Derzeit sind Weltmeisterschaften im Schwimmen in Rom und ein Thema taucht dabei immer wieder auf: Was hat es eigentlich mit diesen super-duper-Schwimmanzügen auf sich?
Vor ein paar Monaten wurde mir in meiner Tätigkeit als Kampfrichter im Schwimmsport aufgetragen zu schauen, was die Aktiven für Anzüge tragen. Keinesfalls dürften zwei übereinander getragen werden, Schulter und Arme sollten frei bleiben und vor allem der “Blue Seventy” galt als nicht erlaubt. Wobei sich inzwischen die Master, also die Schwimmsenioren, das Recht auf den “Blue Seventy” gerichtlich eingeklagt haben.
Was war passiert?
Im Jahr 2000 hat sich die FINA, die internationale Wassersportvereinigung, den Hightech-Anzügen geöffnet. Und was Wunder, verschiedene Sportaustatter haben sich auf diesen Markt gestürzt. Was ja auch für diverse Sportler, wie z.B. Michael Phelps bei den letzten olympischen Spielen in Peking traumhafte Sponsorenverträge einbrachte.
Es wurde geschraubt und gemacht und es werden Patente angemeldet und Wunderdinge versprochen.
The characteristics of the fabric improve shape retention and increase muscle compression to reduce vibration and retain muscle shape to reduce fatigue and power loss. Athlete passive drag tests show full body xxx is 7.5%* faster than all other suits tested. Fabric tests show xxx has a 3% lower surface resistance than xxx. The V-shaped denticle print of the fabric allows the body to slip through the water more smoothly. (…) Just like the shark’s skin, xxx and xxx were positioned to accommodate the changing flow conditions along the swimmer’s body to create the most advanced and lowest drag racing swimwear in the world to date.
Physikalisch gesehen geht es also um drei Dinge: Geringerer Wasserwiderstand, Auftirebskraft und Kompression der Muskulatur. Deswegen reißen sich die Schwimmer nach dem Wettkampf immer hinten den Reißverschluss auf. Die Dinger sind einfach verdammt eng.
Gegen den hohen Auftrieb einiger Schwimmanzüge versucht derzeit die FINA, der internationale Wassersportverband, einen Riegel vorzuschieben. In der Dubai-Charter wurde festgelegt, dass ein Schwimmanzug nicht mehr als ein Newton an Auftriebskraft bringen und der Stoff nicht zu dick sein darf. Gerade der “Blue Seventy” ist deswegen ins Gerede gekommen, weil er aus einem neopren-artigem wasserundurchlässigem dickeren Stoff besteht und einige Leute wohl fürchten, dass Luftblasen im Anzug dem Schwimmer großen Auftrieb und damit einen großen Wettbewerbsvorteil bescheren könnten.
Wie groß ist die Auftriebskraft eines Schwimmers eigentlich? Machen da ein paar Newton groß was aus?
Die Auftriebskraft ist:
Ok, als Physiker schluckt man erst einmal bei dieser Grafik. Statistisch signifikant sind die Ergebnisse schon mal gar nicht. Der Unterschied zwischen einem normalen Anzug und dem Speedo beträgt gerade 0,1 m/s.
Andererseits haben wir hier einen Sport, bei dem 1 Hunderstel mehr oder weniger schon was ausmacht. So richtig vom Hocker hauen mich aber die Ergebnisse auch nicht. Dem einzelnen Schwimmer wird es nicht so viel bringen. Ein mittelmäßiger Schwimmer wird nur durch die Wahl des richtigen Stoffs nicht an die Weltspitze getragen, einen miesen Tag wird auch der Anzug nicht abfangen können und eine richtig gute Schwimmerin wird auch in einer geflickten Badebekleidung Bestzeiten bringen. Ganz abgesehen davon, dass ja jeder zu dieser “Geheimwaffe” greift. Oder wie es Christian Keller im ZDF auf den Punkt brachte: Der Anzug schwimmt nicht alleine.
Die Schwimmanzüge könnten allerdings das Grundniveau des gesamten Schwimmsportes bei großen natürlichen Schwankungen um diesen Mittelwert ein wenig anheben. Es könnte mit erklären, neben den Änderungen des Schwimmstils und Verbesserungen des Trainings im Schwimmsport, warum die Bestzeiten und Rekorde im Schwimmsport derzeit ständig unterboten werden. Mehr Rekorde allerdings sind doch genau das, was alle haben wollen. Es ist also ein bisschen heuchlerisch zu maulen, dass ein Riesenaufwand betrieben wird, um noch ein paar Hunderstel herauszuholen und dadurch der Sport teurer wird.
Ja klar kostet ein solcher Anzug 300 Euro. Das kosten gute Laufschuhe in der Leichtathletik aber auch. Wir sprechen hier von Leistungssport und der war und ist auch nirgendwo wirklich billig. Ich kenne auch keinen Trainer, der seine Schwimmanfänger im Speedo-Anzügen durch das Wasser scheucht. Da sind die Zusammenlegungen der Schwimmbäder in so genannte Spaßbäder weitaus hemmender für den Breitensport. Immerhin sind das hier Änderungen, die im Gegensatz zu chemischen Doping, nicht auf die Gesundheit der Schwimmer gehen.
Man braucht allerdings klare Regeln bei der Zulassung und da hat die FINA viel zu spät reagiert, was derzeit zu einem gewissen Chaos und sehr viel Frust führt. Die Rekorde einiger Schwimmer wurden nicht anerkannt, weil sie aufgrund des “falschen” Anzuges disqualifiziert wurden. Desweiteren fordern jetzt die Schwimmer die Freiheit für sich, sich ihren Anzug selbst auszusuchen und dabei nicht auf die des offiziellen Schwimmausrüster ihres Schwimmverbandes beschränkt zu sein. Der deutsche Verband DSV hat erst vor ein paar Wochen, den Schwimmern diese Freiheit gewährt.
Es wird wohl genau das passieren, was überall passiert ist, als man “urplötzlich und überraschend” entdeckte, dass man da an der Sportausrüstung schrauben kann, um noch was rauszuholen. Wenn sich alles eingependelt hat, wird kein Schwein nach krähen.
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