Puh. Die vergangenen beiden Wochen waren dann doch sehr stressig. Insbesondere die Standbetreuung der diesjährigen “Highlights der Physik” im Kölner Gürzenich hat doch sehr geschlaucht.
Der Ort des Geschehens: Das Gürzenich in Köln.
Zum Glück herrschte die meiste Zeit gutes Wetter. Denn bereits vor dem Gürzenich stand das erste Exponat: Die Raketenbahn:
Man nehme: Essig oder Wasser, ein leeres Röhrchen für Vitamin-Brausetabletten, eine Brausetablette. Ich hab mein Röhrchen halb mit Essig gefüllt, den Stopfen drauf gesetzt, das ganze geschüttelt und dann in die Laderampe oben gestellt.
Damit kam ich immerhin bis zum “Jupiter”:
Eines der Kinder hat es geschafft, die ganze Bahn zu überfliegen und den Kollegen auf der anderen Seite abzuschießen.
Meine Kollegen und ich haben uns dagegen innen drin breitgemacht. Zusammen mit Kollegen vom 1. Physikalischen Institut hat unsere Abteilung “Planetenforschung” einen Stand zum Thema “extrasolare Planeten” konzipiert.
Als kleines dekoratives Element haben wir noch ein paar Raumsonden-Modelle ausgestellt:
Ganz oben in der Vitrine stand ein Modell von CoRoT, mit deren Daten ich vor allem arbeite. Darunter war eines von Mars Express, auf dem wir mit dem Radio Science Experiment vertreten sind. Ganz unten stand ein Modell der Raumstation “Mir”, wie sie mal geplant war, aber nie ausgesehen hat. Da kam dummerweise der Zerfall der UdSSR dazwischen 😉 Das Modell hat noch mein Mann innerhalb von einigen Tagen zusammengebastelt, weil der Modellbausatz bei uns zu Hause rumlag und wir noch etwas brauchten, um die Vitrine zu füllen.
An vier Tagen standen wir also am Stand rum und stellten uns den Fragen der Leuten bzw. erklärten unser Forschungsgebiet.
Leider war die Resonanz insgesamt doch etwas dürftig. Am Montag war z.B. Pressebegehung und wir haben niemanden von der Presse zu Gesicht bekommen. Von den Offiziellen der Stadt ganz zu schweigen. Im WDR-Fernsehen und im Kölner Stadtanzeiger brachte es die Ausstellung bestenfalls zu einer Randnotiz. Was bei mir wieder den Eindruck bestätigt, dass Hochschule und Forschung im öffentlichen Bewusstsein der Stadt Köln keine Rolle spielen.
Es waren wohl etwa 17 000 Besucher da. Letztes Jahr in Halle waren es noch 30-40 000 Besucher. Aber die hatten auch ein Festzelt auf dem Markt, während wir hier in Köln doch recht versteckt lagen.
Na ja, auch wenn es mehr Besucher hätten sein können, so war es doch lustig, anregend, aber auch ziemlich anstrengend. Ich war nachmittags da, so dass ich immer die Rentner und Touristen abbekam 😉 Mein Kollege hatte die Morgenschicht und stellte sich nachher als Juror für die Schülerwettbewerbe zur Verfügung.
Hier mal ein Sammelsurium an Eindrücken:
- Gerade die älteren Leute haben sich dafür entschuldigt, dass sie so wenig wüssten.
Hmm ja, wenn die Leute alles wüssten, dann bräuchten wir solche Veranstaltungen nicht. Außerdem standen wir ja da, um genau dieses Unwissen ein bisschen zu verringern. Ich sag es immer wieder: Etwas nicht zu wissen, ist keine Schande. Etwas nicht wissen zu wollen oder sich gar auf seine Unwissenheit was einzubilden, das ist eine Schande.
- Was meinen, Sie denn?
Hach ja, Meinungen und Autoritäten. Aber das war so ein Satz, wo ich den Leuten ein bisschen Wissenschaftsphilosophie vermitteln konnte. Jedenfalls, das was ich so darunter verstehe. Nämlich, dass Meinungen irrelevant sind und eher die objektiven Daten, Messungen, Belege zählen. Und dass es grundsätzlich egal sein sollte, wer was gesagt hat. Auch Nobelpreisträger können und haben sich auch geirrt. Es kommt darauf an, ob die Argumente einer Überprüfung stand halten. Dass die allermeisten Menschen diese Überprüfung mangels Zeit und Hintergrundwissen nicht leisten können, steht auf einem ganz anderen Blatt. Das sind nun mal die praktischen Beschränkungen. Kein Mensch kann heutzutage alles wissen. Weil inzwischen einfach sehr viel Wissen in der Welt ist. Aber ganz grundsätzlich sollte jeder Mensch wissenschaftliche Aussagen überprüfen können.
