Auf den ersten Blick könnte man meinen, es handle sich um Science Fiction. Aber das ist nur Tarnung.
Ich vergebe 5 von 10 Sternen für das Buch. Wer es unbedingt lesen will, dem würde ich empfehlen zu warten, bis das Taschenbuch herauskommt. Die gebundene Ausgabe ist meiner Meinung nach das Geld nicht wert.
Ich mochte “der Schwarm” eigentlich ganz gerne und vom geophysikalischen Standpunkt her war es gar nicht mal schlecht recherchiert. Außerdem fand ich das Buch sauspannend. Limit fällt dagegen meilenweit ab. Ok, es ist nicht fair. Nach so einem großen Wurf kann man nicht erwarten, dass Schätzing das Niveau halten kann.
Aber dieses Buch ist auch vor dem Hintergrund seiner anderen Bücher, die ich auch alle gelesen habe, nicht besonders gut. Dabei fängt der Prolog ganz vielversprechend an.
Dann allerdings bricht das Spannungsniveau unvermittelt massiv ein und er braucht hunderte von Seiten, bis er dieses halbwegs wieder erreicht. Das Hauptmanko des Werkes ist seine Länge (über tausend Seiten). Er hätte das Buch locker auf die Hälfte kürzen können und es wäre damit automatisch doppelt so gut geworden. Herr Schätzing verzettelt sich in Nebenschauplätzen, die im Grunde nichts zur Sache tun und nur der Effekthäscherei dienen. Dabei begibt er sich einmal meiner Meinung nach auf das allerunterste Niveau. Und dann stellt sich das Buch als simple Agententhriller-Geschichte mit einer gehörigen Portion Verschwörungstheorie nach dem Schema F heraus, die eben zufälligerweise teilweise auf dem Mond spielt. Das fand ich schon sehr enttäuschend. Insbesondere das Ende habe ich hunderte Seiten vorher kommen sehen.
Dann die Sprache und die Art der Schilderung. Herr Schätzing schreibt seine Bücher wie Drehbücher. Das ist an sich nicht schlecht. Nur hier wird ihm das zum Verhängnis, weil die Geschichte so wirkt, als ob sie aus verschiedenen Filmen zusammengeklaut und mehr schlecht als recht zusammengeklebt wurde. Die Versatzstücke aus den Filmen “Kill Bill” und “2001: Odysee im Weltraum” sind unverkennbar. Da aber die Geschichte nicht mal in die Nähe der großen Vorbilder kommt, passt es einfach nicht.
Dann die Figuren. Wieder führt er eine ganze Reihe von Figuren ein, wobei er sein Hauptaugenmerk auf den Bruce-Willis-Verschnitt Owen Jericho und seine nichtssagene Gefährtin Yoyo legt, die sich anschicken zu überleben und nebenbei die Welt zu retten. Auf der anderen Seite soll wohl auf dem Mond der Konzernchef Julian Orley der Held sein. Der ist aber – mit Verlaub – ein egozentrisches Arschloch. Ein charmantes Arschloch mit Visionen zwar aber nichtsdestotrotz ein Arschloch. Dann dieses alberne Getue mit seiner Tochter, die unter dem Übervater übermenschlich leidet. Als Gegenspieler tritt ein chinesischer (?) Söldner an, der natürlich ein Psychopath ist, das aber weiß und für seine Zwecke nutzt. Der reinste Übermensch.
Alle anderen Figuren fand ich blass, leblos und schablonenhaft. Kurz, im Gegensatz zum “Schwarm” kann ich mich ganz und gar nicht mit den Figuren anfreunden.
Dann die Physik von dem Ganzen. Oh * mein * Gott. Was ist denn da wohl schief gelaufen? Herr Schätzing gibt unheimlich damit an, mit wie vielen Leuten er geredet und wieviel er recherchiert hat. Und viele Medien fallen auf diese Augenwischerei rein, weil sie wohl meinen: “Ui, wer bei der ESA rumläuft und Leute fragt, muss wohl was Richtiges geschrieben haben.”
Hat er aber leider nicht. Dazu kommt noch: Er hätte sich diese ellenlangen, zur Hälfte falschen Schilderungen der Physik sparen oder zumindest extrem kürzen können. Der Mond und der Weltraumanzug, das Weltraumhotel und die Raffinerien dort sind bloße Staffage. Das Buch hätte sogar durch die Kürzung wieder an Tempo gewonnen.
So an dieser Stelle kann ich es mir nicht nehmen lassen rumzumeckern. Ich kennzeichne mal den Meckerbereich, falls jemand das überlesen möchte. Ich geb auch einen leichten Spoileralarm.
Anfang der Meckerei:
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Beispiele für falsche Physik: Geostationärer Orbit. So wie Herrn Schätzing das schildert, könnte man auf die Idee kommen, dass ein geostationärer Orbit dadurch ausgezeichnet ist, dass sich die auf ein Objekt wirkende Gravitationskraft und die Fliehkraft genau aufheben. Das ist bei aber jedem stabilen Orbit so, ob geostationär oder nicht. Geostationär heißt lediglich, dass zusätzlich noch die Sonde von der Erde aus gesehen am Himmel stillzustehen scheint. Weil die Umlaufdauer der Raumsonde genau mit der Rotationsperiode der Erde übereinstimmt.
