Das Super-Erden-Drama geht mit der aktuellsten Mitteilung des Kepler-Teams in seine sechste und eigentlich unvorhergesehene Runde (1). Die haben nämlich mit Kepler-10b eine weitere heiße Super-Erde entdeckt, was für die Kontroverse um die Masse von CoRoT-7b nur gut sein kann.
Was bisher geschah:
Das Super-Erden-Drama-Teil 1
Das Super-Erden-Drama-Teil 2
Das Super-Erden-Drama-Teil 3
Das Super-Erden-Drama-Teil 4
Das Super-Erden-Drama-Teil 5
Bild (NASA/Kepler Mission/Dana Berry): Kepler-10b künstlerische Darstellung.
Virtuelle und etwas spekulative Tour über den Lava-Planeten:
Dann vergleiche ich mal mit CoRoT-7b. Dieser Planet ist etwa 6 Erdmassen schwer, 1.7 mal so groß wie die Erde und etwa 1.2 mal so dicht. Er umkreist seinen sonnenähnlichen Stern alle 0.84 Tage.
Bild (ESO/L. Calcada) : CoRoT-7b künstlerische Darstellung.
Hmm…Zwei Weltraum-Missionen, die zwei unterschiedliche Regionen des Himmels und auch von unterschiedlichen Beobachtungsstandorten untersuchen, und die ersten Fels-Planeten, welche die finden, umkreisen den Stern alle 21 Stunden? Das ist schon ein bisschen seltsam. Ein Auswahl-Effekt rein aufgrund der begrenzten Beobachtungsmöglichkeiten kann es nicht sein. Es macht bei der Qualität und der Länge der Kepler- und auch der CoRoT-Datensätze rein von der Detektion her keinen allzu großen Unterschied ob ein erdgroßer Planet nun alle 0.84 oder 1 oder 1.5 Tage oder gar alle 0.6 Tage um seinen Stern kreist. Die Detektions-Wahrscheinlichkeit nimmt zwar mit größerer Orbit-Periode ab, aber nicht besonders stark.(2) Für CoRoT könnte mensch noch argumentieren, dass der Satellit Planeten mit einer Orbitperiode von genau einem Tag etwas schlechter finden kann, weil das Teleskop um die Erde kreist. Bei aller Abschirmung sehen wir immer noch Streulicht von der Erde, das natürlich mit der Erdrotation korreliert ist. Kepler allerdings operiert genau deswegen eben nicht in einem Erdorbit, sondern in einem so genannten “Earth-trailing” orbit um die Sonne. Ich übersetze das mal als “der Erde hinterher-hink Umlaufbahn”.
Beide Planeten scheinen außerdem eine ähnliche Zusammensetzung zu haben. Sie sind beide etwas dichter als die Erde (Erde: 5.5 g/cm^3, CoRoT-7b: 7.2 g/cm^3, Kepler: 8.8 g/cm^3), was allerdings zu erwarten ist. Auch in unserem Sonnensystem werden die felsigen Planeten mit zunehmender Größe dichter. Mit Ausnahme unseres Merkurs:
Bild (NASA/JPL/DLR/RPIF): Zusammensetzung der Planeten unseres Sonnensystems. Merkur sticht aufgrund seines vergleichsweise großen Eisenkerns heraus.
Wissenschaftlerinnen zerbrechen sich bis heute den Kopf, warum Merkur so anormal dicht ist. Ich warte ja gespannt darauf, wenn wir anfangen mit unseren Beobachtungsmethoden Exoplaneten von der Größe des Merkur zu finden. Ob sich dann ein Trend ergibt zu größeren Dichten? Oder wird Merkur auch im Vergleich zu anderen Exoplaneten die große Ausnahme bleiben? Was dann für ein seltenes katastrophales Ereignis in der Vergangenheit sprechen würde z.B. eine Kollision mit einem Planetoiden in der Frühzeit des Sonnensystems? Das ist ja das schöne an vergleichender Planetologie. Durch Gemeinsamkeiten und Unterschiede findet mensch mehr über die einzelnen Planeten heraus.
Aber das ist noch vergleichsweise ferne Zukunftsmusik. Ich möchte daher eine etwas naheliegender Zukunftsmusik anstimmen: Ich erlaube es mir darüber zu spekulieren, ob CoRoT-7b und Kepler-10b die Spitze des Eisberges einer neuen Klasse sind, die wir gerade erst beginnen zu entdecken.
Wie heißt es so schön? Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling. Und einmal ist keinmal. Allerdings haben wir jetzt schon zwei Schwalben und ich wage die Vorhersage, dass Kepler und CoRoT noch so ein paar Viecher finden werden.
Damit könnte auch die Kontroverse um die Planetenwaage HARPS und die Masse von CoRoT-7b beendet werden.
