Wie entdecke ich einen Planeten mit der Transitmethode? Warum tarnen sich Sterne manchmal als Planeten? Eine Führung durch die CoRoT-Transit-Planeten-Fabrik.

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Zur Erinnerung. CoRoT sucht nach folgendem Signal, das uns sagt: “Hey, das sieht wie ein Planet aus!”

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Bild (H. Deeg): Der Transit eines Planeten, der sich in einer Abschattung des Sternenlichtes verrät.

Aber leider reicht “es sieht wie ein Planet aus” nicht aus, um sicherzustellen, dass es auch wirklich, wirklich ein Planet ist. Wie im letzten Teil schon angesprochen gibt es z.B. kleine Sterne, die genauso groß sind wie große Planeten. Aber das ist nur die Spitze des Eisberges. Es gibt eine ganze Reihe an Phänomenen, die fälschlicherweise einen Planeten vorgaukeln können.

Deswegen sind einige Zwischenschritte nötig, um von “Hey, das sieht wie ein Planet aus!” zu “Jepp, wir haben einen Planeten entdeckt, ole-ole” zu kommen.

Heute demonstriere ich Euch das anhand eines ganz bestimmten Beispiels, das ich auch ganz gut kenne. Juan Cabrera und andere Kolleginnen haben einen Aufsatz geschrieben zum Thema: “Planetary transit candidates in CoRoT-LRc01 field”

Gähn. Was für ein langweiliger Titel. Wenn es nach mir ginge, hieße der Aufsatz: “wie CoRoT-Wissenschaftlerinnen unter Zeitdruck und mit zu wenigen Leuten eine wahre Datenflut bewältigten. Wie andere Kolleginnen mit hart erkämpfter aber eigentlich nicht wirklich ausreichender Teleskopzeit Enttäuschungen über Enttäuschungen hinnehmen mussten, um am Ende ein paar Planeten als (vielleicht) entdeckt bezeichnen zu können – die Sommer 2007 Ausgabe” Das wär doch mal ein Titel 😉

Wenn Ihr bereit seid, dann führ ich Euch jetzt in den Prozess der Planeten-Suche ein.

Station 1: Die Goldwaschpfanne

Im Frühjahr-Sommer 2007 hat CoRoT 150 Tage lang das Licht von 11408 Sterne im Sternbild Adler aufgezeichnet. Diese müssen alle nach Transitsignalen durchsucht werden. Es hat schon einiges von Goldsucherei. Jede Menge Zeugs muss durchsucht werden, um ein paar interessante Objekte zu finden. Dabei bleibt zunächst einmal – wie sollte es auch anders sein – jede Menge Schrott im Sieb hängen.

Im Fall von CoRoT bedeutet es, dass zunächst 158 sich gegenseitig bedeckende Binärsterne gefunden wurden. Diese sehen den gesuchten Transits von Planeten auf den ersten Blick sehr ähnlich. Beim näheren Hinsehen aber fiel auf, dass es keine Planeten sein konnten. Wenn z.B. die von den Sternen vorgetäuschte Transits abwechselnd tiefer und weniger tief sind, dann bedecken sich zwei unterschiedlich große leuchtende Objekte gegenseitig. Wenn die Sterne gleich groß sind, wird es schon was schwieriger einen echten Planetentransit von einer Sternenbedeckung zu unterscheiden. Aber auch hier können wir eine ganze Menge Objekte ausschließen, wenn die aus der Transittiefe berechnete Größe nicht zu einem Planeten passt. (1)

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Bild: Die gegenseitige Verdeckung zweier Sterne, die sich umkreisen.

Das mit dem Schrott ist allerdings nicht zu Ernst zu nehmen. Bedeckende Binärsterne mögen für Planetensucherinnen zwar lästig sein, dafür gibt es aber ne ganze Menge anderer Wissenschaftlerinnen, die nichts lieber mögen als Binärsterne. Mensch könnte es auch als angenehmen Nebeneffekt bezeichnen.

Station 2: Die Sortierstation – das Sichten der Ausbeute

Nachdem eine erste kritische Draufsicht bereits 158 Objekte als Nicht-Planeten ausschloss, blieben 42 Signale als mögliche Planetenkandidaten übrig.

