Warum brauchen eigentlich noch die Radialgeschwindigkeits-Methode, wenn wir Planeten bereits mit der Transitmethode entdeckt haben?

Die letzten Beiträge betrafen eigentlich genau genommen die Probleme einer einzigen Methode der Planeten-Charakterisierung: Der Radialgeschwindigkeitsmethode. Warum sollte das eigentlich die Leute kratzen, die mit der Transitmethode nach Planeten schauen?

Zwei Methoden, die Hand in Hand greifen

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Bild (H.Deeg): Das Prinzip der Transitmethode.

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Bild (NASA): Das Prinzip der Radialgeschwindigkeitsmethode.

Das “Sieht aus wie ein Planet, ist es aber nicht”-Problem

Weil wir aus dem Transit “nur” den Radius eines potentiellen Planeten kriegen und aus der Radialgeschwindigkeitsmethode die Masse. Schauen wir uns doch mal an, wie sehr sich der Radius eines Jupiter und der Sonne voneinander unterscheiden: Der Radius eines Jupiter und eines mittleren Sterns wie unserer Sonne unterscheiden sich gerade mal um einen Faktor Zehn. Zwischen der Masse des Jupiter und der Masse unserer Sonne liegt dagegen ein Faktor 1000.

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Bild (M. Delieul et al., 2008): Masse und Radius von Gasriesen und Braunen Zwergen. Wie wir sehen werden Objekte mit zunehmender Masse nicht unbedingt größer. Sie werden dichter.

Mit anderen Worten: Auf den ersten Blick – also allein aufgrund des Transit-Signals – kann ein Brauner Zwerg und sogar ein kleiner Stern genauso aussehen wie ein Planet. Erst die Masse verrät, dass es sich dabei um eine Mogelpackung handelt.


Warum leuchtende Objekte übersehen werden können

Hmm, Moment mal! Unterscheidet sich ein Stern von einem Planeten nicht zunächst mal dadurch, dass ersterer leuchtet und letzterer nicht? Schon, aber wie wie will mensch das aus dieser Entfernung unterscheiden können? Bei der Erklärung der Transitmethode hab ich als Analogie den Flutscheinwerfer gebraucht, der von Insekten umschwärmt wird. Nehmen wir diese Analogie mal wieder zur Hand und nehmen an, dass genau neben der 1000 Watt-Halogen-Metalldampf-Lampe eine 40 Watt-Birne liegt. Können wir diese beiden leuchtenden Objekte aus einer Entfernung von 8000 km voneinander trennen? Bemerken wir überhaupt den vergleichsweise geringen Helligkeitsüberschuss? Nur anhand einer Fotoaufnahme erst einmal nicht. Letztendlich haben wir aber mit der Transitmethode nur eine Reihe von Fotoaufnahmen eines Sterns zur Verfügung. D.h. wir sehen dem einzelnen Lichtpunkt erst mal nicht an, dass da noch ein bisschen Licht von einem sehr kleinen Stern beigemischt sein könnte, der den Hauptstern alle paar Tage bis Woche umkreist.

Also ist die Masse schon eine relativ einfache Möglichkeit, um zwischen Stern und Planet zu unterscheiden. Ab etwa 80 Jupitermassen presst es im Inneren eines Objektes aus Wasserstoff und Helium die Atome so sehr gegeneinander, dass der letzte Widerstand gebrochen wird: Sie fusionieren und der Stern beginnt zu leuchten. Zwischen 13 – 80 gibt es so ne Art Halb-Funzelei. Die Masse reicht um gerade einmal einen Teil des Sterns zu fusionieren. Nämlich das Deuterium und der Brennstoff reicht nicht lange (etwa 10 Millionen Jahre, in astronomischen Zeitskalen gerade mal ein Augenschlag) und wenn er ausgegangen ist, dann war’s das auch mit dem Leuchten. Deswegen ist ein Brauner Zwerg so ein Zwischending zwischen Planet und Stern.

So und weil der Radius alleine so ein schlechter Anhaltspunkt für einen Planeten ist, genau deswegen spuckt die Transitmethode zunächst einmal “nur” Planeten-Kandidaten heraus, die sich dann doch als kleine Sterne herausstellen können. Genau dieser Punkt wird aber meiner Meinung nach sowohl in der PR wie auch in der Berichterstattung nicht deutlich genug herausgestellt. Vermutlich um die Leute da draußen nicht mit solchen “Details” zu verunsichern. Aber es geht halt auch manchmal schief, wenn Reporterinnen nur so halb zuhören bzw. nicht tief genug im Thema drinstecken. Mensch kann ja auch nicht erwarten, dass absolut jede da draußen Expertin für alles ist. So ist es zu erklären, dass die Kepler-Kandidaten, die einer der beteiligten Wissenschaftlerinnen vorstellte, in der Presse zu bestätigen Planeten mutierten, woraufhin das Kepler-Team eiligst zurückrudern musste.

Warum dann überhaupt die Transit-Methode, wenn sie “nur” Kandidaten herausspuckt?