In der Realität sieht es dann schon eher so aus, dass man den Fachleuten irgendwann Vertrauen muss, wenn man nicht selbst auf dem Gebiet arbeitet. Aber zwischen Vertrauen und “glaubt mir einfach mal, das ist so” liegen immer noch Welten. Ganz abgesehen davon, dass echte Wissenschaftler eher dazu neigen zuviele Erklärungen abzugeben als zu wenig.
- Das LHC startet im November und wird auch über den Winter gefahren.
Witzigerweise erfuhr ich von einem Kollegen, der den LHC-Stand betreute, das Neuste zum Thema LHC. Nach der Panne im letzten Jahr und den umfangreichen Reparaturen und Testmaßnahmen in diesem Jahr, wird der neue Teilchenbeschleuniger recht spät starten. Das CERN hat aber die Erlaubnis bekommen, über den Winter zu laufen. Normalerweise werden Teilchenbeschleuniger in Europa im Winter abgestellt. Das war am DESY in Hamburg nicht anders. Der Hauptgrund ist, dass Strom im Winter vergleichsweise teuer ist. In den USA – zumindest am Tevatron am Fermilab – ist das anders. Deswegen können die dort das ganze Jahr laufen.
Weil ich schon da war, hab ich den Kollegen mal gefragt, wie oft er denn nach Schwarzen Löchern gefragt wird. Die Antwort mit einem Seufzer unterlegt: Sehr oft. Inzwischen hat die CERN-Presseabteilung sogar Leitlinien an die Forscher herausgegeben. Die Leute kommen anscheinend nicht damit klar, dass wenn man 10 Wissenschaftler fragt, man scheinbar 10 ganz unterschiedliche Antworten erhält. In Wirklichkeit sind es lediglich Variationen ein und derselben Antwort:
“Wir wissen, was wir da machen. Nein, wir wollen nicht sterben. Und nein, nur weil wir nicht genau wissen, was da passieren wird, heißt das noch lange nicht, dass man nicht eine ganze Menge Dinge ausschließen kann: Z.B. rosafarbene, feuerspuckende und menschenfressende Drachen. Und eben alles verschlingend Schwarze Löcher.”
Wissenschaftler sind grundsätzlich detailversessene und äußerst genaue Leute. Da jeder Wissenschaftler einen anderen Hintergrund hat als sein Nachbar, wird eben jeder ein anderes Detail in den Vordergrund setzen. Oder aber ein und denselben Sachverhalt anders ausdrücken:
“Das ist eher unwahrscheinlich…”
“Kann man zwar nicht völlig ausschließen, aber…”
“Eher lernen Schweine fliegen, als dass…”
“Nein, da passiert nichts.”
Und schon meinen die Leute: “Huch, die Wissenschaftler sind sich nicht einig.” Doch natürlich sind wir uns einig. Die Unterschiede sind lediglich Semantik, nichts weiter. Nur weil es da ein paar lautstarke Typen gibt, die sich selbst für Wissenschaftler halten, es aber nicht (mehr) sind, wird deren Meinung nicht automatisch wahr. In der Wissenschaft hat eben nicht der lauteste Schreihals automatisch recht. Sondern eben der, der seinen Mist belegen und überprüfen kann.
- Einmal wurde ich auch nach dem Planeten X befragt, der angeblich 2012 den Weltuntergang herbeiführen soll.
Nachdem ich erklärte, wo die Sache mit dem Planeten X ursprünglich herkommt und dass die Esos mit ihrer Weltuntergangsphantasien lediglich stille Post mit Wissenschaftsmeldungen spielen und dass es so einen Planeten gar nicht geben kann, wurde ich zum Schluss gefragt: “Also, Sie sagen, da ist nichts dran?”
*Seufz* Es ist schon ein Windmühlenkampf an so vielen Fronten. Nur wer nicht kämpft, der hat von vornherein verloren.