Bedenkt den Aufwand, der bereits bis hierhin geleistet wurde! Etwa 11 000 Sterne müssen durchsiebt werden, um 42 potentielle Planeten zu finden. Auf 1000 Sterne kommen etwa 4 Planetensignale.

Andererseits werden wir viele mögliche Planetensysteme überhaupt gar nicht erst zu Gesicht bekommen; uns also metaphorisch gesprochen durch’s Sieb rutschen.

Zunächst sehen wir in der Regel “nur” Planeten mit Umlaufperioden um ihren Stern von weniger als 75 Tagen. Wenn wir ganz viel Glück haben und ein Transit am Anfang und einer am Ende des Beobachtungszeitraumes stattfindet, dann sind auch maximal 150 Tagen drin. Außerdem müssen die Planeten noch von der Erde aus gesehen vor dem Stern herlaufen. Diese Bedingung erfüllen nur etwa 5% aller Planeten mit kurzen Umlaufperioden. Dann sehen wir große Planeten – also Gasriesen – eher als so einen kleinen Fliegenschiss von Supererde. Planeten von der Größe unserer Erde sind nur mit extrem viel Glück und Planeten von der Größe des Merkur – der am weitesten innen liegende Planet im Sonnensystem – sind gar nicht zu sehen. Der Transit würde im Rauschen untergehen. D.h. alleine aufgrund der Transitmethode würden außerirdische Astronomen auf unserem technischen Niveau unser schönes heimeliges Sonnensystem übersehen.

Dennoch ist die Transitmethode eine der besten Methode derzeit, um kleine Planeten von der Größe des Neptun und darunter zu finden. Das sind Planeten, von denen wir nicht sehr viel wissen und wo jeder weitere neu entdeckte ein wertvoller Beitrag ist. Um mal wieder die Goldsucher-Analogie zu strapazieren: Wenn ich die Gasriesen mit Goldnuggets vergleiche, dann sind die Neptune wertvolle Edelsteine und die Supererden sDiamanten.

Wichtig bei der ganzen Planeten-Detektion ist es überhaupt etwas zu finden. Rumheulen und sich darüber grämen, wieviel verpasst wird, bringt keinen weiter. Beispielsweise lässt sich auf der Basis der entdeckten Transitplaneten dennoch auf das nicht-sichtbare schließen. Denn wenn nur 5% aller Planeten einen Transit zeigen können, dann müssen wir nur die Anzahl der transitierenden Planeten mal 20 nehmen und kriegen ne gute pi-Mal-Daumen-Abschätzung, wieviele kurzperiodische Sterne Planeten es insgesamt gibt.

Trotz allem findet das CoRoT-Team vier mögliche Planeten pro tausend Sterne? So wenig ist das auch wieder nicht. Vor allem wenn mensch bedenkt, dass die inmitten eines großen Haufens metaphorischer Kronkorken lagen (die eingangs erwähnten 158 sich gegenseitig bedeckenden Binärsterne). Astronominnen gehen davon aus, dass in unserer Sonnensystem Galaxie etwa die Hälfte aller Sterne Teil eines Doppelstern-Systems sind. Und große Sterne sind nun mal leichter zu sehen als so kleine Planeten.

Immer noch die Sortierstation – Die Guten in’s Töpfchen, die Schlechten in’s Kröpfchen und… häh?

So, bis hierhin haben die CoRoT-Wissenschaftlerinnen die Planetenkandidaten herausgesiebt. Nach dem Motto: Die guten in’s Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Aber auch hier liegt der Teufel im Detail. Nicht immer ist die Unterscheidung erwünscht-unerwünscht so eindeutig. Dummerweise gibt es immer Objekte, die dazwischen liegen und wo die Sortiererin sich in einem Dilemma befindet? Gehört dieses komische Dings jetzt zu den Binärsternen oder könnte es sich dennoch um einen Planeten handeln? Oder ist es vielleicht nur eine Störung, die wie ein Planet aussieht?

