Ich erwarte ja von der Pro-7-Sendung nun wirklich nicht allzu viel. Aber das hier ist nun wirklich…anders
Schauplatz: Galileo, Sendung vom Montag 4. Oktober 2010.
So ab Minute 43:02 nimmt das Unheil seinen Lauf. Die Folge ist hier vermutlich nicht mehr lange zu sehen: Sendung vom Montag.
Nachtrag (8.10.2010):
Jemand hat’s auf Youtube hochgeladen. Sehr schön.
Bild: Pro7/Galileo, wie sie sich den magnetischen Nordpol vorstellen. Wie? Ihr habt noch nie von den sagenhaften Eisenbergen am Nordpol gehört?
Muahaha!
Bild (zusammengebastelt aus dem und dem hier, Wikimedia Commons): Von wegen Eisberge. Eisenberge sind das da oben im Norden. Ich bin mein ganzes Leben belogen worden! Und Ihr habt es gewusst! Gebt’s zu!
Dann dieser süffisante Kommentar aus dem Off “Ganz klar, hier fehlt den Kandidaten Baisis-Wissen.” Aber immerhin wissen die das und sind damit einen Schritt klüger als die Galileo-Redaktion. Die kennen offenbar nicht den Unterschied zwischen “Ich hab da irgendwas mit Magneten und Eisen im Kopf und das reim ich mir jetzt zusammen” und echtem Wissen. Und das es vielleicht sinnvoll gewesen wäre jemanden zu fragen, der sich damit auskennt.
Aber nun gut. Lasst uns das Beste draus machen und ein bisschen fachsimpeln bzw. uns mal in echtem wissenschaftlichen Denken üben.
Nehmen wir spaßeshalber an, die Erklärung oben wäre eine ernstzunehmende Hypothese mangels besseren Wissens und nicht geboren, weil ein paar Praktikanten zu doof waren, mal in Wikipedia nachzuschlagen.
Zunächst einmal: Magnete ziehen Eisen an und nicht umgekehrt, wie es Galileo suggeriert. Wenn der Magnet nah genug ist, richten sich die Elementar-Magneten im Eisen entlang des Magnetfeldes des Magneten aus und bilden damit ein eigenes Magnetfeld, an dem sich wiederum der Magnet orientiert. Nur dann wirkt Eisen magnetisch anziehend. Bei der ganzen Geschichte sind also immer die Magnetfelder das entscheidende. Wo die herkommen und wo die langgehen.
So eine winzige schwach magnetische Kompassnadel jedenfalls – selbst wenn wir alle Kompassnadeln dieser Welt nehmen – ist bei weitem nicht stark genug, um Eisenvorkommen hunderte Kilometer weit weg zu beeinflussen.
Ganz abgesehen davon, dass es bei einem Eisenberg im Norden völlig egal ist, welche Seite der Magnetnadel nach Norden zeigt. Beide Pole würden das Eisenstück anziehen: Die Elementarmagneten richten sich in dem einen Fall eben exakt andersherum zum anderen Fall aus. In der Realität hat aber ein Pol der Kompassnadel eine unüberwindbare Abneigung gegen “Norden”.
Ein bisschen besser sähe es aus, wenn die Eisenvorkommen im Norden in Wahrheit Vorkommen an magnetischem Gestein wären. So etwas wurde im Mittelalter ernsthaft von einigen Gelehrten angenommen und kennen wir aktuell eher aus Michael-Ende-Romanen. Echte Magnetfelsen gibt es im Odenwald. Das Verhalten dieses echten Magnetberges zeigt allerdings auch hier ein kleines Problem, um die Ausrichtung von Kompassnadeln zu erklären “In der Nähe der Felsen wird unregelmäßig einmal der positive, ein andermal der negative Pol der Magnetnadel angezogen“. Magnete sind normalerweise Dipole. Nord- und Südpol treten also immer paarweise auf. Wo das eine ist, ist das andere normalerweise nicht weit. In so einem Szenario hätten wir also im Norden sowohl einen Nord- als auch einen Südpol.
Mal ganz abgesehen davon, dass die Galileo-Redaktion anscheinend die Hälfte der Welt völlig ignoriert:
Südhalbkugel? Gibt es die überhaupt?
Da die elektromagnetische Kraft mit dem Abstand zum Quadrat abnimmt, sollten Kompassnadeln nach deren Hypothese zum Süden hin immer unzuverlässiger werden. Ein Wunder, dass die Leute vor dem GPS-Zeitalter Australien wiedergefunden haben.
Aber wie gesagt: Die Kompassnadel richtet sich immer entlang von Magnetfeldlinien aus. Und wenn wir die Ausrichtung der Kompassnadeln auf der Welt ansehen und mit dem folgenden vergleichen, dann sehen wir eine große Ähnlichkeit:
Die Erde selbst ist ein riesiger Magnet. Sein Feld sieht von außen so aus, wie das eines Stabmagneten. Inzwischen wissen wir, dass durch die Erde keine Magnetachse durchgeht. Sie ist aufgrund eines Dynamoeffektes magnetisch. Tief unten – im äußeren Erdkern – fließt flüssiges (1) elektrisch leitendes Material. Heiß genug dafür ist es. Das alleine reicht aber nicht. Was wir wirklich brauchen, ist ein Fluss von Ladungsträgern. Sonst könnten wir auch ein Stück Draht durch die Gegend schmeißen, um ein Magnetfeld zu erzeugen.
