Wissenschaftliche Arbeit hat manchmal was von einer akrobatischen Höchstleistung:
Mir und anderen Kollegen geht es da ziemlich ähnlich. Wir halten nicht ein, sondern mehrere Projekte in der Schwebe. Hier müssen ein paar tausend Lichtkurven ausgewertet werden, dort schreib ich an zwei Papern gleichzeitig. An einer anderen Stelle arbeiten mehrere Leute an eigenen Papern, auf denen ich als Co-Autor Daten und Analysen beigetragen habe. Jetzt aber erwarten die Kollegen auf die ersten Entwürfe vernünftige Kommentare meinerseits. Hüben muss die Software zur Datenreduktion für unsere Instrumente komplett überarbeitet werden. Ach und nebenbei müssen Daten archiviert werden. Aber nicht irgendwie. Es muss dem NASA Planetary Data System genügen. An sich ist die Idee dahinter gut. Der kleine Doktorand/Diplomand soll auch noch in 20 Jahren mit den heute aufgenommenen Daten arbeiten können. Aber die Details…
Erst mal die PDS Standard Referenz durcharbeiten. Über 500 Seiten an Dokumentation. Und dann hat man erst mal nur ne grobe Idee, was man da machen soll. Nach ein paar Jahren Erfahrung auf diesem Gebiet würde ich mir am liebsten ne Zeitmaschine bauen, zurück reisen und meinem jüngeren Ich sagen: “Nein, mach das bloß nicht so. Das wirst Du in 4 Jahren bitterlich bereuen.”
Ehrlich wenn man mit studentischen Hilfskräften Word-Dokumente mit ein paar hundert Seiten inklusive Zeichnungen in ASCII übersetzt hat, dann steht man kurz davor Amok zu laufen. Dank übrigens an dieser Stelle an alle studentischen Hilfskräfte in allen Arbeitsgruppen dieser Welt. Ohne Euch wären die Läden schon längst zusammengebrochen.
Ach und dann stehen noch diverse Konferenzen an, auf denen man seine neusten Ergebnisse vorstellen soll.Außerdem sollte ich noch die Publikationen der Kollegen lesen, um auf dem Laufenden zu bleiben. Besonders ärgerlich ist es dann, wenn Forscher auf den amerikanischen Eliteunis scheinbar ein Paper nach dem anderen raushauen. Kunststück. Wer locker mindestens doppelt so viele Leute für ein ähnliches Arbeitsaufkommen zur Verfügung hat, der kann auch mal vier Paper im Jahr schreiben. Wie soll man dagegen ankommen? Noch die Nacht und das Privatleben komplett opfern?
Wehe, wenn dann irgendwie Sand ins Getriebe kommt. Wenn eine Projekt, das ursprünglich einen Monat hätte dauern sollen, in ein dreimonatiges transatlantisches Hick-Hack ausartet. Oder diverse Kollegen Beiträge für ein wichtiges Paper versprechen und sich dann wochenlang gar nicht melden. Selbst auf diverse Erinnerungen kommt dann “Ach ja, ich bin noch nicht dazu gekommen. Aber demnächst…” Als ich dann die Leute nach Monaten auf Meetings endlich mal persönlich traf, hieß es dann: “Ich weiß, Du hast mir da eine Email geschrieben. Was stand da noch mal drin?”
Ehrlich, ich selbst hab ein tierisch schlechtes Gewissen, wenn ich mal auf ne Email-Anfrage erst nach 3 Wochen reagieren kann und andere machen sich noch nicht mal die Mühe vor so einem Meeting die Emails zu checken. Das sind dann die Momente, wo ich am liebsten zum Hulk werden möchte:
Tja, wer hat je behauptet, dass in der Wissenschaft alles Liebe, Freude und eitel Sonnenschein wäre? Ich nicht 😉 Hier geht genau derselbe Driss ab, wie in der “freien Wirtschaft”.
Irgendwann ist daher bei aller Begeisterung für die Arbeit einfach Schicht im Schacht und man braucht ne Auszeit. Das war dann auch der Grund für das große Schweigen hier. Ich hatte schlicht keine Lust mehr auf gar nichts und war nur noch angenervt. Da kam die Karnevalszeit gerade recht, um mich so einzuschließen und mal ne Ruhephase einzuschieben. Pendeln mit Bus und Bahn macht dann sowieso keinen Spaß.
Aber auch diese Frustphase geht vorbei. Wie meinte ein Kollege letztens aufmunternd zu mir: “Weiter arbeiten, wenn es gut läuft, kann jeder. Aufstehen und weitermachen, wenn man gerade richtig was in die Fresse gekriegt hat, das ist schwer.”
In dem Sinne…Auf geht’s!
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