Unter dem Gesichtspunkt verringert sich die Ausbeute in dem hier betrachten Beispiel noch einmal: Von den 42 Planeten-Kandidaten aus dem Sommer-2007-CoRoT-Datensatz sind 15 richtig gute Planeten-Kandidaten. Die anderen zeigten Anzeichen dafür, dass es sich auch bei ihnen um Binärsterne handelt. Aber diese Zeichen waren nicht eindeutig. (2) Um mal wieder die Goldsucher-Analogie zu bemühen: Sie sahen aus wie ein Zwischending zwischen Kronkorken und Goldnugget.

Das gibt es übrigens oft, wenn mensch nach Objekten in einem Meer von unerwünschtem anderen Zeugs sucht. Dass es da ne ganze Menge wertvoller Objekte gibt, die nicht so einfach vom Müll zu trennen sind. Wer nur die besten eindeutigen Stücke heraussucht, der kommt zwar schnell zum Erfolg, übersieht aber auch sehr vieles. In dem Fall hier besteht die Gefahr, die kleinsten und wertvollsten Planeten zu übersehen.

Die nächste Station, die Kandidaten-Charakterisierung, erfordert aber den Einsatz von Teleskopen weltweit. Die stehen auch nicht ständig zur Verfügung, sondern können nur ab und zu mal benutzt werden. (4) Die Kolleginnen von der Nachbeobachtung sind daher darauf angewiesen, dass wir ihnen möglichst wenig Katzengold und übersehene Kronkorken vorsetzen. Sonst heißt es nämlich irgendwann vom Management der großen Teleskope: “Was wollt Ihr eigentlich? Ständig versprecht Ihr uns Planeten, aber stattdessen schmeißt Ihr einen Binärstern nach dem anderen heraus. So war das aber nicht ausgemacht.”

Die Frage an dieser Stelle ist daher: Ist es das auch wert? Wenn das schlechte Objekt xyz genauer untersucht wird, fehlen unter Umständen die Ressourcen Objekt abc zu untersuchen, der aber das Potential hat, ein Neptun-Planet zu sein. Nicht, dass es dafür eine Garantie gibt. Letztendlich muss also ein Kompromiss zwischen “möglichst hoher Ausbeute an Planeten” und “wir können uns nicht alles im Detail anschauen” geschlossen werden.

Zwischen Station 2 und 3: Die gemischte CoRoT-Kandidaten-Kiste. A-, B- und C-Ware.

So kommt es also, dass das Detektions-Sortier-Team mit der Planeten-Kandidaten-Liste für den Sommer 2007 eine gemischte Kiste vorgelegt hat: Mit 15 Objekten, die als A- und B-Ware eingestuft wurde und 27 Objekten der Kategorie-C. Bei letzteren vermuteten die Sortierer, dass es sich um Binärsterne handelt. Sie wurden sozusagen mit dem Warnhinweis “Verwendung auf eigene Gefahr” versehen. (5)

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Station 3a: Einfache und weniger einfache Kandidaten oder verdammt ist das ein funzeliger Stern! Wie soll mensch da einen möglichen Planeten sehen?

Es gibt nun eine Reihe von Methoden, um die Kandidaten auf Herz und Nieren zu prüfen. Aufwendige und weniger aufwendige. Nicht jeder Kandidat ist den Untersuchungsmethoden gleich gut zugänglich. In diesem Beitrag hatte ich ausgerechnet, dass die Entdeckung von CoRoT-7b vergleichbar mit der Herausforderung ist, ein Flutlicht in 8000 km Entfernung zu untersuchen. Und das war einer der hellsten Sterne im CoRoT-Feld. CoRoT beobachtet aber in der Regel eher Sterne, die noch mal tausend bis zehntausend mal weniger hell erscheinen. Um solche Sterne genauer zu untersuchen, bedarf es eines weitaus höheren Aufwandes als es die Untersuchung von CoRoT-7 erforderte. Die Kosten-Risiko-Abschätzung ist für solche Kandidaten so schlecht, dass C-Ware-Kandidaten um besonders leuchtschwache Sterne bislang eher selten angepackt werden.