Hatte ich nicht eben gesagt, dass es da unten heiß ist? Was passiert mit Zeugs, wenn es nur heiß genug ist? Was ist noch mal der 4. Aggregatzustand? Plasma! Wenn genug Hitze zugeführt wird, dann reißt es selbst die Atome auseinander und wir haben elektrisch geladene Atombruchstücke (Ionen) und Elektronen rumfliegen. Elektrische Ladungsträger? Bewegung durch fließendes Material? Jetzt erst haben wir alle Zutaten für ein induziertes Magnetfeld zusammen.
Da das mit dem wabbernden Zeug im Inneren der Erde und der Erdrotation ziemlich dynamisch und auch etwas metastabil ist, wandern diese magnetischen Pole sogar im Laufe der Zeit. Im Moment wandert der magnetische Nordpol 64 km pro Jahr in Richtung Russland. (2)
Bild
Allerdings scheinen die magnetischen Pole bei ihrer Wanderung nicht gerade zielstrebig zu sein. Oder ziemlich besoffen.
Auch ist das Feld nicht komplett regelmäßig, sondern bildet im Südatlantik eine Art Delle: die Südatlantische Anomalie.
Bild: Magnetfeld-Karte der Erde. Über Südamerika liegt ein Schwachpunkt.
Die betrifft mich ab und an sogar persönlich. Denn diese Delle ist ein Schwachpunkt im magnetischen Schutzschild der Erde und erdgebundene Satelliten wie z.B. CoRoT werden hier eher mal von Ladungsträger aus dem All getroffen. Was wir dann als Störung in den Daten sehen. Ach und zwischendurch klappt das Magnetfeld sogar komplett um: Der magnetische Nord- wird zum Südpol und umgekehrt. Das passiert alle 250 000 Jahre mal. Seit dem Untergang der Dinosaurier vor etwa 65 Millionen Jahren also etwa 260 mal. Hat es in dieser Zeit 260mal globalen Tod und Zerstörung gegeben? Ist die Erde wüst und leer? Warum auch? Das Umklappen ist nicht gefährlich.
Weil die Erde gleich doppelt geschützt ist. Neben einem magnetischen Schutzschild gibt es da noch einen Airbag. Unsere Atmosphäre ist ziemlich gut darin, schädliche Strahlung von uns fernzuhalten. Gefährlich könnte es aber längerfristig werden – in Millionen und Milliarden Jahren – , wenn das Magnetfeld komplett ausfallen sollte. Dann wird der Sonnenwind – also geladene Teilchen und Strahlung von der Sonne – unsere Lufthülle, also den schützenden Airbag, nach und nach erodieren und mit sich hinweg tragen. Wie es dem Mars wohl passiert ist, als sein Innerstes so weit erkaltete, dass es nicht mehr flüssig genug war, um einen Dynamo am Laufen zu halten. Aber der Mars hat nur den halben Durchmesser der Erde. Kleinere Körper kühlen schneller aus als größere. Weswegen z.B. Babys im bevorstehenden Winter immer in dicke Klamotten gepackt werden. Während Erwachsene relativ luftig rumlaufen können. (3)
Der Erde als größerer und damit nicht von Auskühlung bedrohter Körper steht dieses Schicksal also nicht bevor. Eher das Gegenteil. Vorher (also in etwa 5 Milliarden Jahren) wird die Sonne eher zum Roten Riesen, bläht sich auf und schluckt entweder die Erde oder grillt alles. Wie auch immer: Es wird sehr unerfreulich werden. Panik 111!!!
Allerdings mit der richtigen Gesellschaft, vom richtigen Aussichtspunkt aus und geschützt durch Kraftfelder könnte das Ende der Welt ein denkwürdiges Spektakel bieten:
Ich finde es immer wieder klasse, wie es Doctor Who gelingt die Science mit der Fiction zu verheiraten.
via Bildblog.
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(1) Woher wissen wir das mit dem flüssigen äußeren Erdkern? Aufgrund von Seismik.
(2) Eigentlich geschickt von den Russen. Statt die Hand nach dem Nordpol auszustrecken, um an die Rohstoffe zu kommen, haben die am Kreml einen riesigen Magneten installiert und ziehen jetzt Galileos sagenhafte Eisenvorkommen im Norden nach Hause. Wie war das noch mal mit dem Propheten und dem Berg?
(3) Warum Kinder allerdings immer genau dann auf Toilette müssen, wenn Mama oder Papa gerade damit fertig geworden sind, die äußerste Zwiebelschale draufzupellen, wird wohl auf ewig ein Mysterium bleiben.
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