Über Placebos wird hier auf den Scienceblogs in so manchen Kommentarschlachten aber auch in der Popkultur jede Menge Blödsinn verbreitet.
Es wird verneint, dass es so etwas überhaupt gibt. Manche setzen diesen psychosomatischen Effekt geringschätzig mit Telekinese oder Telepathie gleich. Gleichzeitig sind diese Leute aber oft bereit zu glauben, dass Wasser sich selektiv an bestimmte Stoffe erinnert, wenn man es nur nach dem richtigen Ritual schüttelt.
Dann wieder wird behauptet, dass die Wissenschaft angeblich den Placeboeffekt nicht erforsche bzw. fordern vollmundig mehr Forschung auf diesem Gebiet. Wobei sie natürlich davon ausgehen, weil sie selbst noch nie davon gehört haben, kann es ja wohl keine Forschung auf diesem Gebiet geben. Dabei generiert bereits eine kurze Suche auf Google scholar jede Menge Treffer für das Stichwort “Placebo”.
In Quarks und Co wurde mal wieder schön gezeigt, dass es Placeboforschung gibt und wie sie funktioniert: Konditionierung des Immunsystems. (Den Beitrag gibt es online hier zu sehen. Ab Minute 35 wird die Konditionierung mit dem grünen Getränk geschildert.)
Ein grünes Getränk ohne medizinische Inhaltsstoffe wurde über einen Zeitraum mit einem wirksamen Antiallergikum verabreicht und hinterher getestet, ob die Allergie auch dann besser wird, wenn nur das grüne Getränk verabreicht wird.
Dabei haben die Forscher nicht nur verschiedene Kontrollgruppen gebildet, sondern auch die Reaktion auf verschiedene Arten getestet. Ihnen reichten die subjektiven Angaben der Patienten nicht aus, sondern sie haben zusätzlich die allergische Reaktion mit einem Allergietest überprüft und zudem die Basophile im Blut gemessen. Man vergleiche das mal mit den Angaben so genannter angeblicher “alternativer” Maßnahmen. Viele hätten nach dem Fragebogen schon aufgehört weiter zu testen. Was nur konsequent ist in einem Gedankengebäude, wo die subjektive Empfindung alles und die objektive Überprüfung derselben nichts zählt und sogar als “böse, dogmatisch, allzu kritisch etc. pp” gewertet wird.
Das Ergebnis: Nach einer gewissen Trainingsphase wirkt das grüne Getränk und ein Placebo fast so gut wie das wirksame Medikament allein.
Aber Vorsicht: Es ist gut möglich, dass dieser Effekt nur vorübergehend ist und das Immunsystem nach einer gewissen Zeit merkt, dass es betrogen wurde. So dass der Effekt wieder hinfällig wird und das Training wiederholt werden muss. Wenn es sich denn wiederholen lässt. Worauf die Forscher sogar selbst hinweisen.
So sieht das in der echten Forschung aus. Man testet in Kontrollgruppen, man hängt sich nicht nur an Fragebögen auf, sondern wertet auch objektive Messdaten aus und vor allem: Man rennt mit vorsichtigen Schlussfolgerungen nicht marktschreierisch durch die Gegend rum.
Im Grunde unseres Herzens wissen wir es doch alle: Nichts ist wirklich umsonst zu haben und es läuft nie so, wie man es geplant hat. Es ist immer ein Tick komplizierter und mühsamer. Andererseits spielen jede Woche jede Menge Menschen Lotto, in der vagen Hoffnung für fast Nichts Millionen zu kassieren. Anscheinend steckt eine gewisse Irrationalität und Wunderglauben tief in uns drin.
Ich schätze, wenn überhaupt, dann wird das “grüne Getränk” höchstens eine Ergänzung zur medikamentösen Behandlung darstellen, aber diese nie ganz ersetzen. Aber es ist schon interessant mal wieder zu sehen, wie kompliziert die Zusammenhänge in Wirklichkeit sind und wie sich der Körper austricksen lässt.
Genau deswegen misstraue ich jedem, der meint durch bloßes Hinsehen und Empfinden zu meinen, wie der Hase läuft. Gerade bei einem so komplizierten Gebilde wie dem menschlichen Körper. Einfache Pauschalrezepte gibt es auch nicht. Wer was anderes behauptet, ist entweder naiv, ideologisch verblendet oder will sich einfach nur bereichern.
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