Station 3: Die Jäger der himmlischen Lichtverschmutzung

Im Fachjargon bezeichnen wir diesen Bereich als “photometrische Nachbeobachtung”. Während CoRoT in seinem Sichtfeld 11 000 Sterne auf einmal untersucht, picken sich Kolleginnen auf dieser Station einen Stern heraus, der unter dem Verdacht steht, einen Planeten zu beherbergen. Dann untersuchen sie, ob sie den Transit im Stern auch sehen können. Zudem checken sie die nähere Umgebung des Sterns und überprüfen, ob das gemeldete Transitsignal in Wahrheit das schwache Abbild eines Binärsterns in der näheren Umgebung ist. CoRoT sammelt zwar hauptsächlich Licht eines einzelnen Sterns im Visier auf, aber es gibt immer auch Lichtverschmutzung anderer Sterne in der näheren Umgebung.

Aber warum passiert das überhaupt? Diese Lichtverschmutzung? Ist da nicht mehr als genug Platz zwischen den Sternen? Wie kann also ein Stern einen anderen Stern verschmutzen?

Erdbeobachterinnen fehlt die die Tiefen-Information der leuchtenden Sterne am Nachthimmel. Wir sehen die Sterne eher als 2 dimensionales Bild. So können zwei Gestirne von uns aus gesehen als Nachbarn erscheinen, sind aber in Wahrheit viele, viele Lichtjahre voneinander entfernt. Wir sehen höchstens, dass Objekte die eigentlich gleich hell sein müssten, unterschiedlich hell erscheinen: Der eine Stern ist weiter entfernt und dem entsprechend kommt von dem auf der Erde weniger Licht an.

Ja gut, aber am Sternenhimmel ist doch mehr als genug Platz, oder? Die paar Sterne am Himmel…

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Bild (Thüringer Landessternwarte): Das ist das CoRoT-Winterfeld im Sternbild Einhorn. Wer draufklickt wird mit einer Großansicht belohnt.

Dabei ist das ein relativ kleines Stückchen Himmel, das CoRoT anvisiert:

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Die runden Kreise sind das Winter (roter Kreis) – und Sommerfeld (blauer Kreis).

Dazu ist eigentlich nur eins zu sagen:

“Mein Gott, es ist voller Sterne!”

Dank rein irdischer Lichtverschmutzung ist es einem Laien kaum zu vermitteln, dass es am Nachthimmel vor Sternen nur so wimmelt. CoRoT hat im Gegensatz zu uns einen ungetrübten Blick auf sehr viele Sterne. Das war ja einer der Gründe, warum dasTeleskop in’s Weltall geschickt wurde: Um möglichst viele Sterne zu sehen, um die Erfolgschancen einen Planeten-Kandidaten zu sehen zu erhöhen. Tja und die gegenseitige Lichtverschmutzung der Sterne ist halt eine der Nebenwirkungen, die in Kauf genommen wurde und die sich sowieso nie wirklich ganz vernachlässigen lässt.

Station 4: Die chemische Analyse – oder Spektralanalyse der Sterne

Eine weitere Methode Kandidaten weiter zu analysieren, besteht darin das Licht des betreffenden Sterns aufzufangen und in seine Farbbestandteile zu zerlegen: die Spektralanalyse. Dabei ergibt sich folgendes Bild:

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Bild: Strahlungsintensität in verschiedenen Farben für einen Stern mit 6000 K effektiver Temperatur.

Andere Sterne, andere Temperatur. Dabei verschiebt sich z.B. das Helligkeitsmaximum der Kurve. Ein kühler Stern erscheint dadurch eher orange und ein heißer Stern eher bläulich. Auch verteilen sich die Anteile der Farben in diesem Spektrum nicht irgendwie sondern folgen einer mathematisch wohldefinierten Kurve. Weiterhin befindet sich in jedem Sternenspektrum Emissionslinien, die uns verraten, was da eigentlich an Elementen oder Molekülen leuchtet. Auch das ist sehr charakteristisch für bestimmte Sterne. Während vorher “nur” eine Reihe von Bildaufnahmen einzelner Sterne vorlag, wird jetzt die ganze Palette an Farben zu Hilfe genommen. Dann ist es manchmal möglich zu erkennen, dass der eine Lichtpunkt in Wahrheit zwei leuchtende Lichtpunkte sind, die sich gegenseitig eng umkreisen.

Wenn ein Kandidat die Stationen 3 und 4 durchlaufen hat, wird er in der Regel an Station 5 weitergegeben.