Ich berichtete im 3. Teil des Super-Erden-Dramas davon, dass es da ein Team gibt, welches sich die systematischen Effekte der Waage angesehen hat und etwas beunruhigt ist, ob die bei so kleinen Massen immer zuverlässig ist. Vor allem wenn der Zentralstern des Planetensystems so rumzappelt, wie es CoRoT-7 tut. Tja, so ist das mit jungen Sternen. Ausgelassen und übermütig. Dann wäre CoRoT-7b viel leichter und eventuell noch nicht mal felsig sondern eher gasförmig. Da hatten es die Kepler-Leute mit ihrem ruhigen gesetzterem Stern wesentlich einfacher.
Wenn wir herausfinden sollten, dass er da ne ganze Reihe von felsigen Exoplaneten mit extrem kurzen Umlaufperioden um andere Sterne gibt und wir dagegen keine Mini-Neptune finden, dann können wir trotz aller Schwierigkeiten unsere Massenbestimmung doch nicht so weit daneben gelegen haben und CoRoT-7b ist wirklich, wirklich ein Felsplanet. Um noch mal ein bisschen mehr Kontext in diese Kontroverse zu geben, so schlimm, wie es vielleicht von außen aussieht, ist dieser Streit gar nicht. Ich hab inzwischen von den Autorinnen des fraglichen Papers erfahren, dass sie nicht ganz so glücklich sind, wenn andere Wissenschaftlerinnen ihre Dichten als Grundlage für Planetenmodelle nehmen oder damit sogar die Existenz von CoRoT-7b anzweifeln. Es ging ihnen nämlich vor allem darum aufzuzeigen, dass mensch an der Grenze der Messmöglichkeiten sehr, sehr vorsichtig sein muss. Es ging ihnen nicht darum einen Konkurrenz-Wert für die Masse herauszugeben, weswegen genau dieser Wert auch nicht im Abstract drinsteht.
Dass es dann von amerikanischer Seite wohl zwischenzeitlich so rüberkam, als ob CoRoT-7b Existenz ganz zweifelhaft wäre, ist dann etwas unglücklich gelaufen. Dazu kam, dass einige Journalistinnen die Geschichte anscheinend nicht richtig einordnen konnten: Hier ein krasses Beispiel ausgerechnet von Science Now, in dem noch dazu ein richtig dicker Fehler drinsteht, der bis heute nicht korrigiert ist. Der hat aus 8.8 g/cm^3 einfach mal die 8.8fache Erddichte gemacht, was etwa 0.3mal der Dichte im Kern der Sonne entspricht. Der Planet stünde dann kurz vor der Kernschmelze, wenn der Wert denn wahr wäre, was er aber ganz sicherlich nicht ist. Oder der Herr hat angenommen, dass die Erde nur aus Wasser besteht, keine Ahnung.
Die meisten Fach-Journalistinnen haben die Meldung aber richtig eingeordnet. Da gab es letztes Jahr wesentlich schlimmere Fehlleistungen der NASA. Ich erinnere da an einen Planeten, der von dem Erst-Autoren schon fast als zukünftiges Urlaubsziel angepriesen wurde und bei dem es jetzt ziemlich fraglich ist, ob der überhaupt existiert. Es ist ein schwieriges Geschäft, diese Planetendetektion, so schwierig, dass der eine oder andere Fehlalarm zu erwarten ist.
Ich persönlich freue mich übrigens tierisch über Kepler-10b. Nicht nur, weil das ne schöne wissenschaftliche Entdeckung ist, die unser Weltbild erweitert und weil ich doch etwas beruhigter wegen der Masse von CoRoT-7b schlafen kann. Auch weil ich es dem Kepler-Team gönnen nach all den Problemen mit der Finanzierung und der Verschiebung des Projektes und der Kritik, weil sie es gewagt haben einen Teil der Daten zurückzubehalten, bis die bestätigenden Bodenbeobachtungen abgeschlossen waren. Was auch nur deswegen nötig wurde, weil das Projekt eben ständig verschoben wurde. Von der Erde aus können die eben nur im Winter/Herbst auf ihre Kandidaten schauen.
Daher ist das genau der richtige Anlass für mich zu feiern und damit passend zum Freitag ein Musikvideo einzustellen, dass nicht nur mein Bedürfnis nach Feiern befriedigt, sondern auch nach Wissenschaftlichkeit und Nerdigkeit. So:
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(1) Eigentlich wollte ich was anderes besprechen, aber was soll ich bei so ner Vorlage machen? Zu gut, um sie nicht einzuschieben.
(2) Genauer gesagt nimmt sie mit der Wurzel der Periode ab. Wichtig ist zudem wie tief das Signal ist und wie lange der Transit andauert und wieviele Datenpunkte pro Transit genommen werden. (Siehe u.a. : Pont et al. 2006, The effect of red noise on planetary transit detection)
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