Gestern hat CoRoT sieben neue bestätigte Planeten gemeldet und heute meldet Kepler 750 Planetenkandidaten.
Nachtrag: Das folgende Video ist seit heute 16.6.2010 nicht mehr öffentlich verfügbar. Gestern abend konnte ich es noch ansehen. Ich vermute, es wurde zur Überarbeitung zurückgezogen. Wenn ein neues herauskommt, werde ich es hier einstellen.
Tja, hier kommt der Unterschied zwischen amerikanischer und europäischer Planetenjäger-Mentalität zum Tragen. Die Amerikaner preschen gerne auch mit spekulativen oder wie hier vorläufigen Ergebnissen vor, während die Europäer erst dann den Mund aufmachen, wenn sie wirklich, wirklich sicher sind, dass es sich um einen Planeten handelt – und nicht um zwei sich gegenseitig umkreisende Sterne.
Kepler und CoRoT, beide Teams, suchen nach solchen Signalen:
Der Transit eines Planeten. Nur dummerweise kann ein sehr kleiner Stern, der einen größeren umkreist, ein sehr ähnliches Signal erzeugen. Mit der Transitmethode kriegt man die Größe des fraglichen Objektes heraus, aber nicht seine Masse. Die kann man nur mit größeren Teleskopen vom Boden aus nachmessen. Solange das nicht passiert ist, kann man lediglich von einem Verdacht auf einen Planeten sprechen.
Noch viel schlimmer, wahrscheinlich wird ein nicht unerheblicher Teil der Kandidaten in den nächsten Jahren nicht aufzuklären sein. Planeten um schwache Sterne mit Magnituden größer als 14, sind nur mit erheblichem Aufwand bzw. zunächst einmal gar nicht nachzuweisen. Wir kommen da schlicht ganz, ganz schnell an die Grenzen der Leistungsfähigkeit. Es wird sogar immer schwerer, zumindest die Binärsterne auszusortieren. Das birgt allerdings die Gefahr begrenzte und begehrte Teleskopzeit für Binärsterne zu “verschwenden”. Wenn man zuviel, Ressourcen auf “Ausschussware” verwendet, dankt einem das keiner. In der Zwischenzeit könnte man sich andere interessante Objekte anschauen oder ein paar Paper schreiben.
Ich versuche mal die Situation wie folgt zu veranschaulichen: Die amerikanischen und europäischen Planetenjäger sammeln jeder in ihrem eigenen Obstgarten. Beide Teams suchen vor allem nach Äpfeln (=Planeten). Es geht alles nur um Äpfel, Äpfel und noch mal Äpfel. Je kleiner desto besser. Ganz besonders begehrt ist der Apfel der Sorte “zweite Erde”.
Wir wissen aber, dass wir zunächst einmal vor allem Quitten (=Doppelsternen) finden werden. Dummerweise sind die kleinsten und begehrtesten Äpfel auch am aufwendigsten von den kleinen Quitten zu unterscheiden.
Die Amerikaner stellen jetzt einfach die die ganze Obstkiste ihrer ersten Ausbeute hin und schreien: “Äpfel, ganz viele frische Äpfel…sind da irgendwo auch mit drin”. Während die Europäer nur die mühsam herausgesuchten und auf Hochglanz polierten Äpfel, die auch wirklich Äpfel und nix anderes sind, ganz stolz präsentieren. Und sich wundern, warum alle zum Schreihals mit der gemischten Obstkiste rennen 😉 Man muss es den Kepler-Leuten einfach lassen. Die verstehen was von PR.
Bild (NASA/Kepler mission/Wendy Stenzel): Künstlerische Darstellung des Kepler-Satelliten vor einem fernen Planetensystem.
Die Kepler-Leute wissen natürlich ganz genau, dass die meisten ihrer Kandidaten wahrscheinlich keine Planeten, sondern eben solche sich gegenseitig bedeckende Doppelsterne sein werden. In Nature-News spricht William Borucki von bis zu 50% Kontamination mit Nicht-Planeten. 50% halte ich allerdings aufgrund meiner Erfahrung mit den CoRoT-Daten für sehr optimistisch. Ich würde eher 80% Kontamination für realistisch halten. Doppelsterne scheinen nun mal wesentlich häufiger vorzukommen als Planeten auf engen Umlaufbahnen.
Ach sagte ich gerade, dass die Kepler-Leute ihre ganze Obstkiste herausstellen? Das stimmt nicht so ganz.