Station 5: Die Goldwaage

Für das Wiegen des Planeten ist die so genannte Radialgeschwindigkeitsmethode zuständig, die wie folgt funktioniert:

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Stern und Planet bewegen sich um einen gemeinsamen Schwerpunkt. Die Kreiselbewegung des Sterns spiegelt also die Massenanziehung des Planeten wieder. Da der Stern bei der Kreisbewegung Licht aussendet, gibt es eine Doppler-Verschiebung auf das ausgesandte Sternenlicht abwechselnd wird das Licht insgesamt etwas bläulicher und etwas rötlicher. Auch hier wird das Spektrum des Sterns aufgezeichnet, aber jetzt seine Veränderung im Laufe der Zeit registriert.

Das ist ziemlich aufwendig und gerade bei kleinen Planeten und auch bei recht leuchtschwachen Sternen gerät diese Methode an ihre Beobachtungsgrenze. Wie Claire Moutou zusammen mit anderen CoRoT-Beobachterinnen in dem Aufsatz “Planetary transit candidates in the CoRoT initial run: resolving their nature” offen zugibt, sind für viele Sterne im CoRoT-Feld die 1-2m Teleskope nicht mehr empfindlich genug, um jupitergroße Planeten zu entdecken. Da müssen schon 4-6m-Teleskope eingesetzt werden.

Außerdem taucht leider Gottes selbst auf der Goldwaage trotz aller Bemühungen immer noch Katzengold in Form von Binärsternen auf, die erst hier enttarnt werden können.

Kassensturz

Das positive vorneweg: Von den 15 guten Planetenkandidaten haben sich inzwischen 4 als Planeten erwiesen: CoRoT-2b, CoRoT-3b, CoRoT-8b und CoRoT-10b. Bei all dem Katzengold, das in der gemischten Kandidaten-Kiste zu finden war, ist das eigentlich kein schlechtes Ergebnis. Auch wenn sich von den 15 “guten” Kandidaten, ganze neun als Binärsterne erwiesen haben und drei erst auf einer Planetenwaage als Binärsterne enttarnt wurde.

Fazit: Nur ein Transitplanet mit einer nachgewiesenen Masse ist auch ein guter Planet. Alles andere sind “nur” Kandidaten.

Das war jedenfalls bislang die Vorgehensweise und ich hoffe es ist ersichtlich, warum es dafür gute Gründe gibt.

Nur was wenn die Radialgeschwindigkeitsmessung für einen Kandidaten einfach nicht möglich ist bzw. kein Ergebnis liefert? Wenn schon die Messungen von CoRoT-7b und Gliese-581-g so schwierig sind, die recht helle Sterne umkreisen, braucht mensch sich keine Hoffnungen zu machen, dass in nächster Zeit Supererden um weniger hell erscheinende Sterne gewogen werden können.

Damit hat aber das Kepler-Team ein Problem: Sie haben einen Planeten-Kandidaten auf der Pfanne, der sehr stark nach einer Supererde aussieht. Aber sie haben dummerweise auch keine Möglichkeit, in nächster Zeit die Masse dieses Objektes zu bestimmen, weil dieser Kandidat einen recht leuchtschwachen Stern umkreist.

Was nun? Bei den Kronkorken und dem Katzengold, das da rumschwirrt? Wie wollen die hinreichend sicher sein, dass es wirklich eine Supererde ist.

Keplers Antwort lautet: “MODELING Kepler TRANSIT LIGHT CURVES AS FALSE POSITIVES: REJECTION OF BLEND SCENARIOS FOR KOI-377, AND STRONG EVIDENCE FOR A SUPER-EARTH-SIZE PLANET IN A MULTIPLE SYSTEM”

Der Titel verrät schon einiges. In diesem Fall geht mensch mit größerer Vorsicht heran, legt alle Karten auf den Tisch und sagt: “Ok, ich weiß, nur ein Planeten-Kandidat mit Masse ist das einzig Wahre, aber…”

Fortsetzung folgt…

P.S.: Ja, ich weiß, ich hab a) länger gebraucht als gedacht und b) das Konzept wieder umgestoßen und einen weiteren Teil eingeschoben, bevor ich mich dem fraglichen Kepler-Paper zuwende. Nach einigen Ansätzen hab ich gemerkt, dass das die bessere Vorgehensweise ist. Ansonsten wäre die Einleitung zum eigentlichen Thema absurd lang gewesen.
————————–
(1) Der Transit gibt die Größe des verdeckenden Objektes, wenn die Größe des verdeckten Sterns bekannt ist.

