Tobias hat es bereits angesprochen. Der typische Blogger ist weiß und männlich. Minderheiten sind selten. Jetzt geb ich mal als Minderheit meinen Senf dazu.
Ich bin gleich mehrfach “vorbelastet”. Weiblich in einem immer noch von Männern dominierten Feld – dieses Jahr sind in der Physik unter den Anfängern sage und schreibe 5% Frauen gewesen. Nach oben hin dünnt der Frauenanteil noch weiter aus. Zudem bin ich ein Gastarbeiterkind der zweiten Generation. Das bedeutet ein sozial eher schwaches Elternhaus mit vergleichsweise geringem Bildungsniveau und Deutsch nicht als Muttersprache. Jedenfalls ursprünglich.
Es hat sich noch während meiner Kindergartenzeit komplett gedreht. Umgeben von deutschen Kindern, deutschen Erziehern und deutschem Fernsehen bin ich irgendwann unbewusst auf Deutsch als Hauptsprache geschwenkt. Bei mir zu Hause sprachen wir Kinder daher nur Deutsch, während meine Eltern nur Pugliese (ein italienischer Dialekt) sprachen. Bücher hab ich mir aus der Leihbücherei besorgt. Natürlich auf Deutsch. Italienische Bücher gab es da nicht und zu Hause gab es gar keine Bücher. Erstaunlicherweise haben sich meine Eltern das “typisch deutsche” mit-nem-Feierabendbier-vor-der-Glotze-sitzen-Verhalten angeeignet. Das wiederum wurde von uns Kindern nicht übernommen. Ich selbst mag gar kein Bier.
Durch diesen anderen Hintergrund habe ich natürlich ein ganz anderes Bild auf das Bildungssystem oder auf die deutsche Gesellschaft oder auch die Berufswelt als meine Kollegen.
Mitglied einer bloggenden Minderheit zu sein, kann aber auch sehr belastend sein. Ali von Zoon Politikon muss sich z.B. neben den anderen Beschimpfungen, die wir als Wissenschaftler über uns ergehen lassen müssen, oft den Vorwurf anhören, dass er aufgrund seiner Herkunft kein richtiger Schweizer sei.
Witzigerweise wurde mir meine Herkunft bislang noch nicht zum Vorwurf gemacht. Vielleicht kommt das ja noch.
Dafür meinen aber einige Kommentatoren mir was anderes vorzuwerfen. Dass ich mich “unweiblich” verhalte. Oder nicht “damenhaft”. Am besten war noch der Kommentar einer Frau, dass meine “harte, vermännlichte” Sprache mich arrogant erscheinen lassen würde.
Hmm, ich dachte eigentlich, “Sprache” sei für jedermann zugänglich. Ich hab bisher noch kein Wort erlebt, dass sich mit Händen und Füßen wehrte, von mir geführt zu werden. Es ist außerdem sehr entlarvend, dass jemand meint, dass nur weil ich mir Dinge heraus nehme, die angeblich typisch männlich seien, würde ich eine Rolle usurpieren, die mir nicht zustünde.
Es ist erstaunlich, dass diese Sichtweise auch von Frauen vertreten wird. Ich beobachte da eine gewisse Selbstabgrenzung, gepaart mit vorauseilendem Gehorsam und als I-Tüpfelchen noch mit einem großen Sendungsbewusstsein garniert. So als ob “FRAU (TM)” sein, was ganz besonders Tolles wäre und einen über die Männer erhöhen würde. Aber natürlich hat frau gefälligst dieses Klischee “empfindsam, kinderlieb, sanft, emotional, auf’s Äußerliche bedacht” zu erfüllen, sonst kriegt man die geballte Stutenbissigkeit dieser Fraktion zu spüren. Ich sehe dagegen nicht ein, warum ich mir den Verstand amputieren sollte, um angeblich fraulicher zu erscheinen. Ganz abgesehen davon, dass meine Weiblichkeit im Grunde nur einen einzigen Menschen was angeht. Mein Partner ist bislang sehr zufrieden.
Bei manchen Leuten im Blog und im Berufsleben habe ich den mehr oder minder leisen Verdacht, dass sie mir mit altväterlicher Geringschätzung begegnen. Manche ältere Männer aber auch Frauen meinen, sie täten mir einen Gefallen, wenn sie mich mit ausgesprochener Höflichkeit an der Grenze zur Betütelung bedenken.
Wobei es da Abstufungen gibt. Manchmal merke ich, dass der Mann eigentlich das Herz am rechten Fleck hat, aber nicht so genau weiß, was er mit mir anfangen soll. Je älter so jemand ist, desto eher neige ich dazu, es ihm nachzusehen. Wobei mein eigener Großvater, der dieses Jahr 80 geworden ist, und viel eher das Recht hätte mich altväterlich zu behandeln, nicht im Traum auf diese Idee käme. Manchmal treibt es mich aber auch zur Weißglut, weil es mit einem derart arroganten Habitus gepaart ist, dass ich dem Typen am liebsten ins Gesicht springen möchte.
Schwierig sind die Fälle dazwischen. Zum einen weiß ich nicht, ob es sich nicht um ganz normale Altersdikriminierung handelt. Außerdem hab ich das Gefühl, dass der Vorwurf der “Frauenfeindlichkeit” eindeutig belegt sein muss. Sonst wird man schnell als hysterische verhärmte männerfeindliche Ferministin abgetan. Ich nenne es das Alice-Schwarzer-Syndrom.(1)
Leider zeigen diese Vorwürfe: Es gibt noch viel zu tun. Um so wichtiger ist es, ein Ventil oder einen Sammelplatz zu haben, wo man genau solche Probleme diskutieren kann. Ich finde gerade Blogs eignen sich dafür ganz hervorragend. Weswegen ich an dieser Stelle noch mal ausdrücklich die Blogs von Dr Isis und Femal Science Professor empfehlen will. Die sich anonym halten. Auch weil sie fürchten, wie es die Kollegen aufnehmen könnten. Zum Glück bin ich diesbezüglich dann doch abgeklärt genug und auch so in der Community angekommen, dass mir genau das keine Sorgen mehr macht.
In der deutschen Wissenschafts-Blogosphäre empfehle ich Carolin Liefke mit “Astronomers do it at night” und Mierk Schwabe mit “Zündspannung”.
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(1) So wichtig diese Frau als Gallionsfigur für unsere heutige Gesellschaft gewesen ist; ich kenne keine Frau, die so wie sie sein möchte. Wobei ich sowieso nicht so wie jemand anders sein möchte. Ich hab schon mehr als genug damit zu tun, ich zu sein 😉
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