Stelle in dieser Zeit bewegt hat und kriegt dadurch raus, wie schnell sich der Stern dreht.
Voilá! Man sollte mit Hilfe von Sternenflecken, die man als “Whirlpools” bezeichnen kann, eine Sternenumdrehung vermessen können.
Ach und gleichzeitig – und das ist schon verdammt cool – kriegt Frau Silva-Valio, den Durchmesser der Sternenflecken und ihre Temperatur heraus. Sie hat für zwei Exemplare auf HD 209458 4900 K und 5300 K gemessen. Das sind höhere Werte als für Sonnenflecken, aber dieses Gestirn ist auch heißer als unsere Sonne. Insofern haut das schon hin.
Das muss man sich mal im Kontext darstellen. Dieser Stern ist so weit weg, dass er selbst für das leistungsstärkste Teleskop nur einen Punkt darstellt. Und dennoch kann man Flecken sehen, die gerade 1% des Sterns bedecken, und man kann sogar indirekt “ein Thermometer reinhalten”. Sie hat also sozusagen die Badetemperatur im Whirlpool gecheckt. (Ok, Kalauer aber ich konnte mir das jetzt nicht verkneifen 😉 Aber nur, weil gerade ein Planet zur rechten Zeit im richtigen Winkel um den Stern kreist.
Bild (A. Silva-Valio schamlos aus einem ihrer Vorträge geklaut, weil das Bild schöner ist als im Paper): Aufnahmen verschiedener Transits von HD 209458b mit dem Hubble Space-Telskops. In einer Aufnahme sieht man einen Fleck auf dem Stern und in einer anderen Aufnahme einen weiteren Fleck – aber an einer anderen Stelle.
Daraus wurde die Rotationsperiode zu 11,4 Tagen bestimmt. Man könnte allerdings auch in einer anderen Aufnahme einen Fleck vermuten und wenn man den als Bezug nimmt, wären es 9,9 Tage.
11,4 Tage stimmt übrigens ziemlich gut mit den Ergebnissen anderer Messmethoden überein, welche die projezierte Rotationsgeschwindigkeit v sin i von Sternen bestimmen. Die kriegen nämlich Werte zwischen 15 +-6 , 14+-2 und 12+-0,5 Tagen heraus.
Die v sini-Methode ist die verbreitete Methode eine Sternenrotation zu messen: Dabei wird das Spektrum eines Sterns aufgenommen und der Dopplereffekt herausgerechnet.
Der Dopplereffekt kommt aber so in das Spektrum hinein:
Da das Licht an der Sternenoberfläche emittiert wird und die sich mal auf den Beobachter zu und wieder weg bewegt, wird auch das emittierte Licht jeweils in Richtung blau bzw. rot verschoben. Insgesamt ergibt sich dadurch eine Verschmierung der einzelnen Spektrallinien (1). Schließlich dreht sich immer eine Seite so, dass dieser Teil der Oberfläche sich auf den Beobachter zubewegt, während die andere Seite gleichzeitig sich gerade wegdreht. Ein Teil der Sternenlichtes ist mehr oder weniger blauverschoben, ein Teil mehr oder weniger rotverschoben und ein Teil gar nicht verschoben. Das ganze addiert sich und führt zu einer Verbreiterung der einzelnen Spektrallinien. Je verschmierter d.h. breiter die Linien desto schneller dreht sich der Stern.
Der Dopplereffekt ist in der Astronomie und Planetenforschung wirklich außerordentlich wichtig. Das bildet das Fundament für extrem viele Messungen und Erkenntnisse.
Eine andere Möglichkeit bei aktiven, jungen Sternen die Rotation mit einer ähnlichen Methode zu messen, besteht darin auszunutzen, dass solche Sterne wahrscheinlich ständig irgendwelche Flecken auf der Oberfläche haben. Es ist zwar dann kaum möglich einzelne aufzulösen, aber wenn Sternenflecken entstehen, über mehrere Rotationszyklen erhalten bleiben, sich wieder auflösen und dafür neue nachkommen, dann hat man in der aufgezeichneten Helligkeit des Sterns ein Signal, das über den Zeitraum von ein paar Tagen auftaucht (wenn die Flecken von uns aus gesehen auf der Vorderseite des Sterns sind) und wieder verschwindet (wenn die Flecken auf der Rückseite des Sterns sind) und das ziemlich regelmäßig. Da das Auftauchen und Verschwinden der Flecken natürlich mit der Rotationsperiode des Sterns zusammenhängt, kann man so über eine Frequenzanalyse der Helligkeit des Sterns dann doch die Eigenrotation messen.
Das haben Gregory Henry und Joshua Winn für HD 189733 gemacht und dabei die Rotationsperiode mit P = 11.953 ± 0.009 Tagen bestimmt, was ziemlich beeindruckend von der Genauigkeit her ist. Sonst hat man da Fehler von ein paar Tagen (s.o.).
Im Übrigen sind diese Methoden und Messungen nicht nur an sich beeindruckend. Die Leute vermessen hier mal eben ganze Sterne – das ist schon ziemlich cool. Gleichzeitig sagen die Messungen der Sternenflecken etwas über die Stärke des Magnetfeld eines Sterns aus, was wiederum etwas über die physikalischen Prozesse im Inneren aussagt. Es dient also wieder als Grundlage für einen Haufen anderer Arbeiten, die sich mit den Prozessen im Inneren von Sternen beschäftigen.
Schade, dass solche Arbeiten immer irgendwie unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit fliegen.
P.S.: Nein, wie witzig. Gerade habe ich das Hohelied auf diese coolen Messungen an Sternen gesungen und schon stolpere ich über diesen lesenswerten Blogbeitrag von Carolin Liefke drüben bei “Astronomers do it at night“:
Ich für meinen Teil werde aber nicht müde, Kollegen und der Öffentlichkeit zu erklären, daß auch Sterne ihren Reiz haben
Aber klar doch! Wo kann ich unterschreiben? 😉
—–
(1) Die Spektrallinien sind übrigens niemals scharfe Linien, sondern bereits durch andere Effekte wie Lebensdauer des angeregten Zustandes und thermische Bewegung der emittierenden Atome verbreitert. Deswegen muss man diese Effekte natürlich kennen und abziehen, um die Drehung des Sterns herauszukriegen. Das allerdings ist schon vor Jahrzehnten im Labor durch Messungen und durch theoretische Arbeiten und Erklärungen erledigt worden und ist heutzutage eine beliebte Aufgabe in optischen oder astronomischen Praktika für Physikstudenten oder sogar Schüler. Das war mal vor gar nicht allzu langer Zeit Grundlagenforschung. Witzig oder?
Silva, A. (2003). Method for Spot Detection on Solar-like Stars The Astrophysical Journal, 585 (2) DOI: 10.1086/374324
Silva-Valio, A. (2008). Estimating Stellar Rotation from Starspot Detection during Planetary Transits The Astrophysical Journal, 683 (2) DOI: 10.1086/591846
Henry, G., & Winn, J. (2008). THE ROTATION PERIOD OF THE PLANET-HOSTING STAR HD 189733 The Astronomical Journal, 135 (1), 68-71 DOI: 10.1088/0004-6256/135/1/68
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