(2)Z.B. können sich gegenseitig umkreisende Binärsterne durchwalken und Wellen auslösen, die dann dazu führen können, dass der Stern richtig aktiv wird. (3) Diese Aktivität ist oft mit der Orbitperiode korreliert.

(3) Hmm, eigentlich ne Steilvorlage für nicht jugendfreie Analogien.

(4) Bitte hier Gerangel von Astronomminnen weltweit einfügen.
“Nehmt mich, wir haben Objekt sounso entdeckt und müssen das jetzt unbedingt noch genauer unter die Lupe nehmen!”
“Nehmt mich, ich weiß, dass es da und da vermutlich ganz viele tolle neue Objekte zu entdecken wird. Die Erfolgsaussichten sind grandios.”
“Nehmt mich, ich kann Euch zwar keinen Erfolg garantieren, aber wenn ich Erfolg habe, dann ist das super-duper-wichtig”
etc. etc.

(5) Deswegen war ich so ungehalten über die “Kepler-hat-hunderte- Planeten-Kandidaten“-Meldung im Mai diesen Jahres.
———————–
Cabrera, J., Fridlund, M., Ollivier, M., Gandolfi, D., Csizmadia, S., Alonso, R., Aigrain, S., Alapini, A., Almenara, J., Barge, P., Bonomo, A., Bordé, P., Bouchy, F., Bruntt, H., Carone, L., Carpano, S., Deeg, H., De la Reza, R., Deleuil, M., Dvorak, R., Erikson, A., Gillon, M., Gondoin, P., Guenther, E., Guillot, T., Hartmann, M., Hatzes, A., Hebrard, G., Jorda, L., Lammer, H., Léger, A., Llebaria, A., Lovis, C., Magain, P., Mayor, M., Mazeh, T., Moutou, C., Ofir, A., Pätzold, M., Pepe, F., Pont, F., Queloz, D., Rabus, M., Rauer, H., Régulo, C., Renner, S., Rouan, D., Samuel, B., Santerne, A., Schneider, J., Shporer, A., Stecklum, B., Tingley, B., Udry, S., & Wuchterl, G. (2009). Planetary transit candidates in CoRoT-LRc01 field Astronomy and Astrophysics, 506 (1), 501-517 DOI: 10.1051/0004-6361/200912684

Moutou, C., Pont, F., Bouchy, F., Deleuil, M., Almenara, J., Alonso, R., Barbieri, M., Bruntt, H., Deeg, H., Fridlund, M., Gandolfi, D., Gillon, M., Guenther, E., Hatzes, A., Hébrard, G., Loeillet, B., Mayor, M., Mazeh, T., Queloz, D., Rabus, M., Rouan, D., Shporer, A., Udry, S., Aigrain, S., Auvergne, M., Baglin, A., Barge, P., Benz, W., Bordé, P., Carpano, S., De la Reza, R., Dvorak, R., Erikson, A., Gondoin, P., Guillot, T., Jorda, L., Kabath, P., Lammer, H., Léger, A., Llebaria, A., Lovis, C., Magain, P., Ollivier, M., Pätzold, M., Pepe, F., Rauer, H., Schneider, J., & Wuchterl, G. (2009). Planetary transit candidates in the CoRoT initial run: resolving their nature Astronomy and Astrophysics, 506 (1), 321-336 DOI: 10.1051/0004-6361/200911911

Kommentare (11)

  1. #1 Daniel
    November 12, 2010

    Wieder ein sehr interessanter Artikel, freue mich schon auf den nächsten Teil.

    Ein kleiner Fehler:

    Astronominnen gehen davon aus, dass in unserem Sonnensystem etwa die Hälfte aller Sterne Teil eines Doppelstern-Systems sind. Und große Sterne sind nun mal leichter zu sehen als so kleine Planeten.

    Muss es statt Sonnensystem Galaxie oder Umgebung unseres Sonnensystems oder ganz was anderes heißen?

