Der Marsmond Phobos war hier und drüben bei Florian ein paarmal Thema. Insbesondere berichtete ich hier über unsere Vorbeiflüge an Phobos, mit dem wir hier und auch in Brüssel versuchen den Mond zu “wiegen” und vielleicht sogar in sein Inneres zu sehen. Wobei ein bisschen ins Innere schauen, können wir schon jetzt.
Wie gesagt, wir haben in den letzten Jahren Phobos insgesamt dreimal vermessen. Zuletzt im März diesen Jahres. Ich will aber hier von den Ergebnissen der beiden Phobos-Vorbeiflüge in den Jahren 2006 in 460 km und 2008 in 275 km Entfernung berichten.
Die Messmethode habe ich hier dargestellt. Ganz kurz dargelegt: Wir messen über den Doppler-Effekt der Radiowellen wie stark Phobos die Raumsonde von seiner vorberechneten Bahn abgelenkt hat. Daraus kriegen wir dann die Gravitationskraft des Körpers und über die Kenntnis des Volumens des Mondes (den HRSC-Bildern sei Dank) ergibt sich Dichte. Was einem in Prinzip schon eine ganze Menge über die Natur des Körpers verrät. Wenn man denn die Masse genau genug gemessen bekommt.
Bild [Andert at al., 2010]. Massenabschätzung von Phobos aufgrund verschiedener Messungen in den letzten Jahrzehnten. Also eigentlich GM. G ist hier die Gravitationskonstante und die M die gesuchte Masse.
Nahe Vorbeiflüge, ferne Vorbeiflüge, frühe Vorbeiflüge
Mars Express ist die erste Sonde seit über 20 Jahren, die nahe Vorbeiflüge am Phobos absolvieren kann. Vorher konnten das nur Viking im Jahr 1977 und Phobos 2 Im Jahr 1989. Wie man im Bild sieht, waren die Vorbeiflüge in den 70er/80er Jahren mit relativ großen Fehlern behaftet. Damals waren aber auch das Gravitationsfeld des Mars und die Orbitdaten von Phobos nicht so genau bekannt. Kein Wunder! Es waren Pioniersonden. Dafür, dass die Forscher von damals kaum wussten, was sie vorfinden würden, war die erbrachte Leistung schon sehr ordentlich. Ein leicht verwaschenes Bild von einem bis dahin völlig unbekanntem Teil der Realität ist um Längen besser als gar keins.
Aber Forschung – und auch Weltraumforschung – entwickelt sich weiter, baut auf den früheren Messungen auf und versucht sich an einem immer genaueren Bild. Andere Leute haben danach mit so ziemlich jeder Sonde, die den Mars jemals umkreiste (mit Mariner 9, dem Viking Orbiter, Mars Global Surveyor, Mars Odyssey, und auch mit Mars Express selbst.) versucht, den Gravitationseinfluss des Phobos aus der “Ferne” zu bestimmen. Der Einfluss ist zwar sehr gering, Phobos hat schließlich gerade mal einen Durchmesser von etwa 20 km, aber wenn man über sehr, sehr viele Orbits mittelt und alles andere herausfiltert, kriegt man prinzipiell einen kleinen, aber stetig wirkenden Effekt dennoch heraus. Und wir sprechen hier von einem Gravitationseffekt der 100 Millionen mal kleiner ist als der des Mars selbst.
Bild (NASA/JPL/Malin Space Science Systems): MGS-Bilder vom 1. Juni 2003 aufgenommen mit MOC (oben Weitwinkel und unten im *äh* Narrow angle(?)) in etwa 9670 km Entfernung. Nur damit Ihr so eine Idee habt, was nahe und ferne Vorbeiflüge bedeutet.
Rezept zum Asteroiden messen
Jetzt eben die beiden neuen nahen Vorbeiflüge, um das Bild vielleicht noch weiter abzurunden. Tom Andert, inzwischen am Raumfahrt-Institut der Bundeswehr in München‐Neubiberg (früher hier bei uns ;-)), und Pascal Rosenblatt vom Königlichen Observatorium von Belgien in Brüssel haben sich jeweils unabhängig über dieselben Datensätze hergemacht, um den Gravitationseinfluss von Phobos auf Mars Express und damit seine Masse herauszurechnen. Das Rezept lautet: Man nehme den gemessenen Dopplereffekt der Radiowelle der Raumsonde, füge eine möglichst genaue Bestimmung der Postion der Raumsonde relativ zum Mond und den Radioantennen auf der Erde hinzu. Vergesse dabei nicht, dass sich die Bodenstation mit den Kontinenten, auf denen sie stehen, aufgrund der Plattentektonik verschieben und runde das Ganze dann mit einer möglichst genauen Kenntnis des Gravitationsfeldes des Mars ab, unterdrücke das Rauschen und voilá: GM des Marsmondes Phobos. G ist die Gravitationskonstante.
Bei so vielen Zutaten, die zudem nicht wirklich anschaulich sind, gibt es viele Möglichkeiten sich zu vertun. Umso erfreulicher ist es da, dass Pascal Rosenblatt und Tom Andert zu einem konsistenten Ergebnis gekommen sind.
Zwei Teams: dasselbe Ergebnis
GM =(0.7120 ± 0.0120) × 10−3 km3/sec2 aus dem ersten Vorbeiflugs,
GM = (0.7127 ± 0.0021) × 10−3 km3/sec2 aus dem zweiten Vorbeiflugs nach Tom Andert.
