Was ist wohl das Allerschlimmste für einen hoffnungsvollen Entdecker? Noch dazu wenn er den Planeten seiner Liebsten gewidmet hat?
Der Schauplatz war Turin in Italien auf der IAU-Tagung. Der “Spielverderber” war Francesco Pepé vom HARPS-Team. Das HARPS-Team ist sozusagen die europäische Konkurrenz der im ersten Beitrag feiernden amerikanischen Forscherinnen. Andererseits haben die Leute von HARPS die ersten drei Planeten im Gliese 581-System entdeckt. Wenn also jemand dieses System in- und auswendig kennen sollte, dann die.
Jedenfalls haben Herr Pepe und seine Kolleginnen in ihre Daten geschaut und konnten weder Gliese 581 g – die vor kurzem groß gefeierte Super-Erde – noch Gliese 581 f wiederfinden, der im gleichen Fachaufsatz vorgeschlagen wurde. Dieser 7-Erdmassen-Planet soll alle 433 Tage seine Kreise im System ziehen.
Wir haben also zwei Teams diesseits und jenseits des Teichs, die zwei leicht unterschiedliche Datensätze des Gliese 581-Systems mit ihrer eigenen Software analysiert haben und zwei unterschiedliche Ergebnisse. Ein Team sieht zwei weitere Planeten und das andere nicht.
Bild (Steven Vogt et al., 2010, ApJ, ich hab nur die vermuteten Planeten g und f markiert): Die Messungen der Planeten-Masse des Einflusses der Planetenmasse auf den Stern im Gliese 581-System für einen vollen Umlauf des jeweiligen Planeten (Ich hab die Erklärung nachträglich präzisiert). Das rote sind Messungen mit dem amerikanischen System und die blauen Punkte sind die inzwischen frei verfügbaren Messungen des Schweizer Systems.
Nachtrag: Oben sollen wir von óben nach unten Gliese 581 e, b, c, g, d & f sehen. Die sind nach zunehmender Orbitperiode sortiert.
Hmm… Ich bin jetzt kein Radial-Geschwindigkeits-Experte, aber die Daten zu den vorgeschlagenen Gliese 581 g und f-Planeten hauen mich immer noch nicht vom Hocker. Das sind schon zwei verdammt schwache Signale. Deswegen habe ich auch im letzten Beitrag konsequent von “vermutet” gesprochen.
Ich weiß es nicht. Entweder interpretiert das amerikanische Team da etwas hinein, was nicht da ist oder aber das Schweizer Team ist nicht so genau und so gut, wie sie denken.
Tja, das ist nun mal Wissenschaft am Rande des technisch Machbaren. Jemand schlägt was vor und jemand anderes versucht das nachzuvollziehen und bestätigt das – oder eben auch nicht. Ich kann mir schon gut vorstellen, dass sich Vogt und Co vertan haben und ihre Daten überinterpretieren. Der Preis ist ja auch so verdammt heiß und verführerisch: Der erste Planet, der mitten drin in einer habitablen Zone liegt, statt gerade mal am Rand zu kratzen. Wer das Ding einsackt, der erntet Ruhm und Ehre und für weitere Forschungsvorhaben ist das auch nicht hinderlich.
Deswegen ist es immer wichtig, die Worte Richard Feynmans im Ohr zu haben:
“The first principle is that you must not fool yourself–and you are
the easiest person to fool. So you have to be very careful about
that. After you’ve not fooled yourself, it’s easy not to fool other
scientists. You just have to be honest in a conventional way after
that.”
Leider zählt Überzeugung und Romantik hier gar nichts
Im Hinblick auf diese Entwicklung war Vogt’s Faux-Pas mit seiner “Ich hab fast keinen Zweifel, dass es auf diesem Planet leben gibt”-Aussage gleich doppelt bescheuert. Es ist bei weitem zu früh über Leben zu spekulieren, wenn es bereits berechtigte Zweifel an der bloßen Existenz des gefeierten Planeten gibt.
Der größte Witz ist zudem, dass es in dem eigentlichen Entdecker-Paper vor vorsichtigen relativierenden Formulierungen nur so wimmelt:
“caution is warranted as most of the signals are small. And there may
yet be unknown systematic errors in either or both data sets.”
Allerdings muss Herr Vogt persönlich schon sehr von diesen Signale überzeugt gewesen sein, denn jetzt wird’s romantisch:“Finally, S.S.V. would like to extend a very special thanks to his wife Zarmina Dastagir for her patience, encouragement, and wise counsel. And even though, if confirmed, the
habitable planet presented herein will officially be referred to by the name GJ 581g, it shall always be known to S.S.V. as ‘Zarmina’s World.'”
Och, ist das süß! Was für eine Steilvorlage für eine rührende Geschichte – aber nur wenn sich der Planet wirklich als real herausstellen sollte. Oh Mann, jetzt tut mir Herr Vogt schon was leid. Es wäre schon sehr enttäuschend, wenn er seiner Liebsten diesen Planeten widmet und dieser zurückgezogen werden müsste. Ich persönlich drücke jedenfalls “Zarminas Welt” beide Daumen. Auch wenn sich die Realität reichlich wenig um Romantik schert.
Ist Gliese 581 g bzw. Zarminas Welt nur ein Artefakt?
Letztendlich sind weitere Messungen und neue, am besten unabhängige Analyse-Methoden gefragt. Die Suche nach Exoplaneten und vor allem erdähnlichen Planeten ist und bleibt ein spannendes Feld, in dem wir uns aber auch allzu leicht verlaufen können.
Vielleicht tröstet es aber Vogt und co, dass andere Forscherinnen auch so ihre Probleme haben. Denn das war noch lange nicht alles.
Morgen daher Teil 3 des Super-Erden-Dramas, das bereits in dem Paper von Vogt und co. anklingt. Nachtrag: Ich muss den Beitrag doch am Samstag nachliefern. Sorry.
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Vogt, S., Butler, R., Rivera, E., Haghighipour, N., Henry, G., & Williamson, M. (2010). THE LICK-CARNEGIE EXOPLANET SURVEY: A 3.1
PLANET IN THE HABITABLE ZONE OF THE NEARBY M3V STAR GLIESE 581
The Astrophysical Journal, 723 (1), 954-965 DOI: 10.1088/0004-637X/723/1/954
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