Weltraumaufzug: Für die Sache mit dem Weltraumaufzug müsste ich eigentlich einen eigenen Beitrag schreiben. Beim Schätzing geht da alles durcheinander. Vor allem verwechselt er Kraft und Energie miteinander.
Vakuum: Erst erzählt der Schätzing ganz richtig, dass ein Körper nicht zerplatzt, wenn er dem Vakuum ausgesetzt ist, weil die Haut und das Gewebe schon noch das Zeug im Inneren verhältnismäßig gut zusammenhalten. Und was das doch für ein Riesenfehler sei, den man in so vielen Filmen sehe. Dabei scheint ihm völlig unklar zu sein, dass aber dennoch die Luft aus den Lungen nach Außen gedrückt wird. Zur Not auch durch das Trommelfell. Damit zerplatzt zwar nicht der ganze Körper, aber es ist schon etwas, was für die betroffene Person nicht ganz unwichtig ist.
Außerdem macht er, nachdem er sich über die Riesenfehler anderer mokiert hat, einen ebenso großen anderen Riesenfehler, den man in der anderen Hälfte der Filme sieht. Alles und jeder friert mehr oder weniger sofort ein. Das ist Quatsch.
Schon mal eine Vakuum-Thermometer in der Hand gehabt? Vakuum isoliert sogar erstmal. Wärme verliert ein Körper über drei Arten, für zwei davon braucht es Luft und nur die dritte ist sowohl im Vakuum wie auch unter Luftdruck wirksam: Wärmeabstrahlung. Diese ist aber gleichzeitig die langsamste Art, Wärme zu verlieren. Vakuum ist nicht kalt. Es ist “nur” nicht warm. Da ist halt kein Molekül mehr, das seine Wärme mit einem teilen oder einem stehlen kann. Wenn man im Vakuum auf dem Mond in der prallen Sonne stehen würde, zöge man sich sogar über kurz oder lang einen gehörigen Sonnenbrand zu. Was man allerdings sowieso nicht erleben würde, weil man vorher längst erstickt wäre. Es ist der Sauerstoffmangel, der einen Menschen im Vakuum tötet.
Der Gipfel der Lächerlichkeit: Als einer der Protagonisten auf dem Mond seinen Helm abgenommen bekommt, lässt Herr Schätzing erst einmal sein Gehirn weich kochen, bevor er den toten Helden urplötzlich einfrieren lässt. Das hat mir ein gehöriges WTF? entlockt. Warum zum Geier sollte denn ein Gehirn kochen? Weil das Wasser verdunstet? Wieso sollte denn im Kopf drinnen im Gehirn, das recht hermetisch gegen die Außenwelt abgeschlossen ist, Wasser verdunsten? Dazu müsste man erst mal eine Reihe von Löchern in den Schädel bohren und dann hat der betreffende Mensch definitiv andere Probleme als aus dem Gehirn entweichendes Wasser.
Außerdem scheint Herr Schätzing in seinem Leben niemals geschwitzt zu haben. Sonst wäre ihm aufgefallen, dass verdunstendes Wasser kühlt und nicht erhitzt. Und selbst wenn man Wasser ins Vakuum stellen und da ein Gehirn reinhalten würde, dann würde das sicherlich nicht hart gekocht. “Wärme” ist bei Molekülen gleichbedeutend mit Bewegungsenergie. Und wenn da keine Luftmoleküle von oben die Wassermoleküle wieder in den Behälter reindrücken, dann entweichen die. Die wärmsten und damit bewegungsschnellsten zuerst. Wodurch die Temperatur in der verbliebenen Flüssigkeit abnimmt, weil die langsameren und damit kühleren Wassermoleküle übrig bleiben. Ja, das Wasser würde blubberm und Blasen werfen, aber es würde dennoch nicht heiß.
Leider zeigt der Fall Schätzing, dass Recherche in drei Schritten abläuft.
Der erste Schritt: Suche Dir ne Quelle! Einen Experten oder ein gutes Buch.
Der zweite Schritt: Versuch zu verstehen, was Dir gesagt wird!
Der dritte Schritt: Versuch es so zu beschreiben, dass es auch andere verstehen!
Frank Schätzing scheitert sehr oft an Punkt 2, aber spätestens an Punkt 3. Er hat es anscheinend nicht für nötig gefunden, wenigstens mal das Buch einem Physiker zur Kontrolle gegen lesen zu lassen. So wichtig scheint ihm das mit der “richtigen” Physik also auch nicht gewesen zu sein.
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(Ende der Meckerei)
Aber wie bereits weiter oben erwähnt; eigentlich ist die Physik und die Technik für das Buch reichlich unerheblich. Daher würde ich es auch nicht als Science Fiction bezeichnen. Andererseits soll es ja auch kein Bildungswerk sein, sondern unterhalten. Das gelingt dem Buch trotz seiner Längen halbwegs gut. Es ist halt ein solider Agententhriller, von dem man jetzt nicht was Gott weiß erwarten sollte. Wer sich nicht von über 1000 Seiten abschrecken lässt und auch Ken Follet gut fand, der könnte seinen Spaß haben.
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