GM = (0.711 ± 0.003) × 10−3 km3/sec2 nach Pascal Rosenblatt aus den Daten des zweiten Vorbeiflugs. Und es stimmt ziemlich gut mit den anderen Werten überein, die von anderen Teams mit einer anderen Methodik erstellt wurden. Das nennt sich Reproduzierbarkeit und unabhängige Bestätigung. Eine der Grundpfeiler der Wissenschaft, die sicher stellen soll, dass nicht der persönliche Wunschtraum einer Person zur Realität erklärt wird. Wie das ja leider oft genug bei den Pseudo-Wissenschaften der Fall ist. Wer sich gegen eine objektive unabhängige Überprüfung seiner Ergebnisse wehrt, hat es nicht verdient das Gütesiegel “Wissenschaft” zu tragen. Das muss man sich erst verdienen.
Ok, so weit die Zahlenwerte. Lasst uns mal das Ganze mit Fleisch füllen 😉
Ein fluffiger kohliger Klumpen mit einer fetten Delle
Ausgehend von den HRSC-Bildern und dem berechneten Volumen ergibt das eine mittlere Dichte von 1876 ± 20 kg/m3. Phobos besteht aber anscheinend aus kohligen Chondriten mit einer Dichte von etwa 2800 kg/m^3. Asteroiden wie Ceres haben eine Dichte von 2300 kg/m^3 oder wie Vesta etwa von 3000 kg/m^3.
Die Zusammensetzung von Phobos bestimmen Forscher, indem sie z.B. mit dem Instrument TES auf Mars Global Surveyor Spektren aufnehmen. So eine Aufspaltung des von Phobos reflektierten Lichtes erzählt einem viel über die Zusammensetzung des Gesteins. Ach, dabei fällt mir auf, dass Phobos übrigens fast gar kein sichtbares Licht reflektiert. Der Mond ist dunkelgrau (Albedo = 0.07) Eben ein ziemlich großer kohliger Klumpen 😉 Ach ja und seht Euch diesen fetten Stickney-Krater an. Was’n Einschlag und Phobos gibt es immer noch.
Die Dichte des Materials, aus dem der Mond zumindest an der Oberfläche besteht und die mittlere Dichte passt irgendwie gar nicht zusammen.
Ein eisiger Kern oder ein Körper voller Knautschzonen?
Lösungsvorschläge?
a) Die kohlige Schicht ist nur außen und innen steckt etwas wesentlich weniger dichtes. Bleibt eigentlich fast nur Wassereis übrig. Aber dann müsste man zumindest Spuren von Wasser auch an der Oberfläche finden. Sieht man aber nicht.
b) Man löst sich von der Vorstellung, dass Phobos ein kompakter Körper ist und lässt einen 30%igen Anteil von Hohlkörpern zu. Das würde auch erklären, warum der fette Einschlag, der den Stickney-Krater erzeugt hat, Phobos lediglich ein bisschen eingedellt, aber nicht völlig zerstört hat. Phobos hat eingebaute Knautschzonen.
Das wiederum passt ganz und gar nicht zu der Hypothese, dass Phobos ein eingefangener Asteroid ist. Ein so loses Objekt hätte es bei den Kräften, die bei einem Einfang frei werden, zerrissen. Ganz abgesehen davon, dass es mit der Entstehungshypothese noch andere Probleme gibt. Wenn man z.B. basierend darauf versucht, die Entwicklung der Bahnen der Marsmonde Phobos und Deimos zu rekonstruieren, kollidieren in der Vergangenheit die beiden miteinander. Da die beiden Objekte aber offensichtlich noch da sind und sich nicht gegenseitig zerschlagen haben, stimmt da irgendwas nicht.
Aus Trümmern geboren?
Aus diesem Dilemma gibt es mangels Zeitmaschine ad hoch erst einmal zwei Lösungen:
a) Es wurde tatsächlich ein Asteroid eingefangen, der aber viel größer war als Phobos und Deimos zusammen. Den hat es während des Einfangprozesses zerrissen und aus den Bruchstücken haben sich dann die beiden gebildet.
b) Der Mars ist – ähnlich wie die Erde auch – ein Überlebender einer streifenden Kollision mit einem Protoplaneten, als der Planet noch blutjung war. Einige Trümmer sind weder wieder auf den Planeten zurückgefallen, noch in die Weiten des Weltalls entwichen und haben eine kleine Trümmerwolke um den Planeten entwickelt. Aus den Trümmern haben sich die beiden Monde lose zusammen geklumpt.
Beide Erklärungen passen übrigens zu den seltsamen Rillen auf Phobos. Die bislang am plausibelsten erscheinende Erklärung ist, dass der Mond nicht einmal, sondern viele Male von anderen Objekten getroffen wurde. Die Rillen lassen sich durch kleine Einschläge von mindestens 12 Objekten erklären.
Es bleibt viel zu tun
Soweit der Stand der Dinge. Die Herkunft der Monde Phobos und Deimos bleibt rätselhaft. Also müssen andere Methoden ran. Z.B. planen die Russen mit Phobos Grunt eine Sonde auf Phobos abzusetzen und Materialproben zu nehmen. Damit könnte man zumindest die These “Entstehung aus Marssplittern” versus “Entstehung aus einem großen Asteroiden” besser überprüft werden.
Andert, T., Rosenblatt, P., Pätzold, M., Häusler, B., Dehant, V., Tyler, G., & Marty, J. (2010). Precise mass determination and the nature of Phobos Geophysical Research Letters, 37 (9) DOI: 10.1029/2009GL041829
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