Das ist natürlich die naheliegendste Frage, die sich stellt. Antwort: Weil wir mit der Methode sehr viele Sterne auf einmal sichten können (einige tausend) und die sich verhältnismäßig einfach nach Transits absuchen lassen, während die Radialgeschwindigkeit sich jeden Stern einzeln vornehmen und dann recht lange untersuchen muss. Die Ausbeute an potentiellen extrasolaren Planeten ist also gemessen am Einsatz sehr hoch. Und wir kriegen vor allem viel leichter die interessanten kleinen Exoplaneten von der Größe der Erde.

Beispiel: Die umstrittene Entdeckung von Gliese 581 g ist zwar alleine aufgrund der Radialgeschwindigkeits-Methode erfolgt, hat aber sicherlich einige Dutzend Beobachtungsnächte gekostet. Und jetzt kommt der Knackpunkt: Wenn im Gliese 581-System nicht bereits vorher andere leichter festzunagelnde Planeten entdeckt worden wären, dann wäre der Stern niemals so lange von den besten Teleskopen dieser Welt unter die Lupe genommen worden. Dazu ist die Teleskopzeit zu teuer und der Erfolg (bislang) zu ungewiss. So etwas Ähnliches gilt für CoRoT-7b. Hätte das CoRoT-Team nicht aufgrund des Transits gesagt, dass es da was zu holen gibt, hätte niemand so viele Nächte an Teleskop-Zeit investiert, um CoRoT-7 zu untersuchen, um einen potentiellen Planeten zu wiegen. Teleskopzeit ist nun mal ein teures und rares Gut. Astronominnen aus aller Welt konkurrieren um diese Zeit und müssen die auch rechtfertigen.

Ach ja und es ist nicht ganz von Nachteil, wenn genau diese Wiege-Methode unter Beschuss steht, ein anderes Zeichen für die Existenz dieses Planeten in der Hand zu haben. Insofern können wir die Existenz von CoRoT-7b wesentlich leichter verteidigen als die von Gliese 581g.

Transit-Methode und Radialgeschwindigkeits-Methode: Das beste Gespann bei der Suche nach Supererden

Es scheint sich also herauszukristallsieren, dass trotz aller Schwierigkeiten das Gespann Radialgeschwindigkeits-Methode und Transit-Methode unser bestes Werkzeug bei der Entdeckung erdgroßer Exoplaneten ist. Auch wenn die Transitmethode ebenfalls so ihre Probleme hat.

P.S.: Ich hab mich entschlossen noch mal umzustrukturieren und noch mal einen Teil zur Erklärung einzuschieben, bevor ich mich den Problemen des Kepler-Teams zuwende.

Auch das Kepler-Team ist sich bewusst, dass die Entdeckung kleiner Exoplaneten eine verdammt schwierige Angelegenheit ist. Sie stellen daher eine neue Herangehensweise vor, um das “Sieht aus wie ein kleiner Planet, muss aber keiner sein”-Problem anzugehen.

Dazu mehr in Teil 5.

Kommentare (2)

  1. #1 Zeitungsjunge
    November 2, 2010

    Hallo Ludmilla

    Du schreibst:”Genau dieser Punkt wird aber meiner Meinung nach sowohl in der PR wie auch in der Berichterstattung nicht deutlich genug herausgestellt.” (und noch etwas mehr).
    Das ist genau ein grosses Problem in den heutigen Medien. Personal wird abgebaut und immer weniger Autoren müssen immer mehr Artikel in kürzerer Zeit raushauen. Da bleibt keine Zeit, sich in ein Thema zu vertiefen oder gar zu recherchieren! Sehen wir es doch mal realistisch: Erschreckend viele Journalisten kriegen noch nicht mal die Einheiten für Energie und Leistung auf die Reihe und hauen selbst bei den Analogien gerne mal daneben (Beispiel: Solaranlage kann pro Jahr 200 Haushalte versorgen… also nach 10 Jahren schon 2000 Haushalte???).
    Wie sollen diese Leute also Astrophysik erklären? Hier sind die Techniker und Wissenschafter gefordert, die Information in klaren und einfachen Worten zu vermitteln. Die Medien sind leider kaum mehr in der Lage, diese Vermittlerrolle zu übernehmen. Und wie du selbst bemerkt hast, nehmen es auch die Wissenschaftler nicht immer 100% genau (sind ja auch keine Medien- oder Marketingfachleute).

    Vielen Dank für deine tollen Beiträge übrigens. Echt spannend!

  2. #2 zeroc
    Februar 24, 2012

    schade…ich würde gerne teil 5 weiterlesen, aber ich habe gerade beschlossen hier aufzuhören (ich kenne den ausgang(nicht von ihnen) und ich bin, wenn nicht verspätet, heute zufällig hier gelandet. ihr blog war mir unbekannt und es war anfangs interressant zu lesen und ich war vor kaum 1h auch schon auf teil 5 gespannt…

    …aber es fühlt sich beim lesen so an, als wäre ich verantwortlich und schuld an ihren persönlichen diskrepanzen und auf der anderen seite, stört mich ihr scheinbares verhältnis zu ihrer umwelt…ka…sie sollten vielleicht damit anfangen ihre interessen, je nach bereichen zu trennen.