- Überhaupt: Einige Esos verirrten sich auch zu uns.
Der Kollege bei der Wärmebild-Kamera wurde nach Aura-Fotos gefragt. Er hat deren Weltbild wohl ziemlich erschüttert, als er erklärte, dass das mit den angeblichen Auras keine wissenschaftliche Grundlage hat. Na, ob die das auch verstanden haben? Esos schmücken sich typischerweise gerne mit fremden Federn, ignorieren oder beschimpfen aber den Federnlieferanten.
- Meinen eigenen Evolutions- und Relativitätstheoriezweifler hab ich auch abgekriegt 😉
Einen pensionierten Ingenieur. Komisch. Ich hab schon von einigen Kollegen gehört, dass die pensionierten Ingenieure die “Schlimmsten” sein sollen 😉 Aber das ist wahrscheinlich einfach nur ein rein subjektiver Eindruck.
Ich hab mich mit “meinem” Seid-doch-mal-offener-Herrn jedenfalls etwas länger und angeregt unterhalten. Zwischendurch war ich aber drauf und dran abzubrechen, weil es nichts zu bringen schien. Aber irgendwie kriegten wir dann doch die Runde. Ich glaub, ich konnte zumindest so ein bisschen vermitteln, dass Visionen und Phantasien schön und gut sind, dass aber auch Kritik und die empirische Überprüfung notwendig sind, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Und dass man eben nicht einfach etwas behaupten und das für Wissenschaft halten kann.
Jeder liebt die Visionäre, aber die, welche die Visionen kritisch beäugen, werden immer wieder als Spielverderber hingestellt. Dabei braucht es eben beide Typen für eine erfolgreiche Wissenschaft. Visionen müssen nun mal auf den Boden der Tatsachen gestellt werden, wenn sie etwas bringen sollen.
Ein Erlebnis der eher putzigen Art lieferte eine Touristin:
- Sie fragte, was denn der Sinn der Veranstaltung sein sollte. Ob wir denn irgendwas verkaufen würden?
O tempora, o mores! Muss sich denn immer alles um Geld und Verkauf und den unmittelbaren Nutzen drehen 😉
Ich hab der Dame erklärt, dass wir unsere Forschungsergebnisse vorstellen, weil nun mal die meisten Leute die sonst nie richtig zu Gesicht kriegen. Schließlich bezahle sie uns über ihre Steuergelder.
“Ich bezahl aber nicht in Deutschland Steuern.”
Als sich dann herausstellte, dass sie in Frankreich lebt und Steuern zahlt, hab ich ihr erklärt, dass sie sehr wohl mit ihren Steuergeldern meine Forschung finanziert. Schließlich ist das CoRoT-Projekt ein französisches. Wissenschaft ist gerade heutzutage ein internationales Unterfangen.
Leider gab es auch richtig negatives Erlebnis, das ich (leider) nicht mitbekommen habe. Mein Kollege war den Vormittag da und kriegte daher die Schulklassen und Kindergärten ab. Einmal wollte er einer Gruppe Kinder was erklären, da mischte sich die Lehrerin mit folgenden Worten ein:
- “Das sind Immigrantenkinder. Das hat keinen Sinn.”
Dem Kollegen hat es die Sprache verschlagen. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
Ich als Immigrantenkind hätte dagegen zu dem Thema durchaus lautstark einiges erzählen können. Alleine damit die Kinder sehen, dass es zumindest ein Immigrantenkind geschafft hat. Ich hätte auch absolut keine Skrupel gehabt, die Frau vor den Kindern zusammenzustauchen.
Mann, ich werd schon wütend, wenn ich nur darüber schreibe. Wie kann man nur Kindern zu verstehen geben: “Du hast eh keine Chance. Versuch es erst gar nicht!” Wer so eine Einstellung an den Tag legt, sollte den Beruf wechseln und keinesfalls auf Kinder losgelassen werden. Geht gar nicht.
Zum Glück war das die große Ausnahme. Die allermeisten Leute und nicht wenige Schüler waren durchaus angetan und einige sahen sogar so aus, als ob sie Spaß gehabt hätten. Eigentlich ließen nur die Teenager die coole Sau heraushängen. Aber in dem Alter ist man sowieso nur bedingt zurechnungsfähig 😉
Kommentare (12)