Heute/Gestern bin ich mal den Kollegen von der Kernphysik auf’s Dach gestiegen 😉
Ok, Arbeitssicherheit ist anders, aber es sind ja Physiker. Die sollten wissen, was sie da tun 😉
Natürlich hab ich mich auch hoch begeben, um dieses denkwürdige Ereignis festzuhalten:
Heute wurde nämlich CologneAMS angeliefert. Der neue Teilchenbeschleuniger. Oder genauer gesagt die Hülle, der Beschleunigertank. Jaha, es muss nicht immer nur so fette Teile wie am CERN sein, es gibt die Teile auch ne Nummer kleiner.
Der CologneAMS ist aber nicht für die Suche nach bislang unbekannten Teilchen gedacht, es geht um die hochauflösende Analyse von Proben. TV-Junkies “kennen” das aus der Serie CSI. Da steckt jemand eine Probe in ein Gerät und am anderen Ende kommt dann heraus, aus welchen Komponenten diese Probe besteht. CologneAMS ist genau so ein Gerät, genauer gesagt ein Massespektrometer, das auch sehr kleine Proben im Milligramm-Bereich analysieren kann. Auch Gase können analysiert werden. Gesucht wird nach radioaktiven Bestandteilen von Sedimenten, die als “Uhren” dienen. Und das geht so:
Radioaktivität, da sollten wir uns nichts vormachen, ist unser ständiger Begleiter. Ständig kommen hochenergetische Teilchen und Strahlung aus dem Weltall (auch von unserer Sonne) auf uns zu und “beschießen” Moleküle und Atome in unserer Atmosphäre. Dabei werden auch radioaktive Stoffe geboren. Das sind allerdings Stoffe mit ganz besonders begrenzter Lebensdauer. Diese Substanzen sind nämlich nur deswegen radioaktiv, weil sie vergehen. Die Strahlung, die sie abgeben, markiert ihren eigenen Tod.
“Normalerweise” findet in der Erdatmosphäre ein ständiges Vergehen und Entstehen an Radioaktivität statt. Zeugs kommt rein, Zeugs geht wieder weg und in der Mitte bleibt halt der Nettoanteil an Radioaktivität übrig. Dieser pendelt sich hier auf der Erde normalerweise auf einem gleichmäßigen Level ein. Das gilt auch für alles und jeden, der mit diesen Substanzen ständig in Berührung kommt. Wir Menschen atmen sie Zeit unseres Lebens ein und auch zwischen den obersten Erdschichten und der Luft findet ein Austausch statt. Wir sind also alle ein bisschen radioaktiv.
Wenn ein Mensch aber stirbt und begraben wird, atmet er auch kein radioaktives Gas mehr ein. Das radioaktive Material, das er zum Zeitpunkt seines Todes im Körper hatte, zerfällt nur noch. Ähnliches gilt für Erdschichten, die aus irgendwelchen Gründen von der Luftzufuhr abgeschnitten wurden.
Zum Glück für die Forschung zerfällt ein radioaktiver Stoff nicht irgendwie, sondern nach einer ganz bestimmten Gesetzmäßigkeit, nach der Halbwertszeit, die für jeden Stoff charakteristisch ist. Man muss jetzt also “nur” noch wissen, wie hoch der Anteil an einem bestimmten radioaktivem Material zu Lebzeiten bzw. zu Zeiten mit Luftzufuhr war. Ausgehend davon kann man berechnen, wieviel Zeit zwischen damals und jetzt vergangen ist.
Wenn denn noch genügend von der “Uhr” da ist, um sie abzulesen. Denn radioaktive “Uhren” verbrauchen sich ja selbst. Es gibt nun langsamer und schneller zerfallende Stoffe bzw. schnell und langsam tickende Uhren. Die schneller tickende Uhren werden schneller unleserlich. Aber eine extrem langsam tickende Uhr nutzt einem auch nichts, wenn sie zu träge ist, um einen relativ schnell ablaufenden Prozess vermessen zu können. Man nimmt auch keine Standuhr, um den Flügelschlag eines Kolibris aufzuzeichnen. Oder wenn von vornherein der Anteil an langsam tickender Uhr so klein ist, dass der zerfallende Rest kaum noch auszumachen ist. Auch wenn die Probe bereits an sich sehr klein ist, wird es schwierig den winzigen Anteil an Radioaktivität zu bestimmen.
Es gibt also einige Gründe, warum es manchmal nötig ist, möglichst einzelne zerfallende radioaktive Atome zu vermessen. CologneAMS ist so ein ultragenauer Radioaktive-Uhren-Ableser. Der demnächst hier zum Einsatz kommen wird.
Mehr Bilder zum Ereignis gibt es übrigens hier: Anlieferung des CologneAMS
Übrigens, wenn man sich mal ansieht, wie viel Aufwand für so ein vergleichsweise kleines Gerät in der Realität betrieben wird, dann sind die Fieberphantasien über Wissenschaft, die z.B. derzeit in Fringe und FlashFoward ausgelebt werden, umso lächerlicher.
Es ist absolut lächerlich zu behaupten, dass ein oder zwei Leute heutzutage bahnbrechende Experimente im Unikeller durchführen können. Für so etwas braucht man jede Menge Gerätschaften, dutzende von Leuten, Labors, schweres Gerät zur Anlieferung etc. pp. Und schon gar nicht lässt sich so etwas geheim halten. Im Gegenteil, die Forscher teilen freiwillig und gerne mit, was sie da treiben. Zumindest die Kollegen auf dem Fachgebiet weltweit wissen genau, was z.B. heute in Köln eingebaut wurde. Da kann nichts geheim gehalten werden.
Es wäre ja nicht schlimm, wenn die Leute vor dem Fernseher erkennen würden, dass die “Wissenschaft” in solchen Serien absolut nix mit der Realität zu tun hat. Wenn ich mir allerdings so ansehe, mit welchen absolut lächerlichen Verschwörungstheorien hier so manche Kommentatoren aufschlagen, dann ist dem leider nicht so.
Dabei ist die Wirklichkeit soviel spannender als die Kindergarten-Vorstellung irgendeines Hollywood-Autoren, der sich im Grunde auch nur bei anderen Hollywood-Autoren vor ihm bedient. Richtig gute Science-Fiction kam und kommt nicht umsonst von Leuten, die nicht nur begnadete Schreiber sind, sondern auch eine profunde naturwissenschaftliche Basis ihr eigen nennen.
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