In Wahrheit stellen die Amerikaner “nur” 350 ihrer Kandidaten raus. Die besten – das heißt hellsten und vielversprechendsten – Planetenkandidaten behalten die Kepler-Leute ein weiteres halbes Jahr ganz für sich alleine. Obwohl eigentlich nur eine einjährige Besitz-Phase vereinbart war. Das war zumindest bislang die Philosophie bei allen NASA-Missionen.
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Ich allerdings finde, dass die Kepler-Leute einen guten Grund haben, ihre 400 Best-of der Planetenkandidaten zumindest noch diesen Sommer zurückzuhalten. Damit die Leute, die 10 Jahre ihres Lebens in diese Mission investiert haben, auch die Chance bekommen, ihre Fürchte zu ernten.
In dieser unsere Realität dankt es nämlich einem Wissenschaftler keine Sau, wenn er 10 Jahre lang weniger wissenschaftliche Paper als die Konkurrenz geschrieben hat, weil man in dieser Zeit dringend notwendige und sehr aufwendige Projektarbeit für eine Satelliten-Mission betrieben hat. Die übrigens nach dem Start nicht einfach aufhört. Der Satellit und die Daten müssen ja immer noch gehegt und gepflegt werden. Es geht also vor und während dieser Satelliten-Mission Geld und Ressourcen für die operationale Arbeit drauf. Die dann für wissenschaftliche Fachaufsätze fehlt, die aber letztendlich wirklich das Geld und den Ruhm einbringen, wodurch sich noch mehr Gelder einwerben lassen.
Daher ist der Konsens in solchen Fällen, dass man die Forscher für ihre Mühen “bezahlt”, in dem man ihnen für ein Jahr alleine Zugang zu den Daten gibt. Tja und die Kepler-Leute haben eben festgestellt, dass sie noch diesen Sommer brauchen. Danach werden die Daten auch öffentlich gemacht. Aufgehoben ist nicht aufgeschoben.
Auch wenn da andere Leute anderer Meinung sind:
B. Scott Gaudi, an astronomer and planet hunter at Ohio State University, said there were more planet candidates than the Kepler team members could check by themselves. “They need help,” he said. “If they were more open they would be able to get more science out.”(NY-Times)
Ach schön und die Helfer schreiben dann die Paper und erwähnen die Kepler-Leute lobend irgendwo im Anhang. Klar, das motiviert dann Forscher natürlich wiederum Zeit und Mühen in so eine Mission zu investieren, auf dass dann andere – weil sie eben die Zeit, das Geld und die Leute haben – die besten Stücke herauspicken.
But then he added: “Who am I to say this? I didn’t put 10 years of my life into this.”
Richtig! Genau das isses.
Übrigens die folgende Begründung halte ich für ausgemachten Blödsinn:
He also worries about releasing “half-baked” candidates that the media will jump on without an understanding of their uncertainty. “My worry is less of being scooped than it is of putting out inaccurate estimates of what exoplanets are really like out there,” he says. (Nature News)
Och, bitte! Das kauf ich denen nicht ab. Bislang hatte ich eher den Eindruck, dass gerade die NASA-Leute eher nach dem Motto “Only no news is bad news” verfahren. Und was sollen die Medien-Leute mit Lichtkurven anfangen? Außerdem kann man die Daten ordentlich dokumentiert und immer wieder betonen, dass es nur vorläufige Ergebnisse sind. Es ist außerdem nicht so, als ob die Kepler-Leute die einzigen wären, die mit solchen Daten umzugehen wüssten. Neben dem CoRoT-Team gibt es einen ganzen Haufen Teams, die mit bodengestützten Teleskopen nichts anderes machen (OGLE, WASP, TrES etc.).
Ich stimme daher Malcolm Fridlund von der ESA ganz und gar nicht zu, wenn er in Nature-News sagt:
The Kepler team also shouldn’t worry too much about scientific competitors taking the team’s data and beating it at its own game, says Malcolm Fridlund, the European Space Agency (ESA) project scientist for the COROT spacecraft (Convection, Rotation and Planetary Transits), a French mission that also looks for planets but which has a 0.3-metre telescope — smaller than Kepler’s. Fridlund says there is “no way” the COROT team was planning to use the public Kepler data as it is too busy trying to confirm its own backlog of several hundred candidates.
Ja, wir sind ziemlich beschäftigt, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass bei richtig guten Kandidaten um helle Sterne die Versuchung groß ist, da doch noch draufzuschauen. Man ist ja auch neugierig, nicht wahr?
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