an meinen Geschlechtsgenossinnen.
Wenn ich z.B. so einen Text lese, weiß ich nicht, ob ich weinen oder lachen soll:
“Warum ich nicht Ingenieurin geworden bin – obwohl ich fast alle Voraussetzungen erfüllte.”
Auch in meinem Elternhaus gab es für ein Ingenieurstudium die besten Voraussetzungen: Mein Vater war Elektroingenieur, meine Mutter physikalisch-technische Assistentin; da kein Sohn im Haushalt war, betrachteten meine Eltern mich als den “zukünftigen Ingenieur”. Doch studiert habe ich Sozialwissenschaften.
Da kein Sohn im Haushalt war? WTF? Bei mir war ein Sohn im Haushalt. Ja und? Heute bin ich die Physikerin und er Krankenpfleger. Weil das nun mal eher unseren Neigungen entspricht. Aber es kommt noch besser.
Doch warum, so sollte man fragen, sollen Frauen Technikberufe ergreifen, wenn sie sich damit in ein männliches Territorium begeben, wo ihre Kompetenzen nicht wahrgenommen und anerkannt werden und wo sie, trotz gleicher Qualifikation, schlechtere Berufs- und Karrierechancen haben? Solange sich hier, das heißt in Unternehmen und auf dem Technik-Arbeitsmarkt, nichts ändert, habe ich eine durchaus rationale Berufswahl getroffen. Da ich im Gegensatz zu vielen der Jungen meiner Klasse auch in den sozial- und geisteswissenschaftlichen Schulfächern – wie viele Mädchen – sehr gute Noten hatte, habe ich nach dem Studium eine sehr gute Karriere in den Sozialwissenschaften gemacht.
Wah! Männliches Territorium? Ja und? Ich war auch nur eine von einer Handvoll Frauen im Studium. Und? Haben mich die Männer gefressen? Habe ich die Männer gefressen? (1) Wenn ich mich mit jemandem gut unterhalten kann, dann ist es mir schnurzpiepsegal, ob derjenige ein Mann oder ein Frau ist oder zwischendurch auch mal sein Geschlecht wechselt. (2)
Den Kopf voller Geschlechterklischees hat sie ein Fach nicht studiert, weil sie sich eingeredet hat, dass sie doch sowieso nicht für voll genommen wird und schlechtere Chancen als die Männer haben würde.
Wieso müssen sich eigentlich die Leute immer mit anderen vergleichen? Warum hat die Frau nicht einfach überlegt, was sie will. Welcher Beruf ihr Freude machen würde. Was sie die nächsten Jahrzehnte machen möchte? Stattdessen geht es im Text um Noten, um das Risiko der Arbeitslosigkeit, um Gehälter, um den Anteil anderer Frauen in führenden Positionen.
Anstatt dagegen anzugehen und eine der Vorreiterinnen zu geben und was an den Verhältnissen zu ändern, die sie so sehr stören, hat sie es noch nicht einmal probiert. Auf das andere Frauen nach hier sich genauso selbst im Weg stehen, weil ja leider der Frauenanteil in den Naturwissenschaften so niedrig ist. *Ironie*Und weil der Anteil so niedrig ist, mögen einige Frauen das nicht studieren, wodurch der Anteil ja garantiert ansteigen wird.*Ironie aus*
Ok, fairerweise muss ich sagen, dass es natürlich schwer ist, den Vorreiter zu geben. Es gehört schon ein bisschen Selbstbewusstsein dazu. Aber auch wenn noch heute nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, sind die Hürden bei weitem nicht so hoch wie noch vor einem Jahrhundert. Gläserne Decken werden sicherlich nicht durchstoßen, indem man von anderen fordert, dass die bitte erst für bessere Bedingungen sorgen sollen. Wenn man was will, muss man schon selbst dafür kämpfen. Das ist natürlich anstrengend, aber ich weiß auch, dass die Frauen vor uns noch gegen viel schlimmere Ungerechtigkeiten angegangen sind. Ich denke diese Frauen wären sehr enttäuscht, wenn sie wüssten mit welchen fadenscheinigen Begründungen zumindest eine Frau die Chance ausschlägt, die sie teuer erkämpft haben.
Ja, sie hat nur “fast” alle Voraussetzungen erfüllt. Die wichtigste fehlte ihr leider: Der Willen sich durchzubeißen. Den braucht jeder Studierende der Naturwissenschaften, egal ob Mann oder Frau.
————–
(1) Natürlich nicht! Nicht dass ihr mir hier auf dumme Ideen kommt 😉
(2) Ja, das hab ich auch schon erlebt.
Kommentare (7)