HD 32297 ist ein junger Stern in 340 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Orion, der noch von einer so genannten protoplanetaren Staubscheibe umgeben ist; also von einer Planetenwiege.
Das ist an sich gar nicht mal die Neuigkeit. Solche Scheiben wurden inzwischen ein paar Mal beobachtet. In 10 Lichtjahren Entfernung, also in kosmischen Maßstäben gerade vor unserer Haustür, haben wir mit Epsilon Eridani ebenfalls ein ganz junges Planetensystem vorliegen.
Nur während die bisher beobachteten Planetenwiegen schön runde Staub-/Gas-/Geröllscheiben zu sein scheinen, haben John Debes und seine Kollegen um HD 32297 ein eher ausgefranstes und gestauchtes Objekt ausgemacht:
Bild (NASA/ESA/D. Hines (Space Science Inst., New Mexico) and G. Schneider (Univ. of Arizona) ): Falschfarben-Aufnahme der protoplanetaren Scheibe um den gerade mal 100 Millionen Jahre alten Stern HD 32297. Die Aufnahmen entstanden übrigens mit Instrumenten an Bord des Hubble-Weltraum-Teleskops (genauer gesagt mit NICMOS (1)) .
Der “Trick” bei dieser Aufnahme ist, dass “infarotes Licht” aufgezeichnet wurde. Dabei fanden die Forscher Streueffekte, die hier auf der Erde unter anderem auch unseren Tageshimmel blau färben (Mie-Streuung und Rayleigh-Streuung). Hier auf der Erde sind es die Luftmoleküle, welche vornehmlich blaues Licht streuen. Bei der Scheibe um HD 32297 streuen Staubteilchen infrarotes Licht von etwa 1,6 Mikrometer Wellenlänge.
Warum ist es auf der Erde blaues Licht und in der Staubscheibe infrarotes? Weil die besagten Streueffekte nur bei Lichtwellen auftreten, deren Wellenlänge ungefähr der Größe des Teilchens entspricht, an dem sie gestreut werden. (2) Was wiederum bedeutet, dass wir dadurch die Größe der Staubteilchen in dieser fernen Materiewolke kennen: Die sind demnach im Mittel etwa 1 Mikrometer groß. Cool was so ein bisschen Licht verraten kann, wenn man weiß, worauf man achten muss, oder?
Nur, warum sieht diese Staubscheibe so seltsam aus?
Die Antwort ist: Weil die Planetenscheibe nicht im völlig luftleeren Raum schwebt. Tatsächlich existiert zwischen den Sternen nochmals Interstellare Materie. Teilchen, die sogar eine Strömung bilden und durchaus mit einer gewissen Geschwindigkeit auf das obige System knallen können. Das ist es vermutlich, was an der Staubscheibe nagt und sie verzerrt.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Das Weltall ist zwar immer noch im Grunde ziemlich leer und die Teilchen im interstellaren Medium sind immer noch so stark verteilt, dass wir das schon als sehr gutes Vakuum ansehen können. Nur wenn da so ein fettes Hindernis wie diese Scheibe im Weg ist, summiert sich der Impuls dieser stark verteilten Teilchen dann doch auf. Oder anders ausgedrückt: Kleinvieh macht bei so einer großen Barrieren eben auch Mist.
Die Forscher haben versucht, die Erosionsprozesse durch interstellares Gas zu simulieren. Das Ergebnis sieht dann so aus:
Hier gibt es auch eine Simulation dazu.
Hmm, ehrlich gesagt finde ich nicht, dass die Simulation allzu viel Ähnlichkeit mit der Beobachtung hat. Die können zwar damit erklären, warum die Scheibe gestaucht ist. Nur die Fransen fehlen irgendwie. Wobei es auch einfach sein kann, dass ich in diese Streifen zuviel reininterpretiere. Laut dem Paper und der Pressemitteilung ist der gelbe Bereich in der Mitte, welche bei uns im Sonnensystem die Neptunbahn auffüllen würde, die eigentliche Staubscheibe.
Aber interessant ist es schon. Denn wenn da wirklich etwas an der Scheibe nagt, dann wirkt sich das vermutlich auch auf die Fähigkeit solcher Gebilde aus, Planeten zu bilden. Ganz nebenbei hätte man die Richtung und die Stärke der Strömung des interstellaren Gases in dieser Region bestimmt. Was ja auch nicht schlecht ist.
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(1) Nicht schlecht für ein Instrument, über das anfangs nur Hohn und Spott ausgeschüttet wurde, weil es doch so teuer wäre und angeblich nichts bringen würde.
(2) Ja, hier muss man das Licht als Welle betrachten. Mir ist beim Nachschlagen der Effekte wieder aufgefallen, dass ärgerlicherweise unter Streuung so ziemlich alles zusammengefasst wird, wo Licht rein und wieder raus kommt. Egal, was in der Mitte so passiert. Ich weiß, dass das damals die Leute nicht besser wussten, dennoch ist es immer wieder extrem verwirrend.
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Debes, J., Weinberger, A., & Kuchner, M. (2009). INTERSTELLAR MEDIUM SCULPTING OF THE HD 32297 DEBRIS DISK The Astrophysical Journal, 702 (1), 318-326 DOI: 10.1088/0004-637X/702/1/318
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