  2. #2 Ludmila
    November 12, 2010

    *Patsch* Danke, es geht natürlich um unsere Galaxie. Korrigier es gleich.

  3. #3 MartinB
    November 12, 2010

    Die Serie ist immer noch super!!!

    Aber in diesem Satz “Aber das ist nur die Spitze des Eisberges.” muss es sicher Eisenberg heißen, oder etwa nicht????

    Und Fußnote 4 ist falsch nummeriert… (Damit ist mir der Titel Kleinkrämer des Monats sicher.)

  4. #4 Ludmila
    November 12, 2010

    @MartinB

    (Damit ist mir der Titel Kleinkrämer des Monats sicher.)

    Nö, find ich gut, dass Dir sowas auffällt. Ich hab wohl während der Änderungen den Überblick verloren.

  5. #5 MartinB
    November 12, 2010

    …und ich war angesichts der geradezu webbärigen (‘tschuldigung) Fussnoten-mit-Fussnoten etwas verwirrt.

  6. #6 perk
    November 12, 2010

    da also der kleinkrämerwettkampf eröffnet ist:

    dann müssen wir nur die Anzahl der transitierenden Planeten mal 20 nehmen und kriegen ne gute pi-Mal-Daumen-Abschätzung, wieviele kurzperiodische Sterne es insgesamt gibt.

    ich vermute mal da soll planetensysteme oder sowas stehen

  7. #7 Ludmila
    November 12, 2010

    @MartinB Hey, das mit den Fußnoten hat der Webbär einfach nur grottenschlecht von Terry Pratchett abgekupfert. Bei letzterem sind die Fußnoten ein tolles Stilmittel. Aber Terry Pratchett ist auch witzig und hat was zu sagen.
    @perk: *Seufz* Da hab ich zigmal drüber gelesen und jetzt das. Danke für den Hinweis.

  8. #8 McA
    November 13, 2010

    für eine wissenschaftlerin mit so einem lächerlichen output wie sie, sollten sie mit solchen behauptungen:

    Ingenieure sind anwendungsorientiert. Wenn Ingenieure ein Auto bauen, dann kommt da in endlicher Zeit was Brauchbares raus. Sie würden halt das gekonnt kombinieren, was andere vorher gefunden haben (auch gerne auf ne Art und Weise, an die so noch keiner gedacht hat). Dafür gehen sie aber oft nicht in die Tiefe. Dafür sind sie nicht ausgebildet. Manche verwechseln dann Technik mit Wissenschaft und haben keine Ahnung, wie so eine Theorie entwickelt wird. Das ist so als ob jemand, der gut den Hammer schwingen kann, meint, er wäre deswegen auch ein guter Werkzeugmacher.

    eher vorsichtig sein..echt peinlich….schöne grüsse, ein auf einer universität arbeitender ingenieur

  9. #9 rolak
    November 13, 2010

    hehe, wie sagt man so schön zu Hause im Dorf: Wem der Stibbel pass, dä treck em sich aan. Ganz besonders erhellend ists dann schon, wenn die Tür gegen die eigentlich angerannt werden soll in einem anderen Haus ist.

    Dabei empfinde ich bei solcherlei Meßverfahren gerade das Sortier- bzw. Ausschlußverfahren als den interessantesten Aspekt, weswegen insbesondere (aber nicht nur) dieser post einerseits zum zeitnahen NochmalGenauerLesen, andererseits zum ImGesamtzusammenhangNochmalLesen nach Vollendung der Reihe vorgemerkt ist

    /*Seufz* Da hab ich../ a) ist Fehlerfreiheit der Erstausgabe ein seltenes Phänomen b) ist Fehlerfinden in eigenen Texten, also wenn den jeweiligen Lektorinnen die genaue Vorstellung vom Resultat den Blick auf das Resultat versperrt, imho sehr schwierig c) ists doch eh nur ein Test um die Aufmerksamkeit der Leserschar, nicht wahr 😉

  10. #10 Ludmila
    November 13, 2010

    *Seufz*

  11. #11 Christian (P-chan)
    Juli 4, 2011

    Vielen Dank für diesen lesenswerten Artikel. Er war nicht nur interessant sondern auch recht unterhaltsam und zT (wegen der netten